Glock: "Ich muss mich wohl fühlen"
Timo Glock bereitet sich mit AC/DC und Fahrrad auf seine Renneinsätze vor - Bodenständigkeit als bewährtes Mittel: "Werde mir keine Villa oder Yacht kaufen"
(Motorsport-Total.com) - Timo Glock kommt nach seiner Rückkehr in die Formel 1 einfach nicht recht auf einen Grünen Zweig. Nachdem er bei den ersten Saisonrennen gar nicht die Zielflagge sah, endete sein Rennen in Bahrain außerhalb der Punkte, nach der Kollision mit David Coulthard im Spanien-Grand-Prix waren am Wochenende erneut keine Zähler drin. Dennoch verliert der Odenwälder seine Geduld nicht und ändert auch gar nichts an seiner Herangehensweise.

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Timo Glock konnte bislang in der Saison 2008 noch keinen Punkt einfahren
Vor jedem Rennen zieht sich der 26-Jährige zurück und schaltet sich komplett auf seinen Renn-Modus um. "Ich stecke mir die Stöpsel ins Ohr und höre Musik. 'Highway to hell' von AC/DC und solche Sachen", beschrieb Glock sein Ritual in der 'FAZ'. "Das mache ich zur Abschottung, so komme ich in meine Konzentrationsphase. In der GP2 habe ich mich vor dem Rennen noch eine halbe Stunde auf das Rennrad gesetzt und bin auf der Rolle gefahren."#w1#
Abstrampeln für den Erfolg
Das Rennrad ist die zweite große Leidenschaft des Toyota-Piloten. Wann immer möglich, trifft er sich samstags in seinem Heimatort mit anderen Sportsfreunden, um auf dem Rad den Odenwald abzuklappern. "Meine Erfahrung ist: Auf dem Rennrad komme ich niemals in eine negative Stimmung." Er habe abseits seiner Rituale auch im Jahr 2006 einmal die Zusammenarbeit mit einem Psychologen probiert, sei davon allerdings schnell wieder abgekommen.
"Ich habe mir dabei ein paar Werkzeuge mitgenommen, das reicht mir", so der noch amtierende GP2-Champion. Er habe damit einen Teil seiner früheren Qualifying-Schwäche bewältigen können. In Zusammenhang mit der Fokussierung auf einen Renneinsatz habe er ebenfalls im Jahr 2006 ein Schlüsselerlebnis gehabt: "Das war in Hockenheim mit der GP2-Serie. Ich war samstags nur Dritter, weil ich in der Boxengasse zu schnell fuhr. Das hat mich so geärgert, dass ich mir geschworen habe: Das Sonntagsrennen gewinnst du, egal wie."
"Ich habe mich komplett abgeschottet, mich haben Leute angesprochen, aber ich habe nicht mehr reagiert. Ich war in einer völlig anderen Welt. Ich habe damals diesen Tunnelblick so extrem erlebt wie nie wieder. Im Rennen habe ich meinen Konkurrenten in der letzten Runde überholt und gewonnen. Es war ein genialer Tag." Seither versucht Glock bei jedem Rennen in einen solchen Vorbereitungs-Zustand zu kommen, der fast einer Trance entspricht.
Hände am Lenkrad, beide Füße auf dem Boden
Der Wohlfühlfaktor sei die Grundlage für alles weitere, so der Toyota-Pilot. Daher könne er sich nicht vorstellen, trotz des hohen Einkommens als Formel-1-Fahrer, seine Heimat zu verlassen und in ein Steuerparadies umzusiedeln. "Jeder fragt: Warum gehst du nicht in die Schweiz? Steuern sparen! Interessiert mich nicht. Denn wenn ich in der Schweiz bin und fühle mich nicht wohl, dann habe ich nichts davon."
"Ich muss mich wohl fühlen. Und das geht am besten, wenn ich daheim bin, mich mit Freunden treffe, Kart fahre, mich aufs Rennrad setze und quer durch den Odenwald fahre", so der 26-Jährige, der sich von seinem ersten Formel-1-Gehalt ein ferngesteuertes Auto gekauft hat. Er freue sich über solche Spielzeuge wie ein kleines Kind, so Glock: "Ich werde mir keine Villa kaufen und auch keine Yacht. Vielleicht mal ein kleines Boot. Wir hatten zuhause ein kleines Sportboot und mit dem waren wir manchmal auf dem Main unterwegs. Das war immer pure Entspannung."
Der gelernte Gerüstbauer mag einfach nicht von seinen familiär entwickelten Traditionen abrücken. Dazu gehört auch oft die spaßige Hatz auf der Kartbahn. "Es gibt viele Leute, die sagen: Du kommst aus dem Flugzeug und steigst in ein Kart, das ist doch nicht normal, du musst doch irgendwann mal die Schnauze voll haben. Aber für mich ist Motorsport, ist Kartfahren Entspannung."
Der Teamkollege als erster Gegner
Neben Spaß und Entspannung bleibt das Kartfahren natürlich auch ein gutes Training für die Formel-1-Einsätze. Vielleicht wird es helfen, endlich den Teamkollegen Jarno Trulli in Zukunft zu besiegen. "Ich will im Qualifying so nah wie möglich an Trulli drankommen. Es gibt wenige, die so konstant eine schnelle Runde aus dem Ärmel zaubern wie er." Bei der Zusammenarbeit mit dem Teamkollegen müsse man einen Kompromiss finden. Bei der Entwicklung des Fahrzeuges seien Gemeinsamkeiten gefragt, beim Rennwochenende müsse man hart gegeneinander kämpfen.
Bislang kommt Trulli mit dem Toyota TF108 deutlich besser zurecht, es scheint eher auf den Fahrstil des Italieners zu passen. Man könne nun nur über Setup-Varianten versuchen, den Wagen zum zahmen Biest zu machen. "Ein Rennauto kann man innerhalb einer Saison nicht umbauen. Es ist auch nicht so, dass es für mich meilenweit weg wäre, dass es überhaupt nicht funktionieren würde. Man merkt halt aber gewisse Charakterzüge an diesem Auto."

