Haug: "Mit einem Deutschen? Umso besser!"
Mercedes-Sportchef Norbert Haug im Interview über die Rosberg-Gerüchte, die Entwicklung der Saison 2009 und die silberne Zukunft in der Formel 1
(Motorsport-Total.com/SID) - Während die politischen Streitereien langsam ad acta gelegt werden, können sich die Teams wieder auf Dinge wie den Transfermarkt konzentrieren. Für McLaren-Mercedes bedeutet das Verhandlungen mit Nico Rosberg, wie man hört, auch wenn Norbert Haug dies im Interview nicht bestätigen will.

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Mercedes-Sportchef Norbert Haug wünscht sich die bestmöglichen Fahrer
Dafür spricht der Mercedes-Sportchef vor dem Grand Prix von Ungarn auf dem Hungaroring über die Entwicklung der laufenden Saison, die bald in die Sommerpause gehen wird, über den endgültigen Rücktritt von FIA-Präsident Max Mosley und über die Zukunft von Mercedes in der Königsklasse des Motorsports.#w1#
Frage: "Herr Haug, Sie haben unlängst gesagt, McLaren-Mercedes sei derzeit kein Sieganwärter. Gilt das für den Rest der Saison?"
Norbert Haug: "Das will ich nicht hoffen. Allerdings habe ich nie Wert auf Ansagen, sondern vielmehr auf Leistung und messbare Ergebnisse gelegt. Lewis Hamilton war am Nürburgring zumindest für ein paar Meter in Führung, bevor Mark Webber den Hinterreifen seines Autos mit dem Frontspoiler aufgeschlitzt hat. Sicher ohne Absicht, aber Lewis' Rennen war damit praktisch beendet, denn bei der Runde mit zerfleddertem Gummi bis zur Box hat er den Unterboden beschädigt, sein Auto war danach kaum noch fahrbar."
Kein Verständnis für Laudas Kritik
Frage: "Niki Lauda hat Hamilton Arbeitsverweigerung vorgeworfen, weil er auf dem Nürburgring bereits aufgeben wollte. Was sagen Sie zu dieser Kritik?"
Haug: "Die war aus unserer Sicht fehl am Platz. Lewis war klug, den Vorschlag zu machen, Motor und Getriebe zu schonen, um dann bei Rennen, bei denen wir hoffentlich konkurrenzfähig sind, länger mit höchster Drehzahl fahren zu können. Wir sagten Lewis, dass ihn ein Safety-Car oder Regen oder beides wieder ins Spiel bringen könnte, und er gab danach wie zuvor in jeder Runde alles."
Frage: "Haben Sie diese Saison als Betriebsunfall abgehakt und arbeiten schon am Auto für 2010?"
Haug: "Wir wollen uns weiter steigern. Der Nürburgring war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Unser neues Auto entsteht parallel."
¿pbvin|512|1733||1|1pb¿Frage: "Die Hierarchie ist in diesem Jahr völlig auf den Kopf gestellt. Das ist für den Sport eigentlich nicht schlecht, oder?"
Haug: "Das ist prima. Und wenn jetzt noch der Silberpfeil als Außenseiter nach vorne kommt, wie es auf dem Nürburgring ohne Plattfuß schon der Fall gewesen wäre, dann haben wir noch tolle Rennen vor uns."
Frage: "In den ersten Rennen war Jenson Button derart dominant, dass er schon als Weltmeister gefeiert wurde. Jetzt gewinnt plötzlich Red Bull. Verspielt Button den Titel etwa noch?"
Haug: "Begriffe wie verspielt mag ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht, sie treffen die Realität nicht im Entferntesten. Button musste für seinen fünften Platz am Nürburgring wahrscheinlich mehr kämpfen als für manchen Sieg zuvor. Wäre es uns allen etwa lieber, wenn Button bisher nicht sechs von neun, sondern neun von neun Rennen gewonnen hätte? Außer Ross Brawn und Jenson Button und den Teammitgliedern von Brawn kenne ich niemanden, dem das gefallen würde, noch nicht einmal uns als Motorenpartner - wir hätten dann nämlich eine stinklangweilige Formel 1."
Frage: "Sebastian Vettels Teamkollege Mark Webber ist nach dem Sieg auf dem Nürburgring der Mann der Stunde. Sie kennen ihn ja noch bestens aus gemeinsamen Zeiten in der FIA-GT-WM. Kann er Vettel im Titelrennen noch gefährlich werden?"
Haug: "Klar kann Mark Webber das. Wir holten Mark vor zwölf Jahren in unser FIA-GT-Team, als Teamkollege von Bernd Schneider."
"Jetzt liegt Mark 1,5 Punkte hinter Sebastian Vettel und hat alle Chancen auf mehr. Ohne den Rennabbruch in Malaysia läge er heute bereits vor Sebastian Vettel. Mark ist nicht zu unterschätzen, und der letzte, der das täte, ist Sebastian Vettel. Und Webber weiß genauso, dass Vettel eine für ihn schwer zu knackende Nuss ist. Das wird jetzt teamintern sehr hart werden."
Frage: "Seit Wochen wird Nico Rosberg mit McLaren-Mercedes in Verbindung gebracht. Was ist da dran?"
Haug: "Gerüchte haben wir noch nie kommentiert, aber Nico Rosberg verdient den Formel-1-Ritterschlag. Er fuhr in dieser Saison blitzsaubere Rennen, wie zuletzt am Nürburgring, als er von Platz 15 auf Platz vier vorfuhr - sicher mit einem guten, aber bestimmt nicht mit dem allerbesten Auto im Feld."
Verhandlungen mit Rosberg?
Frage: "Wie wichtig wäre ein deutscher Fahrer überhaupt für Mercedes?"
Haug: "Ich will keineswegs ausschließen, dass wir mal einen deutschen Fahrer an Bord haben werden. Versucht haben wir das bereits in den vergangenen zehn Jahren mit Michael Schumacher, mit Nico Rosberg und mit Sebastian Vettel. Alle hatten zum jeweiligen Zeitpunkt existierende Verträge, die wir natürlich respektiert haben. Allemal verstehe ich, dass speziell unsere deutschen Fans sich einen deutschen Fahrer bei uns wünschen. Wir müssen uns stets so aufstellen, dass wir Rennen und Meisterschaften gewinnen können, und wenn dies mit deutschem Fahrer gelingen kann - umso besser."
Frage: "Der umstrittene Max Mosley hat nach langem Hickhack eingelenkt und seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur als FIA-Präsident verkündet. Kehrt damit endgültig Ruhe ein?"
Haug: "Max Mosley hat große Verdienste um unseren Sport, daran besteht kein Zweifel. Die FOTA-Teams haben seit mehr als einem Jahr so konstruktiv zusammengearbeitet, wie es die Rennställe zu keiner Zeit in der 60-jährigen Geschichte der Formel 1 getan haben."
"Es wird dabei eine enorm aufgewertete Formel 1 herauskommen, bei der weniger Geld für den großen Erfolg eingesetzt werden muss - und das System haben die Teams selbstständig miteinander entwickelt. Für Mercedes-Benz ist es extrem wichtig, dass noch mehr für die Zuschauer vor Ort und vor dem Fernseher getan wird, und die FOTA wird hier sehr starke Konzepte entwickeln und umsetzen."
Frage: "Was wird die wichtigste Aufgabe für den neuen FIA-Präsidenten sein?"
Haug: "Konstruktiv und kooperativ mit den Teams und dem Inhaber der kommerziellen Formel-1-Rechte zum Wohle der Zuschauer zu arbeiten. Denn wir fahren ja nicht für uns, wir fahren für die Zuschauer, für jene vor Ort und für jene vor den Fernsehgeräten auf der ganzen Welt."
Frage: "Honda ist ausgestiegen. Renault und Toyota werden wohl folgen. BMW steht ebenfalls auf der Kippe. Droht auch bei Mercedes eine Vollbremsung?"
Haug: "Alle im Concorde-Agreement versammelten Teams werden bis mindestens 2012 in der Formel 1 bleiben. Mercedes wird nicht gerade dann aussteigen, wenn bald drei WM-Saisons soviel kosten werden wie gestern noch eine, die Formel 1 populärer ist denn je und nicht nur in Deutschland Rekord-TV-Quoten erreicht werden."
Frage: "Was muss die Formel 1 anders machen, um auch in Zeiten der Weltwirtschaftskrise über die Runden zu kommen?"
Haug: "Sie muss mit all ihren Verantwortlichen hellwach, selbstkritisch und kreativ sein, die Wünsche ihrer Kunden, der Zuschauer also, an oberster Stelle ansiedeln und die Weiterentwicklung im Sinne des Zuschauers umsetzen - am besten im Formel-1-Tempo."

