Franz Tost: Der "Jungbullen-Dompteur" im Interview

Zwischen James-Key-Effekt, Mark-Webber-Nachfolge und Korea-Atomgefahr: Wie Franz Tost Toro Rosso schon 2013 zur Nummer sechs in der Formel 1 machen will

(Motorsport-Total.com) - Franz Tost ist um 18 Jahre älter als Christian Horner, nämlich 57, darf bei Red Bull aber trotzdem "nur" das Juniorteam Toro Rosso leiten. Der Österreicher arbeitete in den 1990er-Jahren zunächst beim Formel-3-Team von Willi Weber, ehe er gemeinsam mit Ralf Schumacher nach Japan ging, um dessen Karriere zu koordinieren. Bis 2006 stand er anschließend bei BMW auf der Gehaltsliste, ehe er von Dietrich Mateschitz angeheuert wurde, um das ehemalige Minardi-Team im Auftrag von Red Bull zu leiten. Seither ist Tost Teamchef beim B-Rennstall des Energydrink-Herstellers.

Titel-Bild zur News: Franz Tost

Der Österreicher Franz Tost ist bereits seit 2006 Teamchef von Toro Rosso Zoom

Was viele schon vergessen haben: 2008 war Toro Rosso - auch dank des sensationellen Sieges von Sebastian Vettel in Monza - in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft noch vor dem "großen Bruder" Red Bull klassiert, doch seither landete das Team dreimal auf dem neunten und einmal (2011) auf dem achten WM-Rang. Hoffnungsträger der italienischen Scuderia ist nun der Brite James Key, der im September 2012 anstelle von Giorgio Ascanelli als Technischer Direktor an Bord kam und dessen Barcelona-Update am vergangenen Wochenende erste Früchte getragen hat. Sollte Key bei Toro Rosso alles richtig machen, winkt ihm unter Umständen eines Tages die Nachfolge von Red-Bull-Designguru Adrian Newey.

Darüber spricht Tost im Interview mit 'Motorsport-Total.com' ebenso wie über das Ziel, sich vom neunten auf den sechsten WM-Platz zu verbessern, über das Potenzial seiner beiden Fahrer, Mark Webber bei Red Bull zu beerben, sowie die Maßnahmen, wie man jungen Formel-1-Stars das "Rockstar-Virus" austreiben kann. Außerdem verrät er beim Treffen in seinem Büro an der Rennstrecke, dass mit dem künftigen Motorenpartner Renault im Grunde alles klar ist, und er räumt mit den Gerüchten auf, wonach sich die Falcon Private Bank Teamanteile gesichert haben soll.

Barcelona-Update funktioniert aus dem Stand gut

Frage: "Franz, für das erste Rennwochenende in Europa gab es wie bei den meisten Teams ein Update des STR8. Das schien ja ganz gut zu funktionieren."
Franz Tost: "Wir sind mit einem stark überarbeiteten Auto nach Barcelona gekommen. Wir haben eine neue Motorabdeckung, neue Seitenkästen, einen neuen Unterboden, einen neuen Diffusor, einen neuen Heckflügel und eine neue Auspuffanlage. Gott sei Dank funktioniert bisher alles ohne Probleme."

Frage: "Das ist überraschend? Schließlich funktionieren Updates in der Formel 1 heutzutage nicht immer vom ersten Tag an..."
Tost: "Dieses Jahr haben bis jetzt alle recht gut funktioniert. Wir hatten noch kein Upgrade, das wir wieder runterbauen mussten, weil wir uns nicht sicher gewesen wären, ob es überhaupt einen Wettbewerbsvorteil bringt. Aber wenn du so viel bringst, ist die Gefahr natürlich groß, dass etwas nicht funktioniert."

Frage: "Nehmen wir einfach mal an, dass das der Beginn eines Aufwärtstrends ist. Kann man sagen, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem James Keys Handschrift zum Tragen kommt? Für das neue Auto war das ja wahrscheinlich zu knapp..."
Tost: "Ja, das kann man eigentlich schon so untermauern, denn das sind die ersten entscheidenden Schritte und Zeichen, die von James ausgehen. Das würde ich so unterstreichen, ja."

Frage: "Wie viel Prozent James Key steckten Stand Melbourne im STR8?"
Tost: "80 Prozent, würde ich sagen. Er kam ja im September zu uns und hatte schon sehr viel Einfluss. Und alle Updates, die seit Melbourne passiert sind, gehen sowieso auf ihn. Dazu kommt noch: Gott sei Dank ist die Konstruktion des neuen Autos in eine Richtung gegangen, die James Key befürwortet hat. Das heißt, von der Design- und Konstruktionsphilosophie ging es nicht in eine völlig andere Richtung, sondern es war so, wie er das auch machen wollte. Die Richtung hat ihm gepasst."

Christian Nimmervoll und Franz Tost

Chefredakteur Christian Nimmervoll im Gespräch mit Teamchef Franz Tost Zoom

Frage: "Kommen wir zur sportlichen Zwischenbilanz beim Auftakt der Formel 1 in Europa. Nicht so erfreulich, nehme ich an?"
Tost: "Das sehe ich nicht so. Man muss immer auch die Konkurrenz betrachten. Wenn man die ersten vier Rennen betrachtet, haben wir in Malaysia einen Punkt geholt und in China mit Daniel Ricciardo einen siebten Platz herausgefahren, der erarbeitet wurde. Da sind nicht Siegfahrzeuge vor uns ausgeschieden, sondern er war auch schon im Qualifying Siebter. Diesen Platz hat er mit einer superguten Performance ins Ziel gebracht."

"In Bahrain ist einiges daneben gelaufen. Bei Daniel haben wir mit dem Setup einen Fehler gemacht - der Frontflügel war zu flach eingestellt, dadurch hatte er viel zu viel Untersteuern. Und Jean-Eric Vergne, der eigentlich den Speed gehabt hätte, hatte gleich in der ersten Runde eine Berührung mit Bottas. Der hat ihn umgedreht und dann ist noch van der Garde in ihn reingefahren. Dabei wurde der rechte hintere Teil des Unterbodens total zerstört, die Bremsbelüftungen gleich mit dazu. Dann überhitzten die hinteren rechten Bremsen und wir holten ihn rein."

Speed hat bisher bei allen Rennen gepasst

"Er war vom Speed zu langsam, weil der Unterboden kaputt war, und mit der Bremsüberhitzung war das Risiko zu groß, dass noch etwas passiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sonst einen Punkt geholt hätte, denn den Speed hatte er. Im Rennen waren wir bei allen drei Grands Prix - in Melbourne wie in Malaysia und in China sowieso - vom Speed her richtig gut dabei. Jean-Eric Vergne ist einmal die zweit- und einmal die viertschnellste Rundenzeit im Rennen gefahren. Ricciardo war auch gut dabei."

Frage: "Wobei es heutzutage schwierig ist, die schnellsten Rennrunden zu bewerten."
Tost: "Es kommt auf den Reifenwechsel an, ja, aber wenn man sich die Konstanz der Rundenzeiten anschaut, war er auch dabei. Ich sage mal: Wir waren in den ersten vier Rennen halbwegs planmäßig. Ich sage nicht, dass wir sehr gut dabei waren, sondern halbwegs planmäßig dabei."

Frage: "An der Stelle muss man vielleicht mal fragen: Was ist euer erklärtes Saisonziel?"
Tost: "Das Saisonziel wurde von mir mit Platz sechs in der Konstrukteurs-Meisterschaft ausgegeben. Momentan sind wir Siebter. Jetzt kommt es drauf an, wie wir die restliche Saison absolvieren. Der sechste Platz wird schwierig, weil Force India eine sehr, sehr gute Performance zeigt, aber in der Formel 1 ist sehr vieles möglich. Das müssen wir jetzt abwarten."

Frage: "Und ihr hofft vermutlich, dass jetzt der James-Key-Effekt voll greift, nicht wahr? Seine Geschichte ist ja beeindruckend: Er hat den starken 2012er-Sauber entwickelt, und wo das Team jetzt steht, ohne ihn, sieht man ja. Und davor hat er mitgeholfen, Force India nach vorne zu bringen."
Tost: "James Key ist ein sehr, sehr guter Techniker, der eine disziplinierte, ruhige und zielorientierte Arbeitsweise an den Tag legt, der die verschiedenen Abteilungen - Konstruktion, Aerodynamik, Fahrwerksdynamik - optimal in das Gesamtkonzept integriert."


Daniel Ricciardo im STR8

"Das nimmt natürlich Zeit in Anspruch, weil man natürlich auch entsprechende Leute reinholen muss. Wir sind da noch immer in einem Aufbauprozess, aber ich bin sehr optimistisch und positiv gestimmt, wie wir momentan unterwegs sind, und ich bin überzeugt davon, dass wir unsere Ziele erreichen werden."

Frage: "Wie habt ihr ihn - und wer - davon überzeugt, zu Toro Rosso zu kommen? Meines Wissens stand er zu dem Zeitpunkt zwei, drei Tage davor, bei McLaren zu unterschreiben, und er war auch mal bei Ferrari im Gespräch. Was bewegt einen jungen Mann, stattdessen zu Toro Rosso zu kommen?"
Tost: "Die Zukunft von Toro Rosso! Da muss er hellseherische Fähigkeiten haben (lacht; Anm. d. Red.)!"

Key könnte Neweys Erbe bei Red Bull werden

Frage: "Kann es auch ein Anreiz sein, irgendwann das Erbe von Adrian Newey bei Red Bull anzutreten, der vielleicht nicht mehr ewig Formel 1 machen wird?"
Tost: "Da spielen sicherlich mehrere Faktoren eine Rolle. Das, was du gerade angesprochen hast, mit Red Bull Racing, Red Bull Technology und überhaupt beim Konzern Red Bull zu arbeiten - Toro Rosso gehört ja zu Red Bull -, ist sicherlich eine Herausforderung und eine Absicherung, was die Zukunft betrifft."

"Red Bull Technology hat mit Red Bull Racing drei Doppelweltmeisterschaften hintereinander gewonnen. Das sind Perspektiven, die man sich als junger, aufstrebender, erfolgreicher Technischer Direktor nicht entgehen lässt und wo man sich dann auch Perspektiven erwartet. Das hat in seinen Überlegungen sicherlich eine Rolle gespielt."

Frage: "Du sprichst es an, er ist mit 41 Jahren verhältnismäßig jung für einen Technischen Direktor. Ist er trotzdem Führungspersönlichkeit genug, um eure Umstrukturierung - die ja glaube ich weitgehend abgeschlossen ist - zu führen?"
Tost: "Prinzipiell ist die Personalpolitik in der Formel 1 nie abgeschlossen. Die Formel 1 ist ein System, das sich immer bewegt, überall."

"Was das Personal betrifft, bin ich der Meinung, dass man nie sagen kann: 'Jetzt haben wir unsere Mannschaft, die steht für so und so viele Jahre.' Nein. Da gibt es erstens Leute, die wieder weggehen, aber man muss immer ein offenes Auge haben und schauen, wo man sich noch weiter verbessern kann. Weitere Leute reinbringen, da und dort etwas umstrukturieren. Von daher ist in der Formel 1 immer Bewegung drin, gerade was die Personalpolitik betrifft."


Fotos: Toro Rosso, Großer Preis von Spanien, Sonntag


"Was bei Toro Rosso in den letzten Jahren geschehen ist: 2009 gab es diese Reglementänderung und seit 2010 müssen wir unser eigenes Auto bauen. Die Infrastruktur eines Formel-1-Teams aufzubauen, das dann auch entsprechend gut funktionieren sollte, nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Wenn man unsere direkten Gegner sieht - ob das Sauber ist, Force India, Williams -, haben die alle sehr gut funktionierende Infrastrukturen. Unter Infrastruktur verstehe ich ja nicht nur ein paar Maschinen - das ist das Einfachste, Maschinen kannst du kaufen. Aber es ist vor allem das Personal."

"Da ist Faenza als Standort auch nicht gerade das Gelbe vom Ei, weil die Topingenieure nun einmal in England sind, wo sich die meisten Teams aufhalten. Die haben zumeist auch Familien, und wenn es darum geht, runter nach Faenza zu ziehen, ist immer die erste Frage: 'Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es dort?' Die sind zumeist irgendwo im Bereich Oxford oder London. Da kann Faenza mit Bologna nicht mithalten. Da gibt es also einige Hindernisse, aber nichtsdestotrotz haben wir ein paar gute Leute dazubekommen, und wir sind noch dabei, Leute zu verpflichten."

Key bringt derzeit alte Bekannte bei Toro Rosso ein

Frage: "Angeregt von James Key? Jeder hat ja so seine Leute, mit denen er am liebsten zusammenarbeitet..."
Tost: "Angeregt von James Key. Immer wenn ein neuer Technischer Direktor kommt, kennt er seine Leute. Die will er dann auch in verschiedenen Positionen haben, ganz klar. Da sind einige auf Anregung von James Key zu uns gekommen - und da kommen auch noch weitere zu uns. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, bis alles entsprechend optimiert ist."

Frage: "Was du ansprichst, dass es schwierig ist, Ingenieure aus Großbritannien zu verpflichten, finde ich interessant. Dazu zwei Fragen: Erstens, wie ist euer derzeitiger Personalstand, und zweitens, wie stark ist dieser italienisch dominiert?"
Tost: "Unser Headcount schwankt zwischen 300 und 330, 340 Leuten. Das kommt darauf an, wo wir gerade in der Produktion stehen. In den Monaten Dezember, Januar, Februar sind wir bei über 330 Leuten, weil wir da sogenannte Contractors haben, also Zeitarbeitsleute. Der Anteil der italienischen Mitarbeiter liegt bei circa 75 Prozent. 25 Prozent kommen aus irgendwelchen anderen Ländern."

Frage: "Ist meine Einschätzung richtig, dass ihr euer Personal stärker als andere direkt von der Universität abholt? Was ja auch dem Image als Juniorteam entsprechen würde..."
Tost: "Ja. Das gehört in unsere Personalpolitik, dass wir junge Leute von der Universität zu uns ins Team holen. Das beginnt meistens mit einem Berufspraktikum. Wenn dann Leute dabei sind, denen wir zutrauen, dass sie einen guten Job machen, von denen wir glauben, dass sie die richtige Einstellung haben, dann steht die Chance, dass sie bei uns eingestellt werden, sehr gut."

"Wir haben sehr viele junge Leute von der Uni, aber man darf natürlich nicht vergessen, dass du Erfahrung brauchst, um nach vorne zu kommen. Da liegt es daran, den richtigen Mix zu finden. Deshalb suchen wir auch immer wieder erfahrene Leute, die wir ergänzen können, denn nur mit jungen Leuten, nur mit Universitätsabgängern kommst du in der Formel 1 nicht weiter. Du musst den Leuten etwas vorgeben, und da spielt die Erfahrung natürlich eine immense Rolle."

Jean-Eric Vergne, Daniel Ricciardo

Die Junioren Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne schenken sich nichts Zoom

Frage: "Kommen wir zu den Fahrern. Wie bewertest du nach inzwischen rund eineinhalb Jahren die Performance von Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne?"
Tost: "Ich muss sagen, ich bin mit beiden Fahrern eigentlich sehr zufrieden, was die Performance betrifft. Man sieht bei beiden Fahrern einen ansteigenden Gradienten, sowohl bei Daniel als auch bei Jean-Eric Vergne."

"Man merkt natürlich bei Daniel, dass er davor schon mehr als eine halbe Saison - elf Rennen bei HRT - gefahren ist. Das zeigt sich vor allem im Qualifying und in den Rennen. Jean-Eric Vergne ist aber knapp dran und hat sich gegenüber dem letzten Jahr sehr gesteigert, vor allem auch was das technische Verständnis, das Feedback, die Fahrzeugabstimmung betrifft. Wenn sich beide so weiterentwickeln, sind wir mit beiden absolut gut unterwegs. Da bin ich sehr zufrieden."

Keine offensichtlichen Referenzpunkte für Ricciardo/Vergne

Frage: "Lass mich eine blauäugige Theorie aufstellen: Es ist schlecht, wenn beide extrem schnell sind, weil ihr keine Referenz habt, um sie einzuschätzen. Wenn keiner hervorsticht, weil beide extrem schnell sind, ist es schwierig für euch, sie zu bewerten, nicht wahr?"
Tost: "Man kann es nur im Vergleich zu anderen Fahrern bewerten. Da haben wir ja Aufzeichnungen, beziehungsweise kann man Rundenzeiten und Zwischenzeiten vergleichen. Man kann das Zweikampfverhalten im Rennen als Beurteilungsmaßstab anlegen. Von daher muss ich sagen, dass mir beide gefallen. Mir sind zwei sehr starke Fahrer lieber als ein sehr starker und ein schwacher. Wir sind in der glücklichen Lage, dass beide eigentlich eine gute Performance zeigen."

Frage: "Wie wahrscheinlich ist es angesichts der vielen Gerüchte um Mark Webber und Kimi Räikkönen, die du ja alle kennst, dass einer von deinen beiden Fahrern bald im A-Team von Red Bull fährt?"
Tost: "Ist für mich momentan schwierig zu beurteilen, denn das ist eine Entscheidung von Red Bull. Inwiefern a) Mark Webber am Ende der Saison aufhört, weiß ich nicht, b) kann ich die Gerüchte um Kimi Räikkönen nicht beurteilen und c) weiß ich nicht, ob sonst einer der beiden Toro-Rosso-Fahrer dafür in Frage käme, im nächsten Jahr bei Red Bull Racing zu fahren. Da muss man sicherlich noch einige Rennen warten, um sich diesbezüglich an eine Entscheidung zu wagen. Dann wird man sehen."

Frage: "Kristallisiert sich für eine längerfristige Perspektive einer deiner beiden Fahrer mehr heraus als der andere? Helmut Marko soll ja sehr angetan von Jean-Eric Vergne sein, hört man."
Tost: "Jean-Eric Vergne zeigt eine sehr gute Performance, wie ich schon gesagt habe, aber er muss noch Erfahrung sammeln. Wir dürfen eins nicht vergessen: Bei Red Bull Racing sprechen wir vom Weltmeisterteam - und zwar nicht einem Team, das irgendwann einmal Weltmeister war, sondern die haben dreimal hintereinander die Weltmeisterschaft gewonnen, sowohl die Teamwertung als auch den Fahrertitel. Das Anspruchsniveau ist dort natürlich extrem hoch."

"Darauf muss ein Fahrer vorbereitet werden, und das geht nicht von heute auf morgen. Ich erinnere nur daran, dass ein Sebastian Vettel auch einige Jahre gebraucht hat, um da hinzukommen, und er ist jetzt immerhin dreifacher Weltmeister. Die Formel 1 wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt von außen ein bisschen unterschätzt, habe ich das Gefühl. Es herrscht von a) den Fahrern und b) von den Teams ein enorm hohes fahrerisches und technisches Niveau vor. Man kommt nicht rein und sagt: 'So, jetzt fahren wir da vorne rein!'"

"Ich erinnere nur daran, dass ein Sebastian Vettel auch einige Jahre gebraucht hat, um da hinzukommen, und er ist jetzt immerhin dreifacher Weltmeister." Franz Tost

"Wenn man sich bei den anderen Teams die Neulinge anschaut, haben die auch ihre Probleme. Das dauert, bis die so weit sind - ob das nun ein Bottas ist oder ein Gutierrez. Das braucht Zeit und man muss den Fahrern die Zeit geben. Ich sage immer, um einen Fahrer zu beurteilen, braucht man mindestens zwei Saisons. Um ihn für ein Team wie Red Bull vorzubereiten, braucht man mindestens drei Saisons. Die muss er haben, damit er - wenn er wirklich super talentiert ist - dort reinkommt und auch gleich dieses Niveau, das man dort verlangt, zeigen kann."

Frage: "Wenn ich das jetzt für bare Münze nehme, müssten Ricciardo und Vergne theoretisch ein weiteres Jahr bekommen. Ist das der Plan?"
Tost: "Das ist meine gegenwärtige Einschätzung, prinzipiell. Nicht nur auf unsere beiden Fahrer bezogen, sondern prinzipiell. Ich habe schon vor Jahren gesagt: Bis einer die Formel 1 richtig versteht, braucht er mindestens drei Jahre. Wenn ich das zu den Fahrern sage, die zu uns kommen, dann merke ich immer, wie sie mich ungläubig anschauen: 'Drei Jahre. Was will der denn, das kann ich doch alles schon!'"

Dreijahresplan für jeden Formel-1-Rookie

"Das erste Jahr ist nur einmal dazu da, diese ganze Formel 1 etwas kennenzulernen. Das Fahren ist noch etwas vom Leichtesten. Man muss sich einmal vorstellen: Die jungen Leute kommen aus der GP2 oder der Renault-World-Series in die Formel 1 rein. Das ganze personelle Umfeld ist ein ganz anderes. Du hast einen Fahrwerksingenieur, du hast einen Dateningenieur, du hast einen Motoringenieur. Dann hast du noch einen Chefingenieur, einen Strategieingenieur."

"Dann sitzt du im Auto und musst dich mit der Fahrwerksabstimmung, der mechanischen Abstimmung, der aerodynamischen Abstimmung beschäftigen. Dann hast du noch den Reifensektor mit dem richtigen Reifendruck, Wetterverhältnisse mit Wind und so weiter. Im Qualifying sollst du wissen: 'Wann bremse ich und wie kann ich die Curbs in Kurve X überfahren, nicht zu viel, nicht zu wenig. Wie ist die Sonneneinstrahlung, wie ist die Asphalttemperatur?' Das kannst du nicht alles auf einmal wissen, und das geht dann Step by Step."

"Im ersten Jahr sind die Fahrer dabei, um das direkte technische Umfeld der Formel 1 mit dem Auto kennenzulernen. Dann kommen im zweiten Jahr das ganze Marketing und die Pressearbeit mit öffentlichen Auftritten dazu, dass das richtig verpackt wird. Der Fahrer darf bei diesen Auftritten - und das ist das Entscheidende - nicht zu viel mentale Energie verlieren. Nicht dass er am Sonntag ins Auto einsteigt und total müde ist."

"Deshalb sage ich immer: Ab Donnerstag möchte ich, dass die Fahrer diesbezüglich möglichst geschont werden. Vorher - Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, gerade bei den Überseerennen - ist es egal, da können sie möglichst viele Auftritte für Marketing und Presse machen, auch damit die Zeit vergeht. Aber ab Donnerstag muss man die Fahrer schonen, sonst ist er am Sonntag, wenn er um 14:00 Uhr zum Rennen antritt, mental müde."

"Deshalb sage ich immer: Ab Donnerstag möchte ich, dass die Fahrer möglichst geschont werden." Franz Tost

"Wir versuchen das zu steuern, aber bis ein Fahrer das alles intus hat, wie er sich zu verhalten hat, auch bei den Überseerennen mit Jetlag, wie er sich darauf vorbereitet, mit der Ernährung, mit allem Drum und Dran, da vergehen einfach drei Jahre, bis er einsteigt und weiß: 'Ich fliege jetzt nach Melbourne, also muss ich darauf achten und da aufpassen.' Und dass er dann seine optimale Leistung bringt, das meine ich damit."

Frage: "Was du sagst, finde ich sehr spannend. Das Schwierige mit jungen Fahrern ist ja: Sie kommen in die Formel 1, jeder will was von ihnen - und plötzlich fühlen sie sich wie Rockstars."
Tost: "Ja. Wie die Kings. Und davor musst du sie schützen."

Zu viele PR-Termine machen junge Fahrer mental müde

Frage: "Aber wie machst du das, wie holst du so einen Fahrer zurück? Du kannst ja nicht das vorhandene Interesse an seiner Person drosseln."
Tost: "Doch, indem du mit dem Fahrer sprichst, indem du mit ihm einen genauen Plan durchgehst. Indem du ihm sagst: 'Schau, ab Donnerstag darfst du nur noch das und das machen, denn wenn du das auch noch machst, bist du am Sonntag tot, oder müde.'"

"Ich sage: 'Freut euch, wenn ihr ein paar Autogramme unterschreiben dürft, du darfst dich aber mental nicht damit beschäftigen, sondern du darfst das über dich ergehen lassen, aber du sollst dabei keine mentale Energie verlieren.' Da ist jeder Fahrer unterschiedlich. Manche Fahrer berührt das mehr, andere Fahrer berührt es weniger. Das ist die Aufgabe des Teams, das herauszufinden und sie davor zu schützen. Es gibt Fahrer, da brauchst du auf das nicht zu achten, denn denen ist das völlig egal."

Frage: "Daniel Ricciardo ist da völlig ungefährdet, oder täuscht dieser Eindruck nach außen?"
Tost: "Er ist eher ungefährdet, auch Jean-Eric Vergne. Beide sind, was Marketing und Pressearbeit betrifft, ziemlich ungefährdet. Weil es beide recht gerne machen, also verlieren sie dabei weniger Energie, gehen da hin, machen alles, lächeln ein bisschen, passt. Aber es gibt andere Fahrer, für die ist das entweder eine Qual - oder sie machen es so gerne, dass du sie auch wieder zurückholen musst, weil das auch negativ ist. Das ist aber spezifisch, individuell unterschiedlich, nicht bei jedem Fahrer gleich. Da kann ich kein allgemein gültiges Rezept auf den Tisch legen."

"Auch Trainingspläne und Ernähungsweisen sind individuell verschieden und sind nicht bei jedem Fahrer gleich. Du kannst nicht sagen: 'Der soll das Training X machen, weil ich weiß, dass das gut ist.' Das ist völlig falsch. Es hängt mit der Muskelfaserstruktur zusammen. Einer darf Krafttraining mit höheren Gewichten machen, weil sein Muskelquerschnitt nicht zunimmt - das wäre ja schlecht für das Gewicht. Ein anderer muss mit weniger Hantelgewicht arbeiten, dafür mehr Wiederholungen machen. Und so weiter. Das ist sehr komplex."

James Key

James Key wird bei Red Bull als möglicher Nachfolger von Adrian Newey gehandelt Zoom

Frage: "Wir kommen zu eurer Teilhaberstruktur, über die es immer wieder Gerüchte gibt. Ist Red Bull nach wie vor 100-Prozent-Eigentümer von Toro Rosso?"
Tost: "Ja."

Frage: "Es heißt, wo Rauch ist, da ist auch Feuer. Woher kommen diese ganzen Gerüchte, dass die Falcon Private Bank beteiligt ist?"
Tost: "Das ist ein Sponsor von uns. Weiß ich nicht. Seit ich bei Toro Rosso bin, gibt es Kaufinteressenten. Immer, wenn ich zu Dietrich Mateschitz komme, sagt er: 'Ich weiß von nichts.' Ich weiß nicht warum. Jeder möchte irgendwelche Anteile von Toro Rosso haben. Wir haben aber gute Sponsoren, das passt alles, und Red Bull ist der Besitzer des Teams."

Derzeit keine Verkaufspläne für Toro Rosso

Frage: "Und das soll auch vorläufig so bleiben? Es wird nicht aktiv nach Käufern gesucht, oder doch?"
Tost: "Meines Wissens nicht, aber das ist eine Entscheidung von Red Bull, von Mateschitz. Ich kann nur hoffen, dass es mit Red Bull so weitergeht."

Frage: "In Bahrain habe ich dich mit Gerhard Berger gesehen. Bekommt er wieder Lust auf ein Engagement?"
Tost: "Gerhard kommt jedes Jahr nach Bahrain. Er hat zu mir diesbezüglich nichts gesagt, dass er Gelüste hätte, Anteile zu kaufen. Wenn man jetzt die 2014er-Saison mit den ganzen technischen Neuerungen sieht, wird es wenige geben, die gerade zum jetzigen Zeitpunkt in der Formel 1 Anteile kaufen wollen, denn jetzt wird es richtig teuer. Nein, Gerhard ist ein alter Freund von mir und vom Team. Ich freue mich immer, wenn er vorbeikommt und uns besucht. Wir unterhalten uns über alles, aber mir ist nichts bekannt, dass Gerhard irgendwelche Anteile zurückhaben will."

Frage: "Du sprichst 2014 an. Ihr habt auch in den Medien schon recht offensiv besprochen, dass ihr mit Renault verhandelt. Was ist aktueller Stand?"
Tost: "Wir verhandeln nach wie vor mit Renault. Es ist noch kein Vertrag unterzeichnet, aber ich gehe schon davon aus, dass wir 2014 mit Renault-Motoren fahren werden."

Frage: "Was sind die Kriterien, nach denen ihr bewertet, ob ihr Renault oder Ferrari wollt? Ich nehme an, das sind die zwei Alternativen?"
Tost: "Ja, es sind Renault und Ferrari. Wir streben schon seit längerem an, denselben Antriebsstrang wie Red Bull zu haben, damit wir ein paar Synergien nutzen können - das Getriebe zum Beispiel. Ein Getriebe ist kein leistungsunterscheidendes Merkmal mehr, also macht es keinen Sinn, dass wir ein Getriebe designen und Red Bull auch. Wir haben immer gesagt, wenn ein Motorwechsel bevorsteht, dass dann beide Teams denselben Antriebsstrang fahren sollten, aus Synergiegründen."

"Wir streben schon seit längerem an, denselben Antriebsstrang wie Red Bull zu haben." Franz Tost

Frage: "Bis wann rechnest du mit einer definitiven Entscheidung?"
Tost: "Ich schätze, Ende Mai, Juni muss das entschieden sein. Relativ bald."

Frage: "Nächster Themenwechsel, diesmal in die Sportpolitik. In Bahrain wurde viel über die politische Lage gesprochen, aber wenn man Nachrichtenmagazine liest, ist eigentlich Südkorea der Grand Prix, der viel offensichtlicher gefährdet sein müsste, wegen der politischen Situation in Nordkorea."
Tost: "Erstens einmal Bahrain: Jedes Jahr gibt es Diskussionen, wieso wir den Grand Prix in Bahrain fahren, und jedes Jahr merke ich - so habe zumindest ich es empfunden - keinen Unterschied zu sonst. Ich sehe keine brennenden Autos."

Tost: Formel 1 macht Sport, aber keine Politik

Frage: "Wenn man in die Dörfer rausfährt, ist es ein bisschen anders."
Tost: "Das habe ich nicht gesehen, und ich kann nur von dem ausgehen, was ich sehe. Wir hatten jedes Jahr ein super Rennen. Prinzipiell muss ich sagen: Die Formel 1 ist Entertainment. Die politische Situation eines Landes ist eine Angelegenheit, die die Politiker vor Ort klären sollen."

"Auf der einen Seite ist es super, dass die Formel 1 so populär ist, dass man sie natürlich auch für politische Motive missbrauchen kann, auf der anderen Seite dürfen wir das aber nicht zulassen und gar nicht erst diskutieren. Wir sollen da fahren, wo man uns die Möglichkeit gibt, wo man sich die Formel 1 leisten kann und wo man uns wünscht. Das ist in Bahrain alles der Fall. Die Politik sollen die Leute vor Ort klären. Die Formel 1 ist für Entertainment da - wir sind der Sport."

"So, kommen wir zu Nordkorea. Vor zwei, drei Wochen gab es richtig intensive Äußerungen des nordkoreanischen Herrschers, aber jetzt hat sich alles beruhigt. Ich persönlich glaube, dass sich dort gar nichts tut, denn so blind kann der in Nordkorea gar nicht sein. Er weiß, dass Südkorea von den Amerikanern unterstützt wird und dass Nordkorea so schnell zerstört wäre, so schnell kann der gar nicht schauen."

"Was uns betrifft: Ich freue mich auf den Grand Prix von Südkorea. Wir fliegen da runter, fahren unser Rennen, weil dort überhaupt nichts passieren wird. Südkorea war schon vor drei, vier Jahren ein Thema, als vor allem die englischen Journalisten sich negativ geäußert haben: 'Nach Südkorea, was soll man da unten machen?' Mir gefällt erstens einmal die Rennstrecke, die ist sehr schön. Das Umfeld dort ist auch schön, mit dem Meer und den kleinen Inseln. Mir gefällt es dort. Wir hatten bis jetzt immer sehr interessante Rennen dort. Ich fahre lieber nach Südkorea als nach Silverstone."

"Ich fahre lieber nach Südkorea als nach Silverstone." Franz Tost

Frage: "Wirklich?"
Tost: "Ja. Dort gefällt es mir besser, und die Strecke gefällt mir auch besser. Und darf ich noch etwas sagen? Wenn sich die Formel 1 politisch missbrauchen lässt, dürfen wir irgendwann nirgends mehr fahren. Dann dürfen wir in China nicht mehr fahren, in Russland sowieso nicht..."

Frage: "Theoretisch in den USA nicht."
Tost: "Nicht in den USA, nirgends mehr. Vielleicht noch ein paar Rennen in Europa, nur: In Europa gibt es kein Geld mehr. Wir müssen froh sein, dass Bernie so einen super Job macht, dass er Länder und Rennstrecken findet, die die Formel 1 wollen, die sich die Formel 1 leisten können. Dann soll man dort hinfahren, eine super Show liefern und sich freuen, dass es diese Möglichkeit gibt."