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  • 22.09.2011 20:42

Hamilton: Kartfahren in der Nacht

Der große Erfolg nach der Sommerpause hat sich bei Lewis Hamilton noch nicht eingestellt: Fährt der Brite ohne den Druck der WM nun entspannter?

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton hat durch den vierten Platz in Monza weiteren Boden auf seine Gegner verloren. Dadurch kommt der zielstrebige Brite lediglich als WM-Fünfter nach Singapur. Im großen Interview vor dem Rennen äußert sich der McLaren-Pilot zur Wortkarkheit in Monza, den Besonderheiten von Singapur, der Weltmeisterschaft, Sam Michael und Sebastian Vettel.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Der Weltmeister von 2008 wirkt vor dem Rennen in Singapur sehr entspannt

Frage: "Du hast nach dem Rennen in Monza nicht allzu viel gesagt."
Hamilton: "Ich habe einfach meinen Mund gehalten. Das war gut für mich. Ich habe mich für die kommenden Wochen ausgeruht. Die Medien fragen mich ständig, was ich gelernt habe. Das war eine Lektion, die ich an dem Tag anwenden konnte."

"Ich bin sehr passioniert und denke, dass ich sehr offen und direkt bin, mit dem was ich sage. Außerdem macht es mir keine Angst, das zu sagen, was ich fühle. Doch das kann gegen mich verwendet werden. Das will ich nicht. Und deshalb war ich in dem Moment in der Lage, mich zu kontrollieren. Darum geht es im Leben. Man muss die Kontrolle haben."

Monza ist abgehakt

Frage: "Fiel dir das schwer?"
Hamilton: "Jemand schlägt einem ins Gesicht. Wie schwierig ist es, nicht zurückzuschlagen? Wenn man in der Schule ist, egal ob man Angst hat oder nicht, fällt es schwer, nicht zurückzuschlagen und kontrolliert zu bleiben."

Frage: "Möchtest du noch etwas zu Michael Schumacher sagen?"
Hamilton: "Ich bin froh wieder im Auto zu sein. Hoffentlich komme ich nach meinem Boxenstopp nicht wieder hinter ihm heraus. Das möchte ich vermeiden (lacht; Anm. d. Red.)."

Michael Schumacher, Lewis Hamilton

An Michael Schumacher biss sich Lewis Hamilton in Monza lange die Zähne aus Zoom

Frage: "Wie beurteilst du den Grand Prix von Singapur?"
Hamilton: "Es ist beeindruckend. Die Veranstaltung ist ein riesiges Spektakel. Als ich gestern aus dem Hotel geschaut habe, konnte ich sehen, wie fantastisch die Häuser hier sind. Es ist eine der schönsten Städte, besonders in der Nacht. Wenn man hier fährt, sieht man die tollen Gebäude und die vielen Fans. Viele sehen sich das Rennen von den hohen Hotel- oder Bürogebäuden aus an."

"Man kann den Grand Prix hier von nahezu allen Gebäuden aus sehen. Ich hörte, dass etwa 400.000 Leute erwartet werden. Das habe ich in einer Zeitung gelesen. Ich habe ebenfalls gelesen, dass sie im Vorjahr 60 Millionen US-Dollar (knapp 44 Millionen Euro; Anm. d. Red.) durch den Grand Prix eingenommen haben und dass für dieses Jahr eine ähnliche Zahl erwartet wird. Das ist großartig für das Land."

Ungeduldiger Hamilton

Frage: "Wie beurteilst du deine Verfassung?"
Hamilton: Ich fühle mich sehr gut und gehe das Wochenende sehr motiviert an. Ich fühle mich frisch. Ich denke, wir befinden uns in einer guten Verfassung und können an diesem Wochenende sehr konkurrenzfähig sein. Ich bin gespannt, wie ein Kind zu Weihnachten und kann es kaum abwarten, wieder im Auto zu sitzen."

Frage: "Was ändert sich für dich durch den Umstand, dass es ein Nachtrennen ist?"
Hamilton: "Es macht einen großen Unterschied aus. Mein Tagesablauf ist anders, weil ich nach europäischer Zeit arbeite. Ich habe mir den ganzen Flug über vorgenommen, dass ich sofort ins Bett gehen werde. Ich gehe um sechs Uhr morgens ins Bett und stehe 13 oder 14 Uhr auf. Es ist echt verrückt. Man arbeitet recht spät. Wir arbeiten bis in die Nacht. Das ist einzigartig. Die Strecke ist sehr lang. Das Rennen ist das längste der Saison. Dadurch wird es zum physisch anstrengendsten Rennen. Ich würde mir wünschen, dass andere Rennen auch so lange gehen."

Lewis Hamilton

Der McLaren-Pilot möchte schnellstmöglich wieder ins Auto steigen und fahren Zoom

Frage: "Wie ist deine Meinung zur imposanten Lichtanlage hier?"
Hamilton: "Die Beleuchtung ist hier sehr gut. Das Licht ist nicht mit dem natürlichen Tageslicht zu vergleichen. Dennoch ist es während der gesamten Runde sehr gleichmäßig. Die Strecke ist sehr gut beleuchtet. Das könnte man nicht besser machen. Uns gefällt das Fahren in der Nacht. Den Fans gefällt es auch. Das Layout erinnert mich ans Kartfahren. Es fühlt sich wie eine sehr schnelle Kartstrecke an, die man dann auch noch nachts befährt."

Frage: "Du hast hier bereits gewinnen können. Hat man da weniger Siegeshunger?"
Hamilton: "Ich denke nicht. Man denkt, dass dadurch der Hunger auf den Sieg nachlässt. Aber das ist nicht so. Ich bin hungrig, hier erneut zu siegen. Man kommt immer mindestens ein Jahr später zurück. Bei mir sind es mehrere Jahre. Man verliert den Geschmack des Sieges und will wieder gewinnen."

Ein anderer Vettel?

Frage: "Bist du frustriert, dass die Meisterschaft so gut wie entschieden ist?"
Hamilton: "Es ist überhaupt nicht frustrierend. Es ist bedauerlich, dass die Saison nach diesem Wochenende für uns als Team vorbei sein könnte. Wir würden gerne beide Meisterschaften anführen. Dafür haben wir die Jahre über gearbeitet. Doch so ist es nicht. Kommendes Jahr müssen wir einen besseren Job machen."

Frage: "Was hat Vettel 2011 anders als im Vorjahr gemacht?"
Hamilton: "Ich denke, dass er dieses Jahr außergewöhnlich gut gefahren ist. Er ist wirklich sehr gut gefahren. Er ist bis auf ein Rennen immer Erster oder Zweiter geworden. Er ist sehr konstant gewesen. Seine Persönlichkeit und seine Haltung sind sehr professionell."

Sebastian Vettel und Lewis Hamilton

Hamilton sieht in Sebastian Vettel dieses Jahr einen kompletteren Fahrer Zoom

"Er hat nur sehr wenige Fehler gemacht. Ich weiß nicht, was er in seinem privaten Leben macht. Als Fahrer ist er um einiges kompletter als im Vorjahr. Er fühlt sich im Auto wohler. Im Vorjahr hatte er das Tempo, wurde durch die Zuverlässigkeit aber oft zurückgeworfen. Dieses Jahr hat er die Zuverlässigkeit, das Selbstvertrauen, das Tempo und erledigt den Job."

Meisterschaft ade?

Frage: "Es wurde verkündet, dass Sam Michael zu McLaren kommen wird. Kennst du ihn?"
Hamilton: "Ich kenne Sam nicht besonders gut. Wenn wir uns in der Boxengasse sehen, grüßen wir uns. Er stößt zu unserem Team und ich werde ihn dann in eine paar Monaten besser kennenlernen. Ich denke, dass er ein sehr entschlossener Charakter ist. Wir brauchen Leute mit dem Streben, die Besten zu sein. Er will der Beste sein. Das überträgt sich aufs Team."

Frage: "Nachdem die Meisterschaft nun so gut wie gelaufen ist: Worauf fokussierst du dich?"
Hamilton: "Ich denke nicht mehr allzu sehr an die Meisterschaft. Ich konzentriere mich nicht mehr auf Sebastian. Ich versuche, das Bestmögliche aus dem Wochenende herauszuholen. Es ist oft sehr wichtig, wie man etwas beendet. Uns geht es nun darum, die Saison gut zu beenden. Wir wollen weiterhin bei der Entwicklung des Autos Druck machen und unsere Ergebnisse verbessern. Dann können wir den Schwung mit ins nächste Jahr nehmen."

Lewis Hamilton

Anstatt der Meisterschaft konzentriert sich Hamilton nun auf Einzelsiege Zoom

Frage: "Bist du enttäuscht, dass die Meisterschaft verloren ist?"
Hamilton: "Die Weltmeisterschaft ist noch nicht entschieden. Theoretisch ist es noch möglich. Wir geben nicht auf. Aber ich konzentriere mich nicht mehr auf die Meisterschaft. Ich möchte noch ein paar Rennen gewinnen. Dann wäre ich zufrieden. Sebastian hat dieses Jahr einen beeindruckenden Job abgeliefert. Er wird sicher für den Rest der Saison so weitermachen. Wir nehmen sehr viel positive Energie mit in die anstehenden Rennen, weil wir wettbewerbsfähig sind und er besiegbar ist. Ich will gegen ihn kämpfen."