• 29.02.2016 09:01

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Force India vs. Williams: Wo eine Million Euro entscheidet

Standort in Großbritannien, Erfahrung als Privatteam, gleicher Antriebspartner, ähnliches Budget: Warum Williams einen Vorteil gegenüber Force India besitzt

(Motorsport-Total.com) - Force India hat sich in der Formel-1-Saison 2015 nach Einführung der B-Variante des JVM08 als großer Aufsteiger gezeigt. Das indische Team mit Sitz in Silverstone konnte Rang fünf in der Konstrukteurswertung souverän absichern und in der letzten Phase des Jahres sogar die größeren Teams teils besiegen. In den letzten sechs Grands Prix des Jahres holte Force India 67 Punkte - das waren mehr als Williams (59) und Red Bull (48).

Titel-Bild zur News: Valtteri Bottas, Nico Hülkenberg, Felipe Massa, Daniil Kwjat

2015 konnte sich Williams erneut gegen Force India durchsetzen Zoom

Interessant ist vor allem der Vergleich mit dem Traditionsteam von Frank Williams. Force India und die Mannschaft aus Grove arbeiten unter nahezu identischen Voraussetzungen. Beide haben mit ihrem jeweiligen Standort in Großbritannien wenig Probleme beim Anwerben von Personal, beide arbeiten mit Budgets von rund 140 Millionen Euro pro Jahr, beide beziehen ihre Antriebe von Mercedes. Wo also entstehen im Verlauf eines Jahres die Unterschiede? Williams holte Rang drei in der Endabrechnung 2015.

"Sagen wir mal, man hat ein Saisonbudget von 103 Millionen Dollar. Der gesamte Einsatz über die Saison hinweg inklusive Kosten für Reifen, Getriebe, Motoren etc. kostet 100 Millionen Dollar. Das ist für alle Teams in etwa gleich, wenn man eine vergleichbare Teamgröße hat", erklärt Force-India-Betriebsleiter Otmar Szafnauer auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'. Zu den genannten Einsatzkosten zählt der Rumäne auch Personal, Logistik sowie Bau und Entwicklung der Autos vor dem Start in die Saison.

Es bleibt nur wenig Geld zur freien Verwendung

"Dann sagen wir, wir haben drei Millionen, die wir noch frei ausgeben können. Und die können wir investieren, wo wir wollen", rechnet der Force-India-Betriebsleiter weiter. Eine Summe von drei Millionen Dollar (rund 2,7 Millionen Euro) erscheint nahezu erschreckend gering, wenn es um die konstante Weiterentwicklung des Fahrzeuges während der Saison geht. Dennoch ist dieser Wert realistisch. "Wir stecken das Geld in Performance", erklärt Szafnauer weiter.

"Sagen wir mal, Williams kann 120 Millionen ausgeben. Das mag kein großer Unterschied beim ersten Hinschauen sein, aber man muss das frei verfügbare Budget betrachten. Unsere drei gegen ihre 20 Millionen - sie können also viel mehr ausgeben", stellt Szafnauer die Differenz zu den britischen Kollegen dar. Er ergänzt: "Mein Punkt ist: Der Performancevorteil, den sie gegenüber uns alleine über das Budget holen können, ist ziemlich groß."

Otmar Szafnauer

Otmar Szafnauer stellt die Unterschiede im Vergleich zu Williams deutlich dar Zoom

Der um 17 Millionen Dollar (gut 15 Millionen Euro) größere Spielraum im Lager von Williams wirkt sich gleich zweifach aus. Einerseits kann viel intensiver und umfangreicher an den Baustellen des aktuellen Fahrzeuges gearbeitet werden, auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit, gleichzeitig schon am Konzept für das Folgejahr zu arbeiten. "Wenn man viele Ressourcen hat, kann man ein bisschen Parallelarbeit erledigen. Aber wir müssen definitiv komplett umswitchen", sagt Szafnauer.

Williams entwickelt parallel, Force India nicht

Bei Force India sind parallele Entwicklungen an zwei Fahrzeug-Generationen nicht möglich. Man muss sich entscheiden, welchem Projekt man die Aufmerksamkeit schenkt. "Wir können erst für 2017 entwickeln, wenn wir die Regeln kennen und müssen dann entscheiden: Wann ist der richtige Zeitpunkt, auf 2017 umzuswitchen? Wir können nicht beides parallel tun. Wir müssen sehen, wie konkurrenzfähig wir sind", sagt der Force-India-Verantwortliche. Bei Williams hingegen beginnt man spätestens im Mai mit parallelen Arbeiten am Auto für 2017 - dann werden die Regularien feststehen.

Auch beim Team aus Grove, das mit 525 Mitarbeitern stärker aufgestellt ist als Force India (370 Angestellte), dreht man quasi jeden Euro in der Hand um. Es gilt stets, das vorhandene Budget möglichst effizient einzusetzen. Williams hat nahezu alle Möglichkeiten im Haus. Am Standort in Oxfordshire kann man auf zwei Windkanäle zurückgreifen. Dies ermöglicht schnelle Versuche mit neuen Bauteilen, auf der anderen Seite können die Vorteile aufgrund der Einschränkungen der Windkanalnutzung gar nicht mehr voll ausgespielt werden.

Force India geht aufgrund der finanziellen Möglichkeiten einen anderen Weg. Seit einiger Zeit mietet man sich regelmäßig bei der Toyota Motorsport GmbH (TMG) in Köln ein, um die dortigen Einrichtungen zu nutzen. "Unser Windkanal war etwa 19 Jahre alt. Obwohl er nicht 'state of the art war', wussten wir genau, wo wir dran waren - wo seine Stärken und Schwächen lagen. Jetzt mussten wir dasselbe bei Toyota tun, und das verschlingt Zeit. Wir mussten herausfinden, welche Aspekte miteinander nicht korrelierten. Je mehr wir das verstehen, desto besser werden wir."


Force India: Wenn die neue Saison anklopft

Die Stammpiloten Nico Hülkenberg und Sergio Perez, sowie Entwicklungsfahrer Alfonso Celis über die Erwartungen an die Formel-1-Saison 2016 Weitere Formel-1-Videos

Die Aussage von Szafnauer impliziert, dass das optimale Entwicklungstempo bei Force India noch gar nicht erreicht ist. Die Inder nehmen weiter Fahrt auf, um den Kontrahenten Williams zu überholen - mit ähnlichem Budget, unter vergleichbaren Voraussetzungen, aber doch auf ganz anderen Wegen. "Man holt heutzutage mehr aus der vorhandenen Windkanal-Zeit heraus", erklärt der 51-jährige Rumäne. "Insgesamt nicht so viel wie beim 24/7-Test, aber man hat im Verhältnis einen besseren Output, weil man länger darüber nachdenken kann." Klartext: Performance kommt aus dem Kopf, nicht aus der Geldbörse.