powered by Motorsport.com
  • 11.09.2008 17:56

Hamilton: "Ich sinne nie nach Rache"

Lewis Hamilton spricht über die Strafe und meint in Richtung Kimi Räikkönen: "Wenn du nicht den Mut hast, spät zu bremsen, ist das dein Problem!"

(Motorsport-Total.com) - Die 25-Sekunden-Strafe gegen Lewis Hamilton in Spa-Francorchamps, gegen die McLaren-Mercedes bereits Protest eingelegt hat, sorgt immer noch für Diskussionen. Heute im Fahrerlager in Monza äußerte sich Hamilton selbst erstmals zu dieser Thematik - und er schickte überaus selbstbewusste Statements in Richtung Ferrari.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton sprach heute in Monza erstmals über die umstrittene Strafe

Frage: "Lewis, wie hast du dich am Sonntag gefühlt, als du nach der Bekanntgabe der Strafe die Strecke in Spa-Francorchamps verlassen hast?"
Lewis Hamilton: "Ziemlich gut, um ehrlich zu sein. Jeder Fahrer träumt davon, einmal in Spa zu gewinnen, und wenn du das dann unter so erstaunlichen Bedingungen und auf so tolle Art und Weise schaffst, dann ist das unglaublich aufregend. Mein Herz raste in den letzten paar Runden! Ich war wirklich zufrieden mit meiner Leistung. Als ich die Strecke verließ, konnte ich es zwar kaum glauben, aber so ist eben der Motorsport. Manchmal musst du mit so etwas rechnen."#w1#

Nur ein Kommissar stellte Fragen

Frage: "Du wirst sicher nicht verraten, wie genau deine Unterhaltung mit den Rennkommissaren abgelaufen ist, aber kannst du uns sagen, mit wem du gesprochen hast und wer die Diskussion geleitet hat?"
Hamilton: "Es ist mir nicht gestattet, darauf zu antworten. Ich habe nur mit einer Person gesprochen. Die anderen hatten keine Fragen für mich."

Frage: "Glaubst du, dass diese Entscheidung für den Ausgang der Weltmeisterschaft signifikant sein könnte?"
Hamilton: "Das hoffe ich nicht. Ich werde jedenfalls alles daran setzen, dass dem nicht so sein wird! Ich führe immer noch mit zwei Punkten Vorsprung. Wir müssen nur sicherstellen, dass wir genauso aggressiv und stark sein werden wie in den letzten beiden Rennen. Zu wissen, dass wir ein gutes Paket haben, stimmt uns sehr zuversichtlich. Wenn überhaupt, dann stachelt uns die Sache zusätzlich an. Ich fühle mich klasse. Unser Auto passt zu den nächsten Strecken mindestens genauso gut wie zu Spa, also werden wir unser Bestes geben."

"Wenn überhaupt, dann stachelt uns die Sache zusätzlich an." Lewis Hamilton

Frage: "Du wurdest dieses Jahr schon zweimal dafür bestraft, nach dem Abschneiden einer Schikane einen Vorteil nicht zurückgegeben zu haben, einmal in Magny-Cours und einmal in Spa-Francorchamps. Über Spa-Francorchamps kannst du jetzt noch nicht sprechen, aber war die Strafe in Magny-Cours zu hart?"
Hamilton: "Ich habe dort eine Durchfahrstrafe bekommen. Ehrlich gesagt habe ich darüber nicht viel nachgedacht. Es war kein großartiges Wochenende, aber wir wurden bestraft und versuchten damit umzugehen. Sie haben eine Entscheidung getroffen, wir haben keine guten Entscheidungen getroffen. Das Team hat mir nicht gesagt, dass ich ihn vorbeilassen muss. Das war also eine andere Situation."

Frage: "Zahlreiche Fans auf der ganzen Welt finden die Strafe ungerecht, aber nicht nur deine Fans, sondern auch die von Ferrari und Fernando Alonso. Gibt einem das Kraft?"
Hamilton: "Ich habe seit dem letzten Rennen einfach mal abgeschaltet. Ich ziehe immer mein eigenes Ding durch und achte nicht viel auf alles andere. Ich habe aber viele positive Kommentare gehört und ich finde es unglaublich, wie sehr ich unterstützt werde. Wahrscheinlich ist mir das volle Ausmaß gar nicht bewusst, aber ich weiß, dass sich da einiges tut. Mein Dank dafür an alle! Ich bin aber ein Racer und gebe auf der Strecke mein Bestes. Ich fahre mir das Herz aus dem Leib. Niemand steckt mehr Herz ins Rennfahren als ich. Im letzten Rennen habe ich genau das getan - und ich muss sicherstellen, dass ich das weiterhin tun werde, dass ich den Leuten zeigen werde, was ich kann. Das kann mir niemand wegnehmen."

Einigkeit unter den Fahrern ist selten

Frage: "Die meisten Fahrer sehen die Situation anders als die vielen Fans. Sie sagen, dass solche Situationen in den Briefings oft besprochen wurden und dass sie die Strafe gerechtfertigt finden. Wie nimmst du das auf?"
Hamilton: "Normalerweise sprechen wir in den Fahrerbriefings nicht über so etwas. Sind wir immer einer Meinung? Nein, das passiert nie. Wir haben immer unsere eigenen Meinungen, aber die Jungs haben auch das Recht auf eine eigene Sicht der Dinge darauf, was vorgefallen ist. Es ist immer leicht, eine Meinung zu haben, wenn man nicht involviert ist oder wenn man nicht derjenige ist, der nicht gewinnen darf."

Frage: "Nach der Anhörung bei den Rennkommissaren warst du noch fantastisch gelaunt. Kannst du schildern, wie dir zumute war, als die herausgefunden hast, dass du dennoch bestraft wirst?"
Hamilton: "Wenn du aus dem Auto aussteigst, dann freust du dich darauf, das Team zu sehen und mit dem Team zu jubeln. Wenn du ins Motorhome kommst, dann herrscht da immer eine außergewöhnliche Atmosphäre, weil alle auf einen warten und alle die orangefarbenen T-Shirts tragen. Da bist du wieder bei deiner Familie - und das fühlt sich großartig an!"

"Da bist du wieder bei deiner Familie - und das fühlt sich großartig an!" Lewis Hamilton

"Wir hatten dieses Gefühl, aber es wurde ein bisschen auf ein Abstellgleis geschoben, weil ich andere Dinge zu tun hatte. Ich kam also ins Motorhome zurück, saß in meinem Raum und wusste, wie es ausgehen könnte. Ich war mental total auf die Strafe vorbereitet und habe in meinem Raum wie immer ein bisschen gechillt. Wahrscheinlich war ich die am meisten gefasste Person im Fahrerlager. So muss das auch sein."

Frage: "Du hast also nicht geflucht?"
Hamilton: "Nein."

Der Tod der Überholmanöver?

Frage: "Ist es nicht gefährlich für die Formel 1, wenn die Rennkommissare nach einem tollen Rennen so eine Strafe aussprechen?"
Hamilton: "Ich kann sagen, dass die Formel 1 in den vergangenen Jahren wirklich spannend geworden ist, weil es so eng zugeht. Es ist schwierig, heutzutage in der Formel 1 zu überholen, und wenn es passiert, dann sind die Fans ganz aufgeregt. Tatsache ist, dass ich in der Formel 1 überholen kann. Ich habe bewiesen, dass es geht, aber ich sage nicht, dass die Entscheidungen die Formel 1 ruinieren. Aber wenn wir nur noch im Kreis fahren und niemand mehr überholt, dann werden die Leute die Fernsehgeräte abschalten. Im Motorsport sind wir doch genau wegen des Überholens! Wenn wir das nicht mehr können, dann macht das alles keinen Sinn mehr, weil es dann kein Rennen mehr ist. Das ist dann nur noch eine Prozession."

Frage: "Gehst du nun anders an den Rennsport heran?"
Hamilton: "Nein, für mich ändert das nichts. Ich bin ein Racer, als Racer aufgewachsen. Ich habe gelernt, dass man überholt, sich von hinten nach vorne fightet. Ich glaube, auf dem Gebiet bin ich einer der Besten. Daran werde ich auch nichts ändern."

Kimi Räikkönen und Lewis Hamilton

Lewis Hamilton hatte den Mut, am vergangenen Sonntag später zu bremsen Zoom

Frage: "In Magny-Cours wurdest du bestraft, weil du eine Position nicht zurückgegeben hast. In Spa-Francorchamps wurdest du bestraft, obwohl du eine Position zurückgegeben hast. Wie offensichtlich muss man in so einem Fall die Position zurückgeben?"
Hamilton: "Ich weiß es nicht. Man könnte meinen, es muss eine Runde sein (lacht; Anm. d. Red.)! Ich weiß es nicht, ehrlich. Vielleicht sollte man uns das mal sagen."

Frage: "Du sagst, du bist optimistisch für die nächsten Rennen, aber inwiefern bereitet dir Felipe Massa Kopfzerbrechen?"
Hamilton: "Nicht wirklich. Ich finde, Massa steht schlechter da als ich - er muss sich strecken, wenn er mit mir mithalten will. Wir haben einen harten Kampf, aber ich befinde mich in einer sehr guten Position. Ich glaube, dass ich ein tolles Auto habe. Wir werden weitermachen wie bisher und ihnen Punkte wegnehmen, unsere Zuverlässigkeit in allen Bereichen verbessern. Für mich habe ich das letzte Rennen gewonnen. Normalerweise würdet ihr mich jetzt fragen: 'Wie fühlt es sich an, das Momentum vom Sieg in Spa mitzunehmen?' So fühle ich mich auch! Ich bin überhaupt nicht entmutigt und schätze mich sehr glücklich. Ich werde fantastisch unterstützt und ich weiß, dass wir dieses Wochenende wieder gewinnen können. Deswegen sind wir hier."

Frage: "Siehst du Spa-Francorchamps im Nachhinein so, dass du genug getan hast, um Kimi Räikkönen vorbeizulassen, dass er aber nicht genug Grip hatte, um vorbeizukommen?"
Hamilton: "Ich glaube nicht, dass er keinen Grip hatte. Wir hatten gleich viel Grip."

Selbstbewusste Töne in Richtung Räikkönen

Frage: "Aber er hat früher als du gebremst, nicht wahr?"
Hamilton: "Das liegt am Fahren, das ist alles. So ist er eben gefahren. Wenn du nicht den Mut hast, spät zu bremsen, dann ist das dein Problem! Bei solchen Bedingungen gewinnt der Fahrer, der das bessere Gespür für den Grip hat und der näher ans Limit gehen kann. Ich weiß, dass ich bei solchen Bedingungen großartig bin. Ich habe ein besseres Gespür für Grip als Kimi, weil ich weiß, welche Linie ich fahren muss. Ich bin eine andere Linie als er gefahren und ich habe dort Grip gefunden."

Frage: "Hattest du das Gefühl, genug getan zu haben, um nicht bestraft zu werden?"
Hamilton: "Ja."

Frage: "Inwieweit sinnst du hier auf Rache?"
Hamilton: "Ich sinne nie nach Rache. Tatsache ist, dass wir einen großartigen Kampf gegen die Ferraris erleben, der mir großen Spaß bereitet. Sie sind ein fantastisches Team und wir auch. Der Kampf ist so eng, dass es darauf ankommt, wer insgesamt den besseren Job macht. Damit meine ich, dass das Team Zuverlässigkeit, Boxenstopps und Strategie besser hinbekommt und der Fahrer das Ding auf der Strecke hält und die entscheidenden Zehntel herausholt. Es wäre fantastisch, hier in Monza wie im Vorjahr zu gewinnen und Ferrari in der Heimat zu bezwingen. Das wird schwierig, aber wir haben dieses Jahr unsere Heim-Grands-Prix gewonnen. Hoffentlich gelingt uns das auch hier."

"Sie sind ein fantastisches Team und wir auch." Lewis Hamilton

Frage: "Hättest du das Manöver auch gewagt, wenn in der Bus-Stop-Schikane eine Mauer gestanden wäre?"
Hamilton: "Ich verlasse die Fahrbahn nie, wenn es nicht absolut notwendig ist. In dem Fall musste ich eine Kollision vermeiden. Auf einer Strecke wie Valencia, wo Mauern stehen, wäre das ziemlich gefährlich gewesen. Da hätte ich gehofft, dass sich Kimi fairer verhält und realisiert, dass ich mehr Platz brauche. Aber that's Racing: Ich hätte es probiert - wenn es geklappt hätte, fein, wenn nicht, dann eben nicht..."

Frage: "Am Ende der vergangenen Saison hast du gesagt, dass du nicht am Grünen Tisch Weltmeister werden möchtest. Diesen Fall siehst du sicher anders, oder?"
Hamilton: "Wir wollen als Team unsere Rennen auf der Strecke gewinnen. Deswegen sind wir hier. Deshalb arbeiten sich 900 Leute jeden Tag den Arsch ab - nur damit wir auf der Strecke gewinnen können. Darum geht es um Motorsport. Es ist nicht unser Plan, am Grünen Tisch zu gewinnen. Diese Situation ist aber ein bisschen anders als im Vorjahr, weil wir das Gefühl haben, fair gewonnen zu haben. Für den Rest der Saison müssen wir nun versuchen, uns aus Problemen herauszuhalten, damit sich keine Gelegenheit mehr ergibt, uns zu bestrafen."