• 01.03.2024 14:04

  • von Alex Kalinauckas, Übersetzung: Stefan Ehlen

Für das Fernsehen der Zukunft: Red Bull testet Drohne mit Formel-1-Speed

Wie Red Bull eine spezielle Drohne entwickelt hat, die schnell genug ist, um mit Formel-1-Autos mitzuhalten, und nie dagewesene Bilder liefern soll

(Motorsport-Total.com) - Warum Drohnen bisher fast keine Rolle spielen bei der Übertragung von Formel-1-Rennen? Weil sie schlichtweg zu langsam sind. Doch genau das will Red Bull ändern: mit einer selbst entwickelten Drohne, die über 350 km/h schnell ist und damit selbst in Highspeed-Passagen dranbleiben kann an den Rennautos.

Titel-Bild zur News: Die Red-Bull-Drohne RBD1 vor dem Formel-1-Auto

Die Red-Bull-Drohne RBD1 vor dem Formel-1-Auto Zoom

Eine erste Demonstration dieser Drohne hat Red Bull bereits unternommen: Beim Shakedown des neuen Red Bull RB20 für die Formel-1-Saison 2024 flog die sogenannte RBD1 (steht für "Red Bull Drone 1") in nächster Nähe mit auf einer Runde in Silverstone und lieferte eindrucksvolle Aufnahmen des fahrenden Autos.

Doch dieses Experiment hatte einen langen Vorlauf, wie Ralph Hogenbirk erklärt. Hogenbirk ist professioneller Drohnen-Pilot und mit seiner Firma Dutch Drone Gods aus den Niederlanden der offizielle Entwicklungspartner von Red Bull Advanced Technologies.

"Vor etwa einem Jahr kam Red Bull mit einer Frage auf uns zu. Es hieß: 'Wir denken schon eine Weile darüber nach, wie eine Drohne über eine komplette Runde ein Formel-1-Auto verfolgen könnte. Die Drohne soll das Auto filmen und am Ende wollen wir ein cooles Video haben. Kriegt ihr das hin?' Und dann haben wir uns mit der Umsetzung dieser Idee befasst."

Das Problem dabei: So etwas hatte bis dahin noch niemand entwickelt. "Manche hatten zwar schnelle Drohnen gebaut, aber die sollten einfach nur in einer geraden Linie schnell sein. Und diesen Drohnen fehlte es dann an HD-Kameras und Speichern", sagt Hogenbirk. "Wir haben uns deshalb überlegt, wie wir all das auf einen Nenner kriegen könnten."

Die Drohne soll den "wahren Speed" der Formel 1 zeigen

Inzwischen fliegt bereits die dritte Ausbaustufe Formel-1-Autos hinterher - und schafft, was die traditionelle TV-Übertragung mit festen Kameraplätzen rund um die Strecke nicht gut transportiert: den wahren Speed der Autos einzufangen.

"Gerade wenn die Kamera aufmacht, verliert man den Sinn für die Geschwindigkeit", erklärt der frühere Formel-1-Fahrer David Coulthard, der als Red-Bull-Botschafter auch in das Drohnen-Projekt involviert ist. "Selbst in der Nahaufnahme kommt der Speed nicht rüber, auch nicht aus der Cockpitperspektive. Das sind alles schöne Aufnahmen, aber sie zeigen nicht, was die Fahrer wirklich erleben."

Max Verstappen im Red Bull RB20 in Silverstone, gefilmt von der RBD1-Drohne

Max Verstappen im Red Bull RB20 in Silverstone, gefilmt von der RBD1-Drohne Zoom

Weshalb die Drohne zwei Kameras hat

Die Red-Bull-Drohne soll das ändern. Vier Propeller treiben die raketenförmige Drohne an und sorgen dafür, dass die zwei verbauten Kameras ihr Ziel stets im Fokus haben können.

Aber wozu eigentlich zwei Kameras? Eine basiert auf einer GoPro-Kamera und liefert das hochauflösende Bildmaterial, das Red Bull unbedingt kriegen will. Die andere bietet Drohnen-Pilot Hogenbirk, in der Szene auch als "Shaggy" bekannt, den Blick auf das, was er sehen muss, und das mit einer Verzögerung von nur 30 bis 40 Millisekunden.

Das bedeutet: Die RBD1 ist eine sogenannte FPV-Drohne. FPV steht für "first-person view", also für die Ich-Perspektive des Piloten, der mittels einer speziellen Brille das Geschehen so verfolgen kann, als säße er selbst an Bord der Drohne.

So schnell ist die Drohne im Formel-1-Vergleich

Und diese Drohne steht einem Formel-1-Auto in fast nichts nach: Red Bull hat für die RBD1 die gleichen Materialien und Herstellungsverfahren verwendet wie für den aktuellen RB20-Boliden. "So haben wir die Drohne noch leichter und effizienter gemacht", sagt Hogenbirk.

Ergebnis: Die Drohne beschleunigt in unter zwei Sekunden von 0 auf 100 km/h, ist nach vier Sekunden bereits 300 km/h schnell.

Drohnen-Pilot Ralph Hogenbirk mit Formel-1-Fahrer Sergio Perez

Drohnen-Pilot Ralph Hogenbirk mit Formel-1-Fahrer Sergio Perez Zoom

Damit würde die RBD1 im direkten Duell sogar das Formel-1-Auto hinter sich lassen: Ein aktueller Formel-1-Rennwagen nämlich braucht laut Red-Bull-Angaben gut zweieinhalb Sekunden, um aus dem Stillstand auf 100 km/h zu beschleunigen. Bis 300 km/h anliegen, vergehen über zehn Sekunden.

Im 1:1-Duell ist die Drohne schon überlegen, aber ...

Und ein solches 1:1-Duell hat Red Bull - natürlich - schon unternommen, mit Coulthard am Steuer eines RB8-Autos, das im englischen Millbrook gegen eine frühere Version der RBD1-Drohne antrat. Auf der 800-Meter-Strecke hatte der Routinier im Formel-1-Auto von 2012 prompt das Nachsehen.

Die Sache hat aber einen Haken: Ein Formel-1-Rennen ist nicht nach einem kurzen Sprint oder einer Runde vorbei, sondern nach etwa eineinhalb Stunden. Und das halten die Akkus der RBD1 aktuell bei Weitem noch nicht durch: Liegt Volllast an, ist die gesamte Energie schon nach nur drei Minuten verbraucht. Das reicht vielleicht gerade so für zwei fliegende Runden, mehr nicht.

Erschwert wird das Drohnenfliegen durch die Bremszonen auf der Rennstrecke. Denn eine Drohne hat keine Bremsen, sondern muss zum Verzögern die Antriebsleistung drosseln. Deshalb muss der Drohnen-Pilot die Bremsvorgänge der Formel-1-Fahrer antizipieren, um in der Verfolgung dranzubleiben.

Blick auf das Innenleben der Formel-1-Drohne RBD1 von Red Bull

Blick auf das Innenleben der Formel-1-Drohne RBD1 von Red Bull Zoom

Eine Drohne allein reicht nicht aus

Und noch etwas erschwert das gesamte Filmprojekt: Es braucht eine zusätzliche Drohne zum Übertragen der Daten an die RBD1.

"Wir haben nicht für die komplette Runde eine direkte Verbindung zur Drohne", sagt Hogenbirk. "Deshalb haben wir die andere Drohne zwischengeschaltet, die das Video-Signal und die Steuersignale weitergibt. Diese andere Drohne fliegt hoch über der Strecke und hat immer eine direkte Sichtverbindung zur RBD1. Nur so können wir das System zuverlässig einsetzen."

Eine solche oder so ähnliche Infrastruktur müsste wohl auch die Formel 1 aufbieten, sollte sich die Rennserie für den Einsatz von Drohnen in der TV-Übertragung entscheiden. Bislang hat die Formel 1 lediglich einzelne Versuche unternommen: 2021 in Österreich sowie 2022 in Spanien und in den USA.

Mögliche Gefahren bei Drohnen-Einsätzen im Motorsport

Aber: Die Drohnen waren bei bisherigen Experimenten nicht gemeinsam mit den Autos auf (oder: über) der Strecke unterwegs. Das lag an der fehlenden Geschwindigkeit der Drohnen, doch dieses Problem hat Red Bull mit seiner RBD1 gelöst. Daraus wiederum lässt sich allerdings nicht auf einen baldigen Einsatz der Technologie am Rennwochenende schließen.

Denn: Nicht nur die Luftverwirbelungen hinter den Fahrzeugen stellen eine Hürde für Drohnen-Piloten dar, auch Brücken, Banner und sonstige Aufbauten könnten zu Hindernissen werden. Hinzu kommt das Risiko eines technischen Fehlers, der die Drohne auf die Strecke oder gar auf die Zuschauerränge fallen lassen könnte.

Die Drohne RBD1 (oben links im Bild) filmt Max Verstappen im Red Bull RB20

Die Drohne RBD1 (oben links im Bild) filmt Max Verstappen im Red Bull RB20 Zoom

Deshalb sagt Hogenbirk frei heraus: "Wie es von hier aus weitergeht, das wissen wir nicht. Aber natürlich lautet das Ziel, irgendwann einmal Livestream-fähig zu sein in einem Freien Training oder in einem Rennen. Wir wollen das irgendwie auf die Formel-1-Strecke bringen, denn genau dafür wurde diese Drohne entwickelt."

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