Haug: "Warum nur auf einen Fahrer setzen?"
Norbert Haug erklärt, warum man auch in diesem Jahr nicht voll auf Räikkönen setzt, obwohl Coulthard das Team verlassen wird
(Motorsport-Total.com/sid) - Wenn er betont lässig die Boxenstraße entlangschlendert, huscht selten ein Lächeln über sein Gesicht. Gefühlsausbrüche scheinen ihm fremd, Kimi Räikkönen ist der Iceman der Formel 1. Nie weiß man, was sich wirklich hinter dem Pokerface des Finnen verbirgt. Das Reden überlässt er lieber den anderen, aber wenn er mal was sagt, dann meint er es auch so. "Ich kann Michael Schumacher schlagen. Ich kann mir sogar vorstellen, eines Tages alle Rennen zu gewinnen. Um Weltmeister zu werden, brauche ich ein gutes Auto und etwas Glück. Mehr nicht", erzählt der McLaren-Mercedes-Pilot vor dem WM-Auftakt am Sonntag in Melbourne.

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McLaren-Mercedes setzt offiziell nicht alle Karten auf Kimi Räikkönen
Räikkönen ist die unumstrittene Nummer eins im Team. Auch wenn Mercedes-Sportchef Norbert Haug von der Gleichstellung beider Fahrer berichtet, dürfte der Finne bevorzugt behandelt werden. Seit Wochen steht fest, dass Partner David Coulthard (Schottland) seinen Platz zum Saisonende für BMW-Williams-Pilot Juan-Pablo Montoya (Kolumbien) räumen muss. "Bei uns gibt es keine Teamorder, damit würden wir uns nur selbst schwächen", sagt Haug dem 'Sport-Informations-Dienst (sid)'.#w1#
Der Mercedes-Sportchef sieht in dieser Saison vier Teams, die in der Lage sind, einen Grand Prix zu gewinnen. Haug: "Das macht uns die Sache nicht leichter, doch das tut dem Sport gut." Die Zielsetzung der Silbernen ist es, Weltmeister zu werden, meint der Schwabe und verweist darauf, "dass wir fast immer das Team waren, das bis zum Schluss um den Titel mitgefahren ist". Räikkönen, der bislang erst einen Grand Prix gewann, erwartet, dass es ihm in diesem Jahr etwas leichter falle, ein Wörtchen um den WM-Titel mitzureden: "Ich bin reifer geworden. Mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe."
Voll des Lobes ist der dreimalige Weltmeister Niki Lauda über Räikkönen. "Er ist sicher das größte Talent der vergangenen Jahre. Nicht, weil er gut fahren kann, sondern weil ihm drei Dinge fehlen: Respekt, Angst und die Einsicht, auch einmal verlieren zu können", sagte der Österreicher in der 'Sport-Bild'. Die McLaren-Ärzte sollen einst festgestellt haben, dass die Pulsfrequenz des 24-Jährigen selbst unter größter Anspannung nicht steigt. Auf die Frage, was Räikkönen zu seinem berühmten Landsmann und Silberpfeil-Vorgänger Mika Häkkinen noch fehle, antwortet Haug grinsend: "Zwei WM-Titel."
Coulthard nimmt seine Ausmusterung professionell, niemals würde der brave Schotte ein böses Wort über seinen Arbeitgeber verlieren. "Es ist zwar sehr ungewöhnlich, eine derartige Personalentscheidung so früh bekannt zu geben, doch ich muss damit leben. Ich werde auch weiterhin alles geben, um dem Team zu helfen", sagt der 32-Jährige. Coulthard, mit insgesamt 13 Grand-Prix-Siegen aus 157 Rennen hinter dem sechsmaligen Weltmeister Michael Schumacher (70 GP-Siege) der aktuell erfolgreichste Formel-1-Pilot, wird für 2005 mit Toyota und Williams in Verbindung gebracht. "Wenn David ein konkurrenzfähiges Auto bekommt, macht er weiter, wenn nicht, hört er auf", sagt sein Teamchef Ron Dennis.
Dass Coulthard seinen Job in diesem Jahr nur halbherzig ausüben könne, glaubt bei den Silberpfeilen allerdings niemand. "Ich kann bei David keine Motivationsprobleme sehen, er wird Kimi in dieser Saison das Leben so schwer wie möglich machen", meint Haug. Aus diesem Grund sei es nur fair, wenn beide Fahrer auf einer Stufe stehen. Haug: "Wir wissen nicht, was die ersten Rennen bringen werden. Warum sollen wir unsere Chancen verringern, indem wir auf einen Fahrer setzen? Unser System hat sich bislang bewährt, daran halten wir fest."

