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  • 29.02.2008 15:48

  • von Nimmervoll/Wittemeier

Formel-1-Countdown 2008: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld geht als deutsche Nummer eins und mit dem erklärten Ziel des ersten Grand-Prix-Sieges in die bevorstehende Saison

(Motorsport-Total.com) - Am 16. März beginnt mit dem Grand Prix von Australien in Melbourne die neue Formel-1-Saison. 'Motorsport-Total.com' veröffentlicht aus diesem Anlass jeden Tag einen Artikel aus der Countdown-Reihe - zu den fünf deutschen Stammfahrern und den elf Teams. Heute: Nick Heidfeld.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld geht mit einem neuen Helmdesign in die Formel-1-Saison 2008

Im Vorjahr wurde im Jahr eins nach Michael Schumacher sozusagen der neue deutsche Formel-1-Kuchen verteilt, und Heidfeld konnte sich in diesem Sechskampf mit 61 WM-Punkten klar vor Nico Rosberg (20), Sebastian Vettel (6), Ralf Schumacher (5), Adrian Sutil (1) und Markus Winkelhock (0) durchsetzen. Dementsprechend groß sind seine Erwartungen und die des BMW Sauber F1 Teams, denn alle rechnen nun mit dem nächsten logischen Schritt, nämlich dem ersten Sieg.#w1#

Schnellster von drei Brüdern

"Quick Nick", wie der in der Schweiz lebende Mönchengladbacher sinnigerweise genannt wird, wuchs gemeinsam mit seinen Brüdern Tim und Sven quasi auf der Kartbahn auf und hatte damals viel Kontakt zu den Schumacher-Brüdern, deren Vater Rolf Direktor der Kartbahn im nahe gelegenen Kerpen-Mannheim war. Sven brachte es zwar auch bis in die Formel 3000, Nick war aber der Einzige aus dem Trio, der den ganz großen Durchbruch schaffte.

Lucas Luhr, Nick und Sven Heidfeld

So hat alles angefangen: Nick Heidfeld (rechts) mit Lucas Luhr und Bruder Sven Zoom

1994 und 1995 dominierte er die deutsche Formel-Ford-Szene nach Belieben, 1996 wurde er Dritter in der Deutschen Formel-3-Meisterschaft, im Jahr darauf gewann er das prestigeträchtige Formel-3-Rennen im Rahmen der Formel 1 in Monaco. 1998 verlor er den Formel-3000-Titel knapp gegen einen gewissen Juan-Pablo Montoya, 1999 setzte er sich in der Vorgängerserie der heutigen GP2 - übrigens bereits als McLaren-Mercedes-Junior - locker durch.

2000 folgte der logische Schritt in die Königsklasse des Motorsports, zunächst ins Team von Alain Prost, wo er Jean Alesi an seiner Seite hatte. Anschließend ging es weiter zu Peter Sauber, wo er in Brasilien 2001 gleich mal auf das Podium fuhr und maßgeblichen Anteil am bis dahin erfolgreichsten Jahr in der Teamgeschichte hatte - mit Platz vier in der Konstrukteurs-WM. 2002 und 2003 waren weniger erfolgreich, was die Resultate angeht, aber Heidfeld etablierte sich als feste Größe.

Beide heutigen Ferrari-Piloten im Stallduell geschlagen

Quasi im Vorbeigehen gewann er die WM-Duelle 2001 und 2002 12:9 gegen Kimi Räikkönen und 7:4 gegen Felipe Massa. Als McLaren-Mercedes Ende 2001 nach einem Nachfolger für Mika Häkkinen suchte, schaute man aber trotzdem über den hauseigenen Junior hinweg, den man gratis hätte haben können, und bezahlte stattdessen eine zweistellige Millionensumme für Räikkönen - eine bittere Pille, über die sich der Deutsche heute noch wundert.

Kimi Räikkönen vor Nick Heidfeld

Kimi Räikkönen im Silberpfeil vor Nick Heidfeld - es hätte umgekehrt sein sollen... Zoom

Nach einem völlig verkorksten Jahr 2004 bei Jordan, wo er froh sein musste, dass er seine Karriere überhaupt fortsetzen konnte, kam für Heidfeld 2005 in Form eines Williams-Vertrags der große Wendepunkt. Diesen musste er sich allerdings hart erarbeiten, denn Frank Williams evaluierte über mehrere Wochen hinweg auch noch Bruno Junqueira in einem direkten Vergleichsduell. Erst eine halbe Stunde vor der Präsentation wurde "Quick Nick" vom "Rollstuhlgeneral" persönlich informiert.

Heidfeld nutzte seine Chance, lieferte eine starke Saison ab und fuhr am Nürburgring sogar auf Pole-Position, aber vor allem in die Herzen der Entscheidungsträger bei BMW, die ihn als Leitfigur für den Aufbau des aufgekauften Sauber-Teams verpflichteten. Das lief bisher genau nach Plan - und obendrein konnte er sich in den Duellen gegen Jacques Villeneuve und Robert Kubica durchsetzen, obwohl speziell Kubica als eigentlicher Liebling von BMW Motorsport Direktor Mario Theissen gilt.

Teamkollege Kubica ist eine harte Nuss

"Kubica", analysiert sein Bruder und 'Motorsport-Total.com'-Experte Sven Heidfeld, "war schon immer stark und lernt immer weiter dazu. Er ist jetzt noch stärker geworden und versteht auch die ganze Formel 1 viel mehr. Die beiden sollen gemeinsam das Team voranbringen, und das werden sie auch schaffen. Nick hatte eigentlich immer starke Teamkollegen und seine Leistungen sind deswegen manchmal nicht so aufgefallen. Er war zum Beispiel oft genug schneller als Räikkönen oder Frentzen."

Robert Kubica und Nick Heidfeld

Das Stallduell gegen Robert Kubica wird 2008 noch härter als im Vorjahr Zoom

Dass er sich gegen den Polen durchsetzt, wird sowieso erwartet, auch wenn die Aufgabe eher noch schwieriger wird als im Vorjahr, wie die Wintertests gezeigt haben. Aber eigentlich muss Heidfeld in seiner neunten Saison in der Formel 1 - bisher reichte es zu immerhin sieben Podestplätzen - endlich ein Rennen gewinnen. Das ist zumindest sein Ziel und das des Teams - und zwar hochoffiziell: "Ich denke, dass ich für den Sieg bereit bin", meinte er kürzlich gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Ist "Quick Nick" dem Druck gewachsen?

Daher weiß unser Formel-1-Experte Marc Surer: "Auf ihm und dem Team lastet schon ein gewisser Druck, weil man sich in diese Rolle geredet hat." Aber der Druck muss nicht zwingend negativ sein: "Nick fühlt sich in der Führungs- und internen Favoritenrolle am wohlsten. Ich glaube nicht, dass ihn das nervös macht", so der ehemalige Grand-Prix-Pilot und heutige 'Premiere'-Kommentator. "Die Frage ist: Hat er das Auto, um Rennen zu gewinnen - und was ist, wenn es nicht läuft?"

Nick Heidfeld

Das "Hirschgeweih" hat den F1.08 nach anfänglichen Problemen stark stabilisiert Zoom

Das BMW Sauber F1 Team erwischte bei den ersten Tests in Valencia einen klassischen Fehlstart ins neue Jahr, denn der F1.08 neigte in den Kurven abwechselnd zu Über- und Untersteuern. Im Laufe der vergangenen Wochen konnte dieses Defizit mit Neuerungen wie beispielsweise dem "Hirschgeweih" (teaminterne Bezeichnung: "Tomcat") auf der Nase weitgehend ausgemerzt werden, aber siegfähig ist man wohl trotzdem noch nicht.

"Nick hat mir von der Testphase erzählt, dass sie gerade dabei sind, das Auto zu verstehen, und dass sie dann auch da hinkommen können, wo sie hinwollen. Er ist optimistisch", berichtet Sven Heidfeld. "Er hat überhaupt keinen Druck. Im vergangenen Jahr hatte er die Chance, auf das Podium zu fahren, und er hat es geschafft. Wenn das Auto jetzt noch besser wird, bin ich mir sicher, dass auch der erste Sieg kommen wird."

Größte Siegchancen im Regen

Unter welchen Umständen das am ehesten passieren wird, ist Heidfeld II auch klar: "Im Regen sind für ihn die Chancen natürlich am besten, deswegen hoffe ich auch ab und zu auf Regen." Durchaus denkbar, denn "Quick Nick" ist einer, dem das Verbot der Traktionskontrolle wegen seines kontrollierten Fahrstils entgegenkommen könnte: "Auf nasser Strecke ist das Fahren für mich noch viel geiler als mit Traktionskontrolle!"

Nick Heidfeld

Nick Heidfeld beim Frühstück mit seiner Lebensgefährtin Patricia Papen Zoom

Eines steht jedenfalls jetzt schon fest: Unabhängig von seinen Erfolgen auf der Rennstrecke ist Heidfeld einer der letzten Typen der Formel 1, auch wenn dies wegen des langen Schattens von Michael Schumacher jahrelang kaum jemandem aufgefallen ist. Der 30-Jährige ist zwar angenehm zurückhaltend und kein Freund von großen Sprüchen, liebt das Familienleben mit seiner Freundin Patricia und seinen zwei Kindern, aber das, was er von sich gibt, hat meistens Hand und Fuß.

Er trinkt gerne Orangensaftschorle und Pinacolada, nutzt freie Tage vor den Rennwochenenden, um sich in verschiedenen Restaurants von der lokalen Küche berieseln zu lassen, und hat bei der Heimreise als Kunstliebhaber auch manchmal ein neues Bild im Gepäck. Er ist einer, für den das Leben aus mehr besteht als nur Motorsport - und trotzdem ist er ehrgeizig genug, um seinen Status als deutsche Nummer eins verteidigen zu können. Das gilt es 2008 zu beweisen.

Saisonstatistik 2007:

Fahrerwertung: 5. (61 Punkte)
Durchschnittlicher Startplatz: 5,412
Bestes Ergebnis Qualifying: 2.
Bestes Ergebnis Rennen: 2.
Ausfallsrate: 11,765 Prozent (6.)
Bisherige Testkilometer 2008: 6.082 (1.)