Gascoyne: Siege sind "das klare Ziel des Teams"

Im Interview mit 'F1Total.com' erklärt Toyota-Technikchef Mike Gascoyne die Designphilosophie hinter dem TF106 - Team derzeit sehr gut aufgestellt

(Motorsport-Total.com) - Sieht man einmal vom zum Teil durch die kalten Temperaturen in Jerez ausgelösten Problem ab, dass die neuen Bridgestone-Reifen am TF106 nach einer guten ersten Runde extrem früh körnen und danach nicht mehr ausreichend Hitze aufbauen, läuft bei Toyota derzeit alles wie am Schnürchen - und entsprechend zuversichtlich präsentiert sich das Team auch nach außen hin.

Titel-Bild zur News: Mike Gascoyne

Mike Gascoyne strahlte bei den Tests in Jerez jede Menge Zuversicht aus

Zwar schaffen Ralf Schumacher, Jarno Trulli und Ricardo Zonta noch keine Wunderzeiten, doch die aktuelle Version des japanisch-deutschen Neuwagens ist ohnehin in erster Linie dazu gedacht, die mechanische Zuverlässigkeit zu erproben. Bis Bahrain soll es dann eine umfangreiche Ausbaustufe geben, die man getrost als B-Spezifikation bezeichnen könnte - und erst damit soll dann auch über den Weg der Aerodynamik der nötige Speed gefunden werden.#w1#

Gascoyne bestverdienender Technische Direktor der Formel 1

Am Donnerstag stellte sich der Technische Direktor des am höchsten budgetierten Formel-1-Rennstalls, Mike Gascoyne, im Fahrerlager in Jerez den Fragen der anwesenden Pressevertreter. Davor nahm er sich allerdings noch Zeit für ein 'F1Total.com'-Interview zum aktuellen Stand der Dinge.

Frage: "Mike, du bist erst den ersten oder zweiten Tag hier in Jerez. Wie sind deine bisherigen Eindrücke von den Tests?"
Mike Gascoyne: "Der Test verläuft recht produktiv. Natürlich haben wir einige Reifentests zu absolvieren, was im Moment unsere Hauptaufgabe ist. Vor der Winterpause haben wir bereits bei drei Tests mit Bridgestone zusammengearbeitet, und diese Entwicklung setzen wir hier fort. Der Unterschied zu unserem bisherigen Reifenlieferanten ist doch recht groß. Es gibt zusammen mit Bridgestone einiges zu tun."

Frage: "Was steckt hinter der Idee, das neue Auto früher als in den vergangenen Jahren herauszubringen?"
Gascoyne: "Man will ein neues Auto immer so früh wie möglich herausbringen, um die Zuverlässigkeit ins Paket zu bekommen und vor dem Saisonbeginn so viele Kilometer wie möglich zurückzulegen. Andererseits will man natürlich auch so spät wie möglich dran sein, um möglichst viel Zeit für die Entwicklung der Aerodynamik zu haben. Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, das neue Auto früh einzuführen, aber dann bis Bahrain ein komplett neues Bodywork zu entwickeln. Das gibt uns das Beste aus beiden Welten."

Toyota: Nichts ist unmöglich...

Ralf Schumacher

Nicht mehr als ein Haufen Müll? Das Bodywork des TF106 wird neu entwickelt... Zoom

"Ein Großteil unseres derzeitigen Bodyworks wird nie im einen Rennen zu sehen sein, sondern wir müssen es wegwerfen. Wir machen das aber bewusst so, und dann kann man das auch wegstecken. Für uns besteht dadurch die Möglichkeit, die mechanische Zuverlässigkeit hinzubekommen, aber gleichzeitig mit der spätestmöglichen Stufe der Aerodynamik zum ersten Rennen zu fahren."

Frage: "Es ist also eine Kombination der beiden Philosophien, einerseits früh dran zu sein, andererseits aber auch möglichst lange im Windkanal zu bleiben, richtig?"
Gascoyne: "Genau. So bekommt man das Beste aus beiden Welten. Man muss nur dazu in der Lage sein, es sich leisten zu können..."

Frage: "Wie zufrieden bist du bisher mit der Zuverlässigkeit, speziell hinsichtlich der V8-Vibrationen und dergleichen?"
Gascoyne: "Die Zuverlässigkeit ist in Ordnung. Wir hatten sowohl chassis- als auch motorenseitig ein paar Probleme, aber nichts Gravierendes. Motorenseitig müssen wir uns sicher keine großen Sorgen machen. Was die Vibrationen angeht, konnten wir die meisten Probleme diesbezüglich schon bei den Tests während der Saison mit dem Interimsauto aus der Welt schaffen. Insgesamt sind wir von der Zuverlässigkeit her sehr gut aufgestellt, denke ich."

Red Bull Racing laut Gascoyne in ernsthaften Schwierigkeiten

Frage: "Red Bull Racing hat derzeit noch massive Probleme mit der Kühlung. Geht es auch ähnlich? Ist das ein V8-spezifisches Problem?"
Gascoyne: "Eigentlich sollte es überhaupt kein Problem sein, sondern im Gegenteil sogar einfacher als letztes Jahr. Wenn man bei einem Shakedown im Dezember in Silverstone ein Kühlproblem hat, dann hat man irgendetwas grob falsch gemacht. Ich weiß nicht, was sie für Schwierigkeiten haben, aber wir haben sie jedenfalls nicht."

Frage: "Welches Feedback habt ihr bisher von den Fahrern über das neue Auto bekommen?"
Gascoyne: "Beide sind recht zufrieden mit der Verbesserung des Autos, speziell des Hecks, welches letztes Jahr eine unserer Schwächen war. Alle Fahrer sagen, dass das erheblich besser geworden ist. Mechanisch haben wir auch einen großen Schritt gemacht. Natürlich arbeiten wir mit den Reifen, wo es gemischte Gefühle gibt, aber insgesamt läuft es nicht schlecht. Hier in Jerez haben wir Probleme mit den niedrigen Temperaturen, weil dadurch die Reifen stark krönen. Das ist aber zu diesem Zeitpunkt ganz normal. Insgesamt läuft es sehr positiv."

Frage: "Ende der vergangenen Saison war Jarno Trulli nicht sehr glücklich mit der neuen Vorderachse des TF105B. Der TF106 hat eine ähnliche Vorderachse. Wie wollt ihr dieses Problem lösen?"
Gascoyne: "Das ist schon erledigt. Wenn man Jarno fragt, sagt er, dass er mit der Vorderachse jetzt sehr happy ist. Es hat einfach ein bisschen gedauert. Natürlich haben wir für den TF106 einiges verändert, und er selbst saß auch mehr im Auto. Das ist kein Thema mehr."

Beide Fahrer mit der aktuellen Vorderachse zufrieden

"Die Vorderachse des TF105B war viel stärker als die des TF105." Mike Gascoyne

Frage: "Womit genau kam er denn nicht zurecht? Hatte er Probleme mit der Radaufhängung?"
Trulli: "Ich würde es nicht als Problem bezeichnen. Die Vorderachse des TF105B war viel stärker als die des TF105. Es hat einfach ein bisschen gedauert. Ralf war sehr happy damit, aber auch Jarno hatte kein echtes Problem. Bei den letzten zwei Rennen der vergangenen Saison konnten wir das aussortieren. Es war eine Setup-Angelegenheit."

Frage: "Habt ihr je darüber nachgedacht, nicht zwei verschiedene Autos, aber zumindest zwei verschiedene Vorderachsen für Ralf Schumacher und Jarno Trulli zu bauen?"
Gascoyne: "Nein. Das wäre ein logistischer Albtraum. Außerdem waren wir immer sehr zuversichtlich, das Auto für beide Fahrer gut abstimmen zu können. Es war nur eine Frage der Zeit."

Frage: "Wie sind eure ersten Eindrücke von den Bridgestone-Reifen?"
Gascoyne: "Wir sind bei diesen drei Tests nur begrenzt zum Fahren gekommen. Anfangs war der Eindruck sehr angenehm, denn die Pace auf der ersten Runde ist gut. Hier in Jerez haben wir Schwierigkeiten mit der Konstanz der Reifen, speziell auf längeren Runs. Wir haben für diesen Test aber Fortschritte gemacht und haben jetzt auch eine klare Richtung, in die wir arbeiten können. Es passt schon, und wir machen definitiv gute Fortschritte."

Bridgestone ist als Partner für Toyota noch ungewohnt

Frage: "Vergangenes Jahr war das Temperaturfenster der Bridgestone-Reifen ziemlich schmal. Ist das noch immer so?"
Gascoyne: "Eigentlich war Bridgestone immer für ein breites Temperaturfenster bekannt. Hier haben wir Schwierigkeiten, die Temperatur im richtigen Fenster zu halten. Das ist eine Kombination aus den niedrigen Temperaturen und den V8-Motoren, denn dadurch sind die Anforderungen an die Hinterreifen ganz anders als bisher. Wir verstehen das aber, und wir verbessern uns definitiv."

Frage: "Ihr werdet bis zum ersten Rennen in Bahrain ein überarbeitetes Auto mit neuem Front- und Heckflügel bekommen. Was wird noch alles neu sein?"
Gascoyne: "Neuer Frontflügel, neue Frontflügelendplatte, neue Bremsbelüftungen, neue Einlenkleitbleche, neue Seitenkästen, neuer Unterboden, neues Bodywork, neuer Heckflügel, neue Bremsscheiben, neue Crashstruktur im Heck und neue Vorder- und Hinterradaufhängungen."

Frage: "Während der Saison würde man das mindestens als B-Spezifikation bezeichnen, oder?"
Gascoyne: "Es ist ein ziemlich umfangreiches Update."

"Jetzt sollen Siege her!" Mike Gascoyne

Frage: "Letzte Frage: Was ist euer Saisonziel für 2006?"
Gascoyne: "Ich denke, dass wir versuchen sollten, Rennen zu gewinnen. Wir waren ziemlich oft das drittschnellste Auto, und das wollen wir weiter verbessern. Jetzt sollen Siege her! Ein paar Podestplätze haben wir schon erreicht. Wenn man das auch regelmäßig schafft, sind Siege nicht mehr weit weg. Das ist das klare Ziel des Teams."