Hamilton: "Du vergisst, dass alles im TV übertragen wird"

Bei Lewis Hamilton kochten 2010 die Emotionen über - Warum er sich dafür bei seinem Team entschuldigt und wieso ihn Mark Webber wütend machte

(Motorsport-Total.com) - Auch wenn viele zu Saisonbeginn glaubten, dass die Weltmeister-Paarung Lewis Hamilton und Jenson Button bei McLaren nicht funktionieren kann, so stellte sie sich schließlich als äußerst wirkungsvoll heraus. Mit Button hat man einen Piloten, der nie zu viel Risiko nimmt und regelmäßig ins Ziel kommt - Hamilton ist dagegen der Mann mit dem Messer zwischen den Zähnen, bei dem es schon mal krachen kann, der aber auch zu wirklich außergewöhnlichen Rennen fähig ist.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton musste 2010 einige Enttäuschungen wegstecken

Wie risikofreudig und furchtlos der Weltmeister 2008 wirklich ist, bewies er dieses Jahr beim Grand Prix von Italien in Monza. In der ersten Runde des Rennens kollidierte er mit dem vor ihm fahrenden Ferrari-Piloten Felipe Massa und zerstörte dabei die Spurstange seines McLaren-Boliden. Doch anstatt aufzugeben, gab der 25-Jährige einfach Vollgas.

"Ich wusste, dass mein Rennen vorüber ist. Dennoch gab ich Vollgas." Lewis Hamilton

"Ich erinnere mich, wie ich aus der Kurve herauskam und wusste, dass die Spurstange gebrochen ist", blickt er gegenüber 'Autosport' zurück. "Ich wusste, dass mein Rennen vorüber ist. Dennoch gab ich Vollgas, ich fuhr einfach weiter - in der Hoffnung, dass das Auto einlenken würde. Das tat es nicht." Hamilton raste in der ersten Lesmo-Kurve mit hoher Geschwindigkeit durchs Kiesbett und blieb knapp vor dem Reifenstapel stehen.

Verbaler Ausrutscher in Melbourne

"Ich war bitter enttäuscht. Ich fühlte mich, als hätte ich das Team da ein bisschen im Stich gelassen", sagt Hamilton. Wie emotionell der McLaren-Star im Auto reagiert, wenn etwas schief läuft, bewies er schon beim zweiten Saisonrennen in Melbourne. Der Kommandostand hatte entschieden, seinen Piloten zu einem zusätzlichen Boxenstopp hereinzuholen, um ihm frische Reifen für die Schlussphase zu geben.

"Ich trage mein Herz auf der Zunge und sage immer, was mich gerade beschäftigt." Lewis Hamilton

Doch dadurch lag er schließlich hinter Ferrari-Star Fernando Alonso und Mark Webber und bezeichnete die Zwei-Stopp-Strategie via Boxenfunk in mahnendem Tonfall als "verdammt furchtbare Idee". Zudem fragte er mehrmals: "Wer war es, der mich reingeholt hat?" Unterm Helm kochte es offensichtlich - und so kam schließlich, was kommen musste: Beim Versuch, Alonso zu überholen, wurde Hamilton von Webber abgeschossen.

Hamilton entschuldigt sich

Jetzt entschuldigt er sich bei seinem Rennstall: "Ich habe mich falsch verhalten, der Fehler lag auf meiner Seite. Doch ich trage mein Herz auf der Zunge und sage immer, was mich gerade beschäftigt. Wenn du in der Hitze des Gefechtes im Auto sitzt, dann vergisst du, dass alles im TV übertragen wird. Ich bin nur froh, dass ich nicht geflucht habe."

"Ich habe mich falsch verhalten, der Fehler lag auf meiner Seite." Lewis Hamilton

Doch Hamilton gibt zu, dass er mit den Nerven am Ende war: "Die Emotionen kochen über. Du fährst dir die Seele aus dem Leib und dann hat mich Mark abgeschossen und er bekam keine Strafe dafür. Ich arbeitete mich auf Platz vier nach vorne und dann wurde ich abgeschossen und kam nur als Sechster ins Ziel. Ich hatte also das Gefühl, dass mir trotz all meiner harten Arbeit jemand etwas geraubt hat. Vor allem gegen Rennende, also kamen die Emotionen hoch. Die Strategie war nicht gut, sonst hätten wir einen Doppelsieg gehabt."

Brachte Webber Hamilton um den Titel?

Auch ein zweites Mal fühlte sich Hamilton betrogen. Und wieder war es Webber, der ihn um einen vierten Platz und wertvolle Punkte im Titelkampf brachte. Der Schauplatz war Singapur, der Red-Bull-Pilot war im Gegensatz zum McLaren-Fahrer bereits auf abgefahrenen Reifen unterwegs. "Es war das zweite Mal, dass ich mit Mark aneinander geriet", erinnert sich Hamilton. "Die Wiederholung zeigt, dass ich definitiv vorne war. Ich versuchte, so viel Platz wie möglich zu lassen, doch er war im toten Winkel und traf mich. Er bekam keine Strafe und kam wieder ungeschoren davon, während ich keine Punkte holte."

"Ich könnte dieses Manöver mit geschlossenen Augen machen." Lewis Hamilton

Dennoch ärgerte sich der 25-Jährige über sich selbst: "Ich könnte dieses Manöver mit geschlossenen Augen machen, ich habe es schon Millionen Mal in meinem Leben gemacht und es gab nie ein Problem. Neun von zehn Mal wäre nichts passiert. Ich war wütend auf mich selbst, denn sonst gab es niemanden, dem ich die Schuld hätte geben können. Mark bekam weder eine Strafe, noch hatte er sonst irgendeinen vergleichbaren Schaden - er hatte immer noch die Punkte. Ich war auf mich selbst wütend, denn ich hätte es später probieren können, ich wäre schon noch vorbei gekommen. Doch das tat ich nicht."

Wäre Hamilton nicht mit Webber kollidiert und beide Male als Vierter ins Ziel gekommen, dann hätte er jetzt 24 Punkte mehr auf seinem Punktekonto. Was das bedeuten würde, weiß er genau: Nicht Sebastian Vettel, sondern er wäre jetzt Weltmeister. "Wenn ich an diesen beiden Wochenenden in der gleichen Position - also Vierter und Vierter - ins Ziel gekommen wäre, dann hätte ich einen ordentlichen Sack Punkte mitgenommen. Rückblickend könnte man also sagen, dass ich in einer viel bessere Position wäre. Doch man lernt durch diese Dinge, man kann nichts dagegen tun, man kann die Zeit nicht zurückdrehen."

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