• 05.07.2002 16:08

Frentzen: "Es ist ein komisches Gefühl"

Immer mehr Details sickern im Fall Arrows an die Öffentlichkeit - Tom Walkinshaw hat einen großen Haufen Probleme vor sich

(Motorsport-Total.com/sid) - So hatte sich Heinz-Harald Frentzen das "freie Training in Silverstone nicht vorgestellt: Um 9:50 Uhr kam der Mönchengladbacher scheinbar fröhlich mit einem blauen Regenschirm ins Fahrerlager, ein paar Stunden später ging er traurig ohne einen einzigen gefahrenen Kilometer nach Hause. Sein Rennstall Arrows durfte wegen einer nicht gezahlten Rate von 4,7 Millionen Euro an Motorenlieferant Ford-Cosworth nicht beim verregneten freien Training für den Großen Preis von England am Sonntag (14.00 Uhr MESZ/live bei Premiere und RTL) antreten.

Titel-Bild zur News: Heinz-Harald Frentzen

Heinz-Harald Frentzen heute in Silverstone: Ahnunglos aber hoffnungsvoll

Frentzens Start am Samstag im Qualifying und am Sonntag im Rennen ist völlig ungewiss, die Fortsetzung seiner Karriere steht wegen der drohenden zweiten Pleite eines Frentzen-Teams innerhalb eines halben Jahres in den Sternen.

"Mir wurde gesagt, dass es ein ganz normaler Arbeitstag wird. Aber das war ja dann nicht so, und es ist ein komisches Gefühl, nur zuzuschauen. Aber ich gehe davon aus, dass ich im Qualifying fahren kann", erklärte Frentzen dem Sport-Informations-Dienst (sid). Noch 30 Minuten vor Ende der insgesamt zweistündigen Trainingssession wollte der 35-Jährige im Motorhome nichts essen, "falls ich doch noch fahren kann."

Das passierte aber nicht, Arrows-Chef Tom Walkinshaw konnte nicht alle Probleme im Zusammenhang mit einer Schuldenlast von angeblich fast 100 Millionen Euro klären. Hektisch verhandelte der Multimillionär im silbernen Bus von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, später im eigenen Motorhome mit den Vertretern des Motorenlieferanten Cosworth um Jaguar-Sportchef Niki Lauda. Der hatte Arrows immerhin erlaubt, trotz der ausstehenden Zahlung die Triebwerke samt Elektronik-Steuerung am späten Donnerstagabend zur nachträglichen technischen Abnahme bei den Rennkommissaren vorzustellen.

Damit fahren dürfen Frentzen und sein Teamkollege Enrique Bernoldi (Brasilien) allerdings so lange nicht, bis die fällige Millionen-Rate gezahlt ist. "Ich mag Tom und würde ihm gern helfen, aber da gibt es keinen Kompromiss. Er hat drei Deadlines verpasst. Wenn er zahlt, fahren sie, wenn nicht, dann nicht", meinte Niki Lauda. Treibt Walkinshaw wie zuletzt vor dem Rennen in Monaco - damals zahlte er rund 1,7 Millionen Euro aus der Privatschatulle - das Geld bis zum Wochenende auf, kann Frentzen starten.

"Die Nicht-Teilnahme am Training hat keine Folgen, das Team muss allerdings definitiv im Qualifying starten", erklärte die FIA. Wenn nicht, droht dem Rennstall eine Strafe von angeblich einer Million Dollar. Zudem ist die weitere Teilnahme an der WM in Gefahr. Nachdem im Januar schon Frentzens voriger Arbeitgeber Prost mit Millionenschulden pleite gegangen war, scheint nun Arrows das gleiche Schicksal zu drohen. Bitter für "HHF", der in dieser Saison mit zwei sechsten Plätzen glänzende Resultate abgeliefert hatte. Und das, obwohl er angeblich noch eine Kürzung seiner Jahresgage auf nur noch 500.000 Euro hinnehmen musste.

Erste Alternativen für eine Fortsetzung seiner Karriere dürften Toyota und Jaguar sein. Toyota hat seine Hauptzentrale in Köln und würde einen erfahrenen deutschen Fahrer als Ersatz für Allan McNish sicher mit Kusshand nehmen. Bei Jaguar naht das Karriere-Ende von Eddie Irvine.

Die Perspektive von Arrows dagegen ist schlecht. Walkinshaw ist Dauergast vor Gericht, das ihm zuletzt "unanständige und hinterhältige Bemühungen" bei der Umstrukturierung seiner Firma unterstellte. Der Teamboss hatte unmittelbar vor Silverstone versucht, Anteile der dem Team zustehenden FIA-Einnahmen (TV-Geld, Preisgeld) an einen Softdrinkhersteller ("Red Bull") abzutreten, um die Motorenrate an Cosworth-Ford zahlen zu können.

Ein Londoner Gericht bestimmte stattdessen, das erst ein 20-Millionen-Euro-Kredit des größten Anteilseigners, der Investmentbank Morgan Grenfell bedient werden müsse. Am Freitag klagte vor dem gleichen High-Court der für Frentzens Verpflichtung entlassene Niederländer Jos Verstappen vier Millionen Euro ein.