powered by Motorsport.com
  • 08.05.2015 18:14

  • von Gary Anderson (Haymarket)

Frag Gary Anderson: Warum McLaren so zurückhängt

Der ehemalige Formel-1-Designer Gary Anderson beantwortet Fanfragen und erklärt unter anderem, warum McLaren bisher solche Probleme hat

(Motorsport-Total.com) - Warum fährt McLaren so weit hinten? Kann Ferrari den Rückstand auf Mercedes aufholen? Und wie schnell könnte die Formel 1 ohne Einschränkungen durch das Reglement fahren? Diese Fragen beschäftigen die Fans vor dem Grand Prix von Spanien, und Ex-Technikchef Gary Anderson steht Rede und Antwort. Der frühere Jordan-Designer erklärt außerdem, was das erste Formel-1-Auto von Michael Schumacher ausgezeichnet hat und warum die Arbeit in der Formel 1 heute kein Vergnügen mehr ist.

Titel-Bild zur News: Gary Anderson

Gary Anderson liefert Einblicke hinter die Kulissen der Formel 1 Zoom

Sumedh Chhabria (Twitter): "Glaubst du, dass McLaren nun gegen Toro Rosso kämpfen kann, nachdem Honda eine neue Ausbaustufe des Motors und auch McLaren ein Update-Paket bringt?"
Gary Anderson: "Wenn du dir die Fabriken von McLaren oder Honda anschauen und mit denen von Toro Rosso vergleichen würdest, wärest du sprachlos. McLaren sollte nicht einmal darüber nachdenken müssen, wie sie Toro Rosso einholen können. Ich würde gerne wissen, welche Probleme es wirklich gibt."

"Es ist einfach, Honda die Schuld zu geben, aber ich glaube nicht, dass das Auto von McLaren so gut ist, wie jeder glaubt. Das ist ein schönes Konzept mit netten Einzelteilen, aber all das muss zusammen funktionieren. Die Kühlung scheint nicht gut genug zu sein, um Honda genügend Spielraum zu bieten. Im ersten Jahr mit einer solch komplizierten Antriebseinheit muss man das Limit finden und von dort arbeiten. Ich glaube nicht, dass das McLaren-Paket Honda genau das ermöglicht."

"Was die neue Lackierung betrifft: Ich hatte in der Formel 3 einmal einen Fahrer, der geglaubt hat, ein weißes Auto sei schneller als ein schwarzes, weil es früher von der Zeitmessung erfasst wird. Ich haben ihm zigmal erklärt, dass die Zeitnahme am Anfang und am Ende seiner Runde ausgelöst wird, aber er hat sein Auto trotzdem weiß lackiert. Und nun rate mal? Er war schneller! Vielleicht ist das eine Antwort auf die Frage, wie ein Fahrer das Limit findet."

Regeln sind notwendig

Gareth Richards (Twitter): "Wenn es keine Regeln gäbe: Was wäre in der Formel 1 möglich, wie viel mehr könnte man aus den Autos herausholen?"
Anderson:: "Diese Frage ist wirklich schwierig zu beantworten. Wäre die Leistung der Motoren nicht begrenzt, wäre das verrückt. Beim Abtrieb könnten die Autos locker das vierfache des jetzigen Werts erreichen - wenn nicht noch mehr."

"Regeln sind notwendig, um die Leistung des Autos zu kontrollieren, sei es in der Spitze oder bei den Kurvengeschwindigkeiten. Wenn man das freigeben würde, könnte man aus Sicherheitsgründen auf keiner einzigen Rennstrecke mehr fahren. Regeln sind aber nicht nur aus diesem Grund notwendig. Mit ihnen zu arbeiten, ist auch eine Herausforderung. Was wir heutzutage haben, ist aber völlig falsch, weil zu restriktiv. Aber das ist eine Frage für ein anderes Mal."

Scot Reid (Twitter): "Glaubst du, dass Ferrari in Barcelona vom reinen Tempo mithalten kann?"
Anderson:: "Nein, das glaube ich nicht. In Barcelona bringen alle ihr erstes großes Upgrade. Wir dürfen nicht vergessen, dass Ferrari vor dieser kurzen Pause 0,8 Sekunden langsamer als Mercedes war. Das ist in der Formel 1 eine Welt. Wenn bei Mercedes an diesem Wochenende alles richtig funktioniert, kann sich Ferrari glücklich schätzen, wenn sie diese Lücke überhaupt verringern können. Gegen Mitte der Saison erwarte ich aber, dass Ferrari Mercedes auf die Pelle rückt. Ob das früh genug ist, um ihnen in der Weltmeisterschaft ernsthaft gefährlich zu werden, steht auf einem anderen Blatt."

Die guten alten Zeiten...

@mindmapdesign (Twitter): "Wie gelingt es Fahrern, ihre Teamkollegen zu bezwingen, wenn es auf eine so bekannte Strecke wie Barcelona geht?"
Anderson:: "Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage, Nico Rosberg würde wahrscheinlich eine Menge Geld für die Antwort zahlen! Es ist vor allem Kopfsache. Wenn der Wintertest in Barcelona gut war, kannst du darauf aufbauen. Von schlechten Tagen darfst du dich nicht runterziehen lassen. Wenn etwas schiefgelaufen ist, musst du den Kopf frei bekommen. Genau das können die besten Fahrer."

Jack Brabham

Gary Anderson begann seine Formel-1-Karriere im Team von Jack Brabham Zoom

"Barcelona ist eine Fahrerstrecke mit einigen sehr schnellen Kurven. Beim Test wird sich dort jeder Fahrer noch etwas zurückgehalten haben und dieses letzte bisschen erst am Rennwochenende auspacken. Man muss jedoch aufpassen. Du kannst hier mit der gleichen Abstimmung wie bei den Wintertests fahren, aber das Handling kann aufgrund der unterschiedlichen Streckentemperatur völlig anders sein. Es ist wichtig, das als ein ganz normales Rennwochenende anzusehen. Wer auch immer es am besten macht, wird vorne landen."

Michael Davies (E-Mail): "Glaubst du, du könntest noch einmal auf dem gleichen Weg in den Motorsport kommen, wenn du 40 Jahre jünger wärest?"
Anderson:: "Willst du damit sagen, dass ich alt bin?! Um deine Frage zu beantworten: Ich habe meine Zweifel. Als ich in diesem Sport angefangen habe, waren wir bei Brabham acht Leute und jeder hat alles gemacht. Das war für mich als junger Mann eine tolles Leben, aber heute bist du nur noch ein kleines Rad in einem großen Getriebe, das sich unaufhörlich dreht."


Fotos: Großer Preis von Spanien, Freitag


"Ich glaube, ich habe die besten Jahre der Formel 1 miterlebt. Von den frühen 1970er-Jahren bis in die frühen 2000er-Jahre Teil des Ganzen zu sein und anschließend zwölf Jahre für die Medien zu arbeiten, war großartig. Vor allem die Medien haben sich in dieser Zeit sehr stark verändern. Du kannst heute mit jemandem reden, den du gut kennst und der für ein Team arbeitet, und selbst da kommt nur heiße Luft raus. So weit ist es gekommen. Für die Jungs, die heutzutage dabei sind, ist es kein Vergnügen mehr. Um es kurz zu machen: Damals war es mein Leben, heute wäre es nur noch ein Job."

Viel Abtrieb hilft nicht immer viel

David Woolfenden (Twitter): "War der Jordan 191 aerodynamisch so gut, wie er aussah?"
Anderson:: "Er hat zwar nicht so viel Abtrieb erzeugt wie einige seiner Mitbewerber, aber dieser Abtrieb war sehr fahrerfreundlich. Er war außerdem recht effizient, weshalb die Geschwindigkeit auf der Geraden nicht so schlecht war."

Michael Schumacher, Joradn, 1991

Elegant und effizient: Der Jordan 191 von Michael Schumacher Zoom

"Alle suchen ständig nach hohen Abtriebswerten, aber in Wirklichkeit ist ein spitzer Abtrieb verschenkte Zeit, denn für den Fahrer stellt sich das in einem nervösen Auto dar. Nachdem er das ein paar Mal zu spüren bekommen hat, wird er nicht mehr ans Limit gehen und langsamer fahren, als wenn er ein Auto mit einer stabilen Aerodynamik fahren würde, zu dem er Vertrauen entwickelt."

"Es ärgert mich, wenn ich lese, dass McLarens neuer Aerodynamik-Chef (Peter Prodromou; Anm. d. Red.) festgestellt hat, dass sich das Team in den vergangenen Jahren zu sehr auf diesen Spitzen-Abtrieb konzentriert hat und er nun den Ansatz verändert hat. Wie kann ein Team diesen Ranges nicht erkennen, dass das ein Problem ist? Mussten sie erst jemanden von Red Bull holen, um diese Lektion zu lernen?"

Mark Lovas (Twitter): "Glaubst du, dass freizügige Motoren- und Technikregeln (wie in der LMP1) Privatteams aus der Formel 1 vertreiben würden?"
Anderson:: "Die Regeln in der LMP1 sind alles andere als freizügig. Im Gegenteil, sie sind vielleicht noch enger gefasst als in der Formel 1. Der Unterschied besteht darin, was erlaubt ist. Ich denke die Frage beantwortet sich beim Blick auf die annehmbareren Regeln für Privatteams in der LMP2 von selbst."

"Man kann die Regeln verschiedener Formeln nicht miteinander vergleichen. Die Formel 1 sollte sich in vielen Bereichen verändern, und jeder hat eine Vorstellung davon, in welche Richtung. Wichtig ist aber, dass sie alleine an der Spitze des Motorsports steht. Leider stecken aber die Leute, die etwas daran ändern können, ihre Köpfe in den Sand. Wenn sich das nicht bald ändert, steht die Zukunft in Frage."