• 25.10.2015 11:08

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Formel-1-Technik 2015: Teams in den USA mit Überraschungen

Wie der "Outswept-Wing" in der Formel 1 Einzug hält und warum sich die Autos nach zwei Jahren unter dem neuen Reglement immer ähnlicher werden

(Motorsport-Total.com) - Die Action auf der Strecke fiel beim Grand Prix der USA in Austin teilweise dem Wetter zum Opfer, aber die Formel-1-Teams haben eine überraschend große Menge an neuen Teilen nach Austin an den Circuit of The Americas gebracht. Alle neuen Teile, die im ersten Freien Training am Freitag an den Fahrzeugen zu sehen waren, zeigen, dass die Teams sich langsam ähnlichen Aerodynamik-Konzepten annähern, statt eigene Innovation an den Start zu bringen.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Frontflügel

Die Frontflügel stehen in der Formel 1 2015 im Zentrum der Entwicklung Zoom

Es ist noch nicht einmal das Ende des zweiten Jahres der derzeitigen Regularien, doch es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen den Autos. Dieses Wochenende stand der Frontflügel im Fokus, und sämtliche Teams, die noch ein Entwicklungsbudget zur Verfügung haben, sind mit ähnlichen Konzepten aufgekreuzt. Dieses ist bekannt als "Outswept-Wing", einem von oben betrachtet pfeilförmig zulaufendem Flügel.

Als der Frontflügel vergangenes Jahr schmaler wurde, versuchten die meisten Teams zunächst, mit dem Flügelprofil so viel Fläche wie möglich zu schaffen, und nutzten die Endplatten dafür, die Luft um die Außenseite der Reifen herumzuleiten. Jetzt verwenden die Teams geradere Endplatten, krümmen aber den Flügel - von einer schmaleren Innenkante zu einer breiteren Außenkante.

Ferrari

Es gab eine Fülle von neuen Teilen am SF-15T, vom Motor bis zur Aerodynamik. An beiden Fahrzeugen wurden frische Motoren verbaut, obgleich sie nur über kleinere Zuverlässigkeits-Updates verfügen, für die keine Token eingesetzt werden mussten. Das widerspricht Erwartungen, dass dieses Wochenende eine Entwicklungs-Antriebseinheit für 2016 zum Einsatz kommen könnte.

Auf aerodynamischer Seite bekam das Auto von vorne bis hinten Updates. Ferrari montierte einen komplett neuen Frontflügel, der vom Prinzip her ähnlich dem Outswept-Wing ist, der zuvor am Auto war, aber mit einer etwas anderen Form. Die Hauptveränderungen sind zwei Flaps, die an ihren inneren Enden über keinerlei Verbindungsstück mehr verfügen, und eine neue Planke, die auf der Innenseite der Endplatte hinzugefügt wurde.

Wesentlich gravierender war eine Veränderung der Philosophie bei den Turning-Vanes (den Luftleitblechen unterhalb des Chassis auf Höhe der Vorderradaufhängung; Anm. d. Red.) bei Ferrari. Zuvor wurden einfache, hängende Turning-Vanes benutzt, jetzt ahmen die Karosserieteile unter der Aufhängung Mercedes nach. Das Auto verfügt nun über größere Leitbleche, die beide mit einem "Fußabtreter" versehen sind, der die Bleche nach unten hin abschließt.

Dahinter befindet sich ein "Fledermaus-Flügel" im Mercedes-Stil. Mercedes hat diesen vergangenes Jahr eingeführt und er wurde bis heute nicht kopiert. Das Flügelchen weist nach unten, generiert also selbst keinen Abtrieb, sondern fungiert als Mittel zur Kontrolle des Luftstroms, indem es die Wirbel, die vom Frontflügel kommen, glättet, und den Luftstrom um die Flanken der Seitenkästen herum dirigiert.

Am Heck wurde die einzigartige wingletartige Auslegung des oberen Endes des Diffusors einer Revision unterzogen. Die vorige Version verfügte über ein Flügelprofil mit zwei Elementen, die an der oberen Ecke des Diffusors angebracht waren. Jetzt ist das Winglet mit dem Flap, der über die gesamte Oberseite des Diffusors verläuft, verschmolzen, und formt somit ein vierfaches, übereinandergestapeltes Flügelprofil.

Red Bull

Nachdem Red Bull sich dazu entschieden hat, die verbesserte Antriebseinheit von Renault nicht zum Einsatz zu bringen, fährt das Team weiterhin mit derselben Spezifikation, die es seit dem Saisonauftakt in Australien verwendet - von ein paar Zuverlässigkeits-Updates, die über das Jahr hinzukamen, einmal abgesehen.

Wie fast jedes andere Team hat auch Red Bull einen neuen Frontflügel gebracht und folgt Mercedes' Vorgabe mit dem Outswept-Design. Das ist für das Team ein großer Wechsel bei der Philosophie: Bislang folgte es nicht gerne den Trends, die andere Teams setzten. Einzigartig beim Austin-Flügel ist der Justierer für die Flaps. Nach Problemen mit der Steifigkeit des alten Justierers in Abu Dhabi vergangenes Jahr hatten die 2015er-Frontflügel bislang eine deutlich simplere Vorrichtung über dem Flügel.

Jetzt thront der Justierer in einem tränenförmigen Gehäuse hoch über dem Flügel und seine Aufhängung gleicht einem Dreibeinstativ. Zwei dünne Beine verbinden ihn in verstärkender Funktion mit dem Flügel, während das dritte Bein den Gewinde-Justierer selbst darstellt, der mit dem verstellbaren Teil des Flügels verbunden ist. Dieses störanfällige Design steif genug zu bekommen, um den FIA-Verwindungstest zu überstehen, muss eine echte Herausforderung für die Designer gewesen sein.

Wie schon beim Frontflügel Inspiration bei anderen Teams gesucht wurde, hat das Auto auch zwei Finnen an der hinteren Crashstruktur bekommen - ein weiteres Design, das von Mercedes eingeführt und zunächst von Ferrari übernommen worden ist.

McLaren

Der überarbeitete Verbrennungsmotor von Honda mitsamt seines neuen Auspuffs, der beim Grand Prix von Russland im ersten Freien Training das erste Mal ausprobiert wurde, kam in Austin wieder an Alonsos Auto zum Einsatz. Zuvor folgten die Auspuffrohe dem Prinzip von Mercedes aus 2014: Die Auslassventile führten in ein sehr kurzes Primärrohr, das dann in einem sehr viel längeren Sekundärrohr aufging, das direkt in das Turbogehäuse führte. Jetzt folgen sie einem wesentlich konventionelleren Prinzip: Drei deutlich längere Primärrohre treffen sich an einem "Aus-drei-mach-eins-Kollektor", bevor ein kurzes Rohr in den Turbo führt.

Mit dieser Änderung einher geht eine andere Klangnote. Der Honda klang bislang schon im Teillastbereich immer sehr rau und laut, was Teil der Anti-Lag-Strategie (Strategie zur Überbrückung des Turbolochs; Anm. d. Red.) war. Man sagt, dass diese Herangehensweise, bei der einzelne Zylinder bewusst Fehlzündungen produzieren, den Motor Leistung gekostet und gleichzeitig die Möglichkeit genommen haben, Energie vom Turbo zurückzugewinnen. Jetzt klingt der Motor deutlich weniger aggressiv, aber noch immer kann man ihn im Feld gut heraushören.

McLaren hat ebenfalls einen Outswept-Frontflügel eingeführt. Das Konzept folgt dem alten, kaskadenförmigen Arrangement, aber die Endplatte wurde überarbeitet, um der geringeren Breite gerecht zu werden. Vor den Hinterreifen hat der MP4-30 Ferraris Konzept des genuteten Unterbodens übernommen, aber ist noch weiter gegangen. Während der Ferrari mit acht Nuten am Rand und ein paar L-förmigen Nuten aufwartet, hat McLaren seine Komposition von vier L-Nuten aufgegeben und gleich elf Rand-Nuten hinzugefügt, während zwei L-Nuten direkt vor dem Hinterreifen übrig geblieben sind.

Diese Nuten leiten einen Luftstrahl unter den Unterboden an die innere Flanke des Hinterreifens. Das gleicht die vom Hinterreifen kommenden Verwirbelungen aus, die sonst den Luftfluss in den Diffusor stören und damit Anpressdruck rauben würden. Kleinere Veränderungen wurden an den hinteren Bremsbelüftungen und der Position des Auspuffs vorgenommen. Was aber wesentlich wichtiger ist, ist die Tatsache, dass das Auto deutlich extremer angestellt ist, fast wie bei Red Bull. Die Bodenfreiheit ist hinten wesentlich höher und vorne deutlich niedriger.

Dieses Setup generiert mehr Anpressdruck, sobald die Probleme mit der Bodenfreiheit des Splitters und dem Abdichten des Diffusors gelöst sind. Der Frontflügel und der Splitter können beim Herablassen bei den Boxenstopps auf dem Boden aufschlagen und dabei beschädigt werden, sodass McLaren extra Falltests durchführte und Kameras auf das Auto richtete, um zu überprüfen, ob es Probleme mit dem Bodenabstand gibt.

Mercedes

Der F1 W06 Hybrid hat nach den Problemen mit Rosbergs Auto beim Grand Prix von Russland einen neuen Gaspedaldämpfer erhalten, aber es gibt keine sichtbaren Updates am Fahrzeug für das Rennen in Austin. Allerdings fuhr das Team einen Test für den Grand Prix von Mexiko, indem im ersten Freien Training es ein überarbeitetes Kühlsystem an Rosbergs Auto montierte. Da Mexiko-Stadt sehr hoch liegt, ist die Luft dünner, was sowohl die Leistung des Motors als auch die Effektivität des Kühlsystems untergräbt.

Um dieser Situation Herr zu werden, hat Mercedes einen neuen Schacht oberhalb des Motors angebracht. Das Paket besteht aus drei Teilen: der Abdeckung, dem Schacht und einem Behelfskühler. Der Schacht beginnt am Überrollbügel mit zwei seitlichen Eingängen und führt zum Heck des Fahrzeugs, wo ein kleiner Kühler hinter dem bereits vorhandenen ERS-Kühler angebracht ist. Es ist unklar, was genau diese Vorrichtung kühlt. Die Rohre führen runter zum Getriebe, sodass es entweder ein Ölkühler für das Getriebe oder ein zusätzlicher Kühler für das ERS sein muss.

Williams

Während es möglicherweise nicht wahrnehmbare Veränderungen an der hinteren Karosserie und den Hitzeblechen gegeben hat, ist der große visuelle Unterschied der neue Fronflügel am FW37. Wieder besteht die Hauptveränderung in der äußeren Sektion des Flügels und in der Endplatte, mit denen das Outswept-Aerokonzept, das das Team zu Mitte der Saison adaptiert hat, weiter vorangetrieben wird.

Toro Rosso

Wieder waren zusätzliche Luftöffnungen um den Überrollbügel herum zu beobachten, wie man sie zum ersten Mal in Russland sehen konnte. Diese führen zu einem Kühler, der auf dem Getriebe sitzt.

Wie bei Mercedes ist dies höchstwahrscheinlich eine Entwicklung für Mexiko, um die Kühlung zu maximieren und Verluste aus der Airbox zu reduzieren.

Force India

Das Team brachte seine dritte Frontflügel-Version nach Amerika, nachdem es sein Aero-Programm im Toyota-Windkanal in Köln mit einem 50-Prozent-Modell vorangetrieben hat. Force India hatte alle drei 2015er-Spezifikationen an der Strecke, was ungewöhnlich ist. Der neue Frontflügel ist eine Weiterentwicklung des Designs der "B-Version" des VJM08 aus Silverstone, aber mit überarbeiteten Endplatten.

Das Interessante ist, dass die Unterseite der Endplatte leicht abgeschrägt ist. Das ist eine Idee von Red Bull, deren Herangehensweise mit einer stark abgesenkten Nase erfordert, dass die untere Schnittkante der Endplatte angehoben wird, um zu verhindern, dass sie dem Boden zu nahe kommt. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Force India ebenfalls eine stärkere Anstellung des jetzigen Autos anstrebt.