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  • 26.09.2007 18:34

Gass: "Unsere Vorhersagen sind ziemlich akkurat"

Der Chefingenieur des Toyota-Teams im ausführlichen Team-Interview über die Vorbereitungen auf einen neuen Kurs im Formel-1-Kalender

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Der 'Fuji Speedway' kehrt zum ersten Mal seit 30 Jahren in den Formel-1-Kalender zurück. Wie bereitet sich das Team auf einen neuen Kurs vor?"
Dieter Gass: "Zunächst einmal erhält man eine CAD-Datei (Computer Aided Design) mit den Strecken-Daten, so dass wir beginnen können, Simulationen mit unserer Software durchzuführen. Dadurch erhält man einen ersten Eindruck, wie die Strecke ist. Wir sind in der Lage, alle Setup-Aspekte unseres Autos zu simulieren und sehen die Ergebnisse der Setup-Veränderungen auf der neuen Strecke."

Titel-Bild zur News: Dieter Gass

Gass ließ die Simulations-Programme mit unzähligen Daten füttern

"Im Prinzip berechnet unsere Simulations-Software virtuelle Runden auf der Strecke und zeigt dabei die Auswirkungen auf die Rundenzeit, wenn man mit verschiedenen Abtriebs-Level oder verschiedenen Setup-Optionen fährt. Durch die Verwendung dieser Simulationen sind wir in der Lage, das beste Setup zum Loslegen auf dem neuen Kurs zu finden, wir kommen also gut vorbereitet an die Strecke an."#w1#

Frage: "Welche Gebiete können simuliert werden?"
Gass: "Man beginnt festzulegen, welche Abtriebs-Level einem die beste Rundenzeit auf der neuen Strecke ermöglichen. Wenn man diesen einmal kennt, dann schaut man sich die Getriebe-Übersetzungen an, die zur Strecke mit dem gegebenen Abtrieb-Niveau passen, bevor man sich in detailliertere Simulationen verschiedener Setup-Lösungen vertieft. Wenn man dem Wochenende näher kommt, dann beginnt man Rennsimulationen durchzuführen, um die optimale Rennstrategie vorherzusagen."

"Diese Vorhersage zieht relevante Charakteristiken der neuen Strecke in Betracht, die man abgeschätzt hat, wie die Abnutzung der beiden Bridgestone-Reifen-Mischungen und die Auswirkungen, die das Benzin auf die Rundenzeit hat. Wenn man mehr Benzin im Auto hat, beeinflusst dies deine Rundenzeit, aber wir können akkurat vorherzusagen, wie viel Zeit wir mit jedem zusätzlichen Kilogramm Benzin verlieren, das wir an Bord mitführen."

Frage: "Gibt es beim 'Fuji Speedway' irgendwelche ungewöhnlichen Setup-Anforderungen, besonders aufgrund der langen Gerade?"
Gass: "Die Haupt-Gerade in Fuji ist außergewöhnlich lang, 1,475 Kilometer, aber der Rest des Kurses ist ziemlich verwinkelt, so dass man einen Kompromiss beim aerodynamischen und mechanischen Setup finden muss."

"Es gibt ein paar sehr langsame Kurven, die gute mechanische Haftung erfordern, und wie immer möchte man generell gute Haftung, aber man muss dies mit der langen Gerade in Balance bringen, wo man ausreichend wenig Abtrieb braucht, um ein Niveau an Luftwiderstand zu erreichen, das es einem gestattet, eine gute Höchstgeschwindigkeit zu erzielen."

Frage: "Ist es schwieriger, die beste Strategie vorherzusagen, wenn das Team auf der Strecke zuvor noch nicht gefahren ist?"
Gass: "Das ist etwas schwieriger, ja, denn es gibt auf einer neuen Strecke im Vergleich zu einer, die wir sehr gut kennen und über die wir alle Daten vorliegen haben, mehr Unbekannte. Es ist natürlich etwas schwieriger, das Verhalten der Reifen vorherzusagen, wenn man keinerlei aktuelle Daten von Tests oder Rennen auf dieser bestimmten Strecke hat."

"Hauptsächlich möchte man über die Reifen den Grad der Abnutzung auf Longruns und den Effekt, den diese auf die Rundenzeit hat, wissen. Wenn man doch nicht auf einer Strecke gefahren ist, dann kann man die Zeit, die man bei einem Boxenstopp verliert, ebenfalls nur abschätzen, und dies macht einen Unterschied im Hinblick auf die Strategie, die man auswählt, aus. Ich bin gleichzeitig jedoch zuversichtlich, dass unsere Vorhersagen sehr gut mit dem übereinstimmen, was wir am 'Fuji Speedway' vorfinden werden."

Frage: "Wenn man auf die Vergangenheit zurückblickt, wie genau sind diese Vorhersagen?"
Gass: "Ich denke, dass wir ziemlich akkurat sind, aber die ultimative Antwort darauf ist sehr schwierig, denn mit Sicherheit hängt es stark davon ab, was im Rennen passiert. Viele Zwischenfälle können passieren, welche dann eine positive oder eine negative Auswirkung auf die Strategie haben."

"Wenn man einen guten Start hinbekommt oder ein Auto, mit dem man kämpfen würde, im Verkehr fest steckt, dann kann man beim schlussendlichen Ergebnis des Rennens viel Boden gutmachen. Der gegenteilige Fall kostet natürlich viel Zeit, und schlussendlich wird dies die Strategie beeinträchtigen. Wenn man jedoch auf der anderen Seite ein sauberes Rennen hat, dann ist man in der Lage, genauer zu sehen, wie akkurat die Vorhersage war."

Frage: "Kann man über eine neue Strecke in Bezug auf die Anforderungen an das Setup mehr lernen, indem man sich die Strecke einfach anschaut, bevor die Autos darauf fahren?"
Gass: "Bis zu einem geringen Grad, ja. Wir haben die meisten Informationen vorliegen, aber wenn wir das erste Mal auf eine neue Strecke gehen, dann laufen wir den Kurs ab und studieren Elemente wie die Randsteine oder die Neigung der Strecke in den Kurven. Wir haben eine gute Vorstellung, was wir erwarten können, aber es ist hilfreich, sich die Strecke mit den eigenen Augen anzuschauen, um wirklich ein komplettes Verständnis zu erhalten."

"Kurz vor dem Rennen erhalten alle Teams eine komplette Karte der Strecke, die alle Kurven im Detail zeigt, so dass man die Höhen und die Topographie der Strecke hat. Diesbezüglich liegen uns einige Informationen vor."

Frage: "Werden Sie im Vergleich zu Strecken, die Sie sehr gut kennen, für einen neuen Kurs ein breiteres Setup-Fenster zur Verfügung stellen?"
Gass: "Nicht wirklich, denn zu jedem Rennen kommen wir mit allen Setup-Optionen an, uns steht also alles zur Verfügung. Es ist jedoch korrekt zu sagen, dass man vielleicht größere Schritte vollführt, wenn man im Freien Training das Setup bewertet, um das Auto an die Anforderungen der Strecke anzupassen."