FIA-Tribunal: Alle Parteien unter Hochdruck

Spannung in Paris: Beim FIA-Tribunal muss sich Mercedes heute wegen des heiklen Pirelli-Tests verteidigen, doch welche Partei hat den entscheidenden Fehler gemacht?

(Motorsport-Total.com) - Tag der Entscheidung für Mercedes: Heute muss sich Teamchef Ross Brawn vor dem FIA-Tribunal auf dem Place de la Concorde in Paris dem Vorwurf stellen, das Sportliche Reglement der Formel 1 mit dem dreitägigen Pirelli-1.000-Kilometer-Test Mitte Mai missachtet zu haben. Auf den ersten Blick scheint die Lage klar: In der Formel 1 sind Testfahrten während der Saison mit einem aktuellen Boliden verboten, doch die "Silberpfeile" haben in Barcelona mit dem aktuellen F1 W04 getestet.

Titel-Bild zur News: Charlie Whiting (Technischer Delegierte der FIA), Ross Brawn (Teamchef)

FIA-Rennleiter Charlie Whiting und Ross Brawn: Tag der Entscheidung

Die entscheidende Frage ist aber: Wer hat Brawn & Co. dazu die Erlaubnis gegeben? Und wo wurden möglicherweise Fehler gemacht, die nicht im Bereich von Mercedes liegen und den Teamchef, der die Verantwortung für die Entscheidung auf sich nimmt, entlasten könnten? Dies wird auch darüber den Ausschlag geben, ob es in weiterer Folge zu einem möglichen Köpferollen kommt - Experten sehen vor allem Brawn und den Technischen Delegierten der FIA, Charlie Whiting, in Gefahr, ihre Posten zu verlieren.

Zahlreiche Ungereimtheiten

Zur Ausgangssituation: Zwischen Pirelli und der FIA existiert ein Vertrag, der einen Reifentest unter gewissen Umständen erlaubt - es wurden aber weder wie vorgeschrieben die anderen Teams darüber informiert noch wurden sie zu besagtem Test in Barcelona eingeladen. Die Zustimmung der Rennställe gab es daher auch nicht, was laut einem Testabkommen zwischen den Teams aber nötig gewesen wäre.

Brawn argumentiert, dass Mercedes zunächst von Pirelli um einen Test gebeten wurde und man dann per E-Mail bei FIA-Mann Whiting nachfragte, ob ein derartiger Test erlaubt sei. Die Antwort soll positiv ausgefallen sein. Wenn das der Fall war, dann wirft dies ein negatives Licht auf Whiting, denn das Reglement wiegt schwerer als ein Vertrag.

Droht der FIA ein Bumerang-Effekt?

Laut 'auto motor und sport' soll aber auch der Brite ein Argument haben, das ihn entlastet: Angeblich vergewisserte er sich bei der Rechtsabteilung der FIA, ob ein Test rechtens sei, um absolut sicher zu gehen - in einer schriftlichen Bestätigung sollen die FIA-Rechtsexperten daraufhin für einen Pirelli-Test mit Mercedes grünes Licht gegeben haben. Diese Bestätigung soll auch vorliegen.

Dies würde sowohl Brawn als auch Whiting entlasten, die FIA aber aufgrund der Widersprüche in die Bredouille bringen. Für Zündstoff ist also gesorgt, weil es für die Protagonisten um viel geht.

Deutsche Tribunalsmitglieder nicht entscheidungsberechtigt

Doch wer entscheidet nun über die Strafe und wie wird die Verhandlung ablaufen? Präsident des FIA-Tribunals ist der Brite Edwin Glasgow, Vize-Präsident der Monegasse Laurent Anselmi. Glasgow muss nach Beginn um 9.30 Uhr zumindest drei von zwölf Komiteemitglieder als Richter bestimmen.

Es wird davon ausgegangen, dass die Verhandlung bis zum frühen Nachmittag dauert - eine Entscheidung, ob und welche Strafen verhängt werden, könnte noch am selben Tag, aber auch erst am Freitag fallen. Wie das Ergebnis ausfallen wird, ist schwerer denn je vorherzusagen, denn im Gegensatz zu bisherigen Fällen besteht das erstmals beauftragte FIA-Tribunal aus Richtern des Zivil- und des Strafrechts, also nicht aus Motorsport-Spezialisten.

Laut den Statuten des Tribunals ist von einem Freispruch über eine Geldstrafe oder einen Punkteabzug bis zu einer Sperre alles möglich. Auch für Pirelli könnte es Konsequenzen geben - allerdings nicht direkt durch das Tribunal, sondern mittels Zivilklage durch die FIA.