• 27.07.2006 11:25

Gass: "Das Paket insgesamt muss stimmen"

Dieter Gass, Toyotas leitender Renn- und Testingenieur, im Interview über seine Aufgaben im Team, die Probleme mit dem TF106B und den Reifenkrieg

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Dieter, wie kann man sich die Aufgaben eines leitenden Renn- und Testingenieurs vorstellen? Musst du dich manchmal auch zweiteilen?"
Dieter Gass: "Manchmal würde das helfen. Grundsätzlich sind wir so organisiert, dass ich mich hauptsächlich um die Rennen kümmere. Es gibt bei uns aber auch einen Cheftestingenieur, der mir sehr stark unter die Arme greift. Müsste ich beide Bereiche komplett abdecken, wäre es sicher zu viel für mich. Die Verantwortung dafür trage ich aber schon."

Titel-Bild zur News: Dieter Gass

Der deutsche Ingenieur Dieter Gass ist so etwas wie der Ross Brawn von Toyota

Frage: "Liegt die größere Verantwortung auf Arbeit während des Rennen oder beim Testen?"
Gass: "Im Endeffekt liegt die größere Verantwortung auf der Arbeit während des Rennens. Die Rennstrategie ist ein entscheidender Punkt, der in meinen Bereich fällt. Dazu zählen die richtige Vorbereitung vor dem Rennen und die korrekte Strategie im Verlauf des Rennens. Diese Entscheidungen haben maßgeblichen Einfluss auf das Rennergebnis. Die Performance, die man an einem Rennwochenende zeigen kann, resultiert aber aus den Testphasen und der Konstruktionsarbeit in der Fabrik."#w1#

Gass und Vasselon die Chefstrategen bei Toyota

Frage: "Du entscheidest gemeinsam mit Kollegen aus dem Team, wie jeweils die Strategie im Rennen auszusehen hat..."
Gass: "Es gibt eine Ausarbeitung, die wir im Team vorbereiten. Gemeinsam mit einem Ingenieur, der sich nur mit der Rennstrategie befasst, gehe ich diese Ausarbeitung durch und stimme diese letztlich noch mit den Fahrern und Pascal Vasselon ab."

"Wir können mit nur zwei Autos weniger Runden fahren." Dieter Gass

Frage: "Das dritte Auto für die Freitagstrainings ist 2006 weggefallen. Bedauerst du das?"
Gass: "Aus zwei Gründen ist dies kein Vorteil: Wir können mit nur zwei Autos weniger Runden fahren. Der Motor muss für zwei Rennen halten, die Reifensätze, die man freitags verwenden kann, sind begrenzt. Für das Qualifying am Samstag und für das Rennen müssen wir ausreichend frische Reifen zur Verfügung haben. Wenn man zusätzlich auch noch ein drittes Auto hat, kann man auf dem Reifensektor sehr wichtige Informationen für das Rennen sammeln."

Frage: "2008 wird das Reglement verändert. Das Testen soll dann reduziert werden und der Freitag soll attraktiver werden. Würdest du begrüßen, dass die Testtage reduziert werden, damit der Freitag beim Grand-Prix-Wochenende aufgewertet würde?"
Gass: "Für die Freitagsaufwertung bin ich in jedem Fall. Man könnte am Freitag dann auch mit mehr Zuschauern rechnen. Was das Testen anbelangt, möchte ich gerne so viel testen, wie ich nur kann. Ich gehe aber davon aus, dass wir 2007 nur noch einen Reifenhersteller in der Formel 1 haben werden, so dass grundsätzlich weniger getestet werden muss."

Frage: "Dient das Testen hauptsächlich der Reifenabstimmung?"
Gass: "Ja, das ist der wichtigste Punkt. Und es bringt eine Kostenreduzierung mit sich, wenn wir nur einen Reifenhersteller haben."

TF106B macht nicht nur in einem Bereich Schwierigkeiten

Frage: "Worin liegen beim Toyota TF106 die Schwierigkeiten? Sind es die Reifen oder eher das Chassis?"
Gass: "In den seltensten Fälle verursacht dies immer nur ein Punkt. Das Paket insgesamt muss stimmen. Wenn man Rennen gewinnen will, muss man in allen Details top sein. Anfang des Jahres haben wir damit gekämpft, unseren Reifen zum Arbeiten zu bringen. Wir mussten lernen, wie man mit dem neuen Reifen umzugehen hat."

"Man kann im Vergleich der beiden Marken nicht von richtig oder falsch sprechen." Dieter Gass

Frage: "War der Schritt von Michelin auf Bridgestone der richtige Weg?"
Gass: "Es ist ein großer Unterschied, man kann aber im Vergleich der beiden Marken nicht von richtig oder falsch sprechen. Man muss es unter dem Aspekt kurz- und langfristig sehen. Langfristig war es bestimmt die richtige Entscheidung. Bis jetzt haben wir schon viel über den Reifen gelernt. Gerade die Probleme beim Aufwärmen mussten gelöst werden, um in der nächsten Saison keine Probleme zu haben. Wenn es 2007 den Einheitsreifen von Bridgestone gibt, wird die Tendenz zu weniger leistungsfähigen, härteren Reifen gehen. Dann wird es wieder schwerer, die Reifen zum Arbeiten zu bringen. Wer das kann, wird 2007 einen Vorteil haben."

Frage: "Wie wichtig sind für dich die Informationen, die dir der Fahrer am Rennwochenende gibt?"
Gass: "In erster Linie ist es wichtig, dass das Auto auf den Fahrer abgestimmt wird. Nur dann kann der Fahrer das Maximum aus dem Fahrzeug herausholen. Wir sind bemüht, dem Fahrer ein Auto zur Verfügung zu stellen, mit dem er umgehen kann."