• 29.04.2002 11:14

Haug: "Ferrari in einer anderen Liga"

Man holte keinen Sieg, dennoch floss am Sonntag bei McLaren-Mercedes schon wieder der Champagner

(Motorsport-Total.com/sid) - Noch sind die Silberpfeile nicht über den Berg, aber die Erleichterung war bei allen im Team deutlich spürbar. Nach dem dritten Rang des Schotten David Coulthard beim Großen Preis von Spanien wurde im "Silberpalast", so der inoffizielle Name des neuen rund sechs Millionen Euro teuren Motorhomes, wieder mit Champagner angestoßen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Angst vor einem Doppelausfall nach dem rätselhaften Heckflügel-Defekt an Kimi Räikkönens Auto schnell verflogen war.

Titel-Bild zur News: Haug und Lauda

Krisengeplagte unter sich: Norbert Haug und Niki Lauda

Dort, wo früher rauschende Siegesfeiern stiegen, hat eine neue Zeitrechnung begonnen. "Mehr war für uns nicht drin", kommentierte Mercedes-Sportchef Norbert Haug: "Wir wissen selbst, dass wir uns steigern müssen." So freut man sich schon über Kleinigkeiten. "Wir haben gezeigt, dass wir mit dem großen Druck fertig werden können und haben uns als Team geschlossen präsentiert", sagte Haug dem Sport-Informations-Dienst (sid) in Barcelona.

Mit dem Anflug eines Lächelns fügte der Schwabe fast trotzig hinzu: "Jeder hat gesehen, dass wir auch überholen können." Damit meinte Haug Coulthards tolles Manöver gegen Renault-Pilot Jenson Button (England) und spielte auf spöttische Schlagzeilen wie die "Ü-Klasse" (Ü steht für "überrundet werden") an, eine Schmach, die McLaren-Mercedes vor 14 Tagen in Imola widerfahren war. Denn dort waren die Silberpfeile nicht mal dritte Wahl, nachdem Renault die Nase vorn hatte.

Auch der Spanien-Grand-Prix schien eine "Lachnummer" der Silbernen zu werden. Räikkönen fuhr sein Auto schon in der fünften Runde zurück in die Box, nachdem sich der Heckflügel am McLaren-Mercedes gelöst hatte. Fast drei Stunden dauerte es, bis das Team einen Grund dafür nannte. "Wir hatten ein Strukturproblem an Kimis Heckflügel", sagte McLaren-Teamchef Ron Dennis und umschrieb damit vermutlich einen Material- oder Konstruktionsfehler. Nach Räikkönens Ausfall wurden die Daten an Coulthards Auto geprüft. Dennis: "Nach nicht mal einer Minute wussten wir: Der Heckflügel ist okay, es besteht keine Gefahr, wenn wir David im Rennen lassen."

Die zum Teil vernichtende Kritik (Silberpfeifen, Stotterpfeile) nach den Pleiten, Pech und Pannen in den ersten vier Rennen nagt an dem einstigen Weltmeister-Team mehr als die Verantwortlichen bei McLaren-Mercedes zugeben wollen. Barcelona könnte ein erster kleiner Schritt aus der Krise gewesen sein, auch wenn dritte Plätze auf Dauer nicht dem Leistungsanspruch eines Weltkonzerns wie DaimlerChrysler entsprechen können.

Der WM-Titel ist für McLaren-Mercedes in diesem Jahr allerdings außer Reichweite, das gibt Haug unumwunden zu: "Michael Schumacher und Ferrari sind in einer anderen Liga." Der Sportchef zeigt, dass er kein "Weltmeister im Schönreden" ist, als der er zuletzt bezeichnet worden war. "Wir sind momentan kein Siegkandidat, basta", erzählt Haug selbstkritisch.

Eins steht allerdings fest, ein Formel-1-Ausstieg kommt nicht in Frage. Haug: "Mit so was beschäftigen wir uns überhaupt nicht. Wir kämpfen um den Anschluss." Deshalb wollen die Silberpfeile die Flinte auch nicht ins Korn werfen: "Wir geben nicht auf, sondern arbeiten jetzt noch härter. Wir schreiben die Saison nicht ab und denken noch nicht ans nächste Jahr. Wir fahren Rennen und wollen immer das beste Ergebnis erzielen."