• 18.06.2013 13:36

FIA-Tribunal: Mit welcher Strategie tritt Mercedes an?

Am Donnerstag will Mercedes in der Reifen-Affäre den Kopf aus der Schlinge ziehen - Das Rätselraten um die Strategie von Teamchef Ross Brawn sorgt für Spannung

(Motorsport-Total.com/SID) - Unaufgeregt bis heiter, so wirkten die Mercedes-Offiziellen in den vergangenen Wochen häufig, wenn es um die Reifen-Affäre ging. Als "Sturm im Champagner-Glas" bezeichnete Motorsportchef Toto Wolff die Aufregung um möglicherweise illegale Tests mit Pirelli - Aussagen und Mimik der Verantwortlichen transportierten stets: Wir sind uns keiner Schuld bewusst.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Wie wird sich Mercedes-Teamchef Ross Brawn vor dem FIA-Tribunal verteidigen? Zoom

Die Entscheidung fällt nun in Paris, am Donnerstag bittet das Internationale Tribunal des Weltverbandes FIA zur Anhörung. "Unsere Überzeugung ist, nichts Falsches getan zu haben", sagte Wolff zuletzt auch der 'Welt am Sonntag'. Die FIA machte den Fall dennoch zur Angelegenheit für die Richter.

Tests mit einem aktuellen Auto, wie jene von Pirelli und Mercedes Mitte Mai in Barcelona, sind während der Saison grundsätzlich verboten. Auch der Einheitshersteller, obwohl kein Wettbewerber, muss sich daher vor dem Sportgericht erklären. Unklar ist noch, mit welcher Verteidigungsstrategie Mercedes im FIA-Hauptquartier antritt - denkbar ist einiges.

Welche Rollen spielen Whiting und das Reglement?

"Wir haben unsere Unterlagen aufbereitet, mehr können wir nicht machen", sagte Wolff. Im Mittelpunkt, das drang in den vergangenen Wochen durch, könnte dabei eine Erlaubnis aus Kreisen der FIA stehen. Nicht nur der englische 'Guardian' berichtet, dass Mercedes eine E-Mail vorlegen will - Absender soll kein Geringerer sein als FIA-Renndirektor Charlie Whiting, von dem die "Silberpfeile" sich demnach die Erlaubnis geholt hatten.

Derartiges hatte Mercedes-Teamchef Ross Brawn schon im Rahmen des Großen Preises von Kanada angedeutet. "Wir hätten den Pirelli-Test nicht durchgeführt, wenn wir nicht gedacht hätten, dass wir es dürfen", sagte der Brite und kündigte "Antworten vor dem Tribunal" an. Brawn wird als einziger der Mercedes-Größen in Paris erscheinen.

"Wir hätten den Pirelli-Test nicht durchgeführt, wenn wir nicht gedacht hätten, dass wir es dürfen." Ross Brawn

Möglich ist zudem, dass Mercedes eine Grauzone im Reglement nutzen will. Auffällig häufig fielen aus dem Mund der Offiziellen zuletzt die Worte "Pirelli-Test", und diese Deutung könnte einen wichtigen Teil der Strategie bilden. Artikel 22.1 des FIA-Reglements definiert nämlich verbotene Tests als Fahrten, "durchgeführt von einem Wettbewerber der Meisterschaft". Gelingt der Nachweis, dass der Reifenhersteller die Tests organisiert und ausgeführt und dabei lediglich Mercedes-Material und -Fahrer "verwendet" hat, könnte der Rennstall eine Hintertür gefunden haben.

Verschiedene Sanktionen denkbar

Entscheiden muss das Internationale Tribunal, ein zwölfköpfiges Gremium, das 2010 ins Leben gerufen wurde. Die Reifen-Affäre ist der erste große Fall der Runde. Die verschiedensten Sanktionen sind grundsätzlich denkbar und reichen von Geldstrafen über Punktabzüge bis hin zu einer - unwahrscheinlichen - Disqualifikation.

Auch weil es keine Vergleichsfälle gibt, stellt sich die Einordnung als schwierig dar. Als "größten Verstoß seit dem Spionage-Skandal zwischen McLaren und Ferrari" bezeichnete Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko von Sebastian Vettels Red-Bull-Team die Reifentests. Die Informationsbeschaffung durch McLaren wurde 2007 mit einer Strafe von 100 Millionen Dollar und dem Abzug aller Punkte in der Konstrukteurs-WM sanktioniert.

"Mercedes muss raus aus der Formel 1." Michael Muders

Nahrung für Formel-1-kritische Stimmen bei Daimler

Die Konkurrenz um Red Bull erwartet nun auch für die "Silberpfeile" eine empfindliche Strafe - und beim schwäbischen Autobauer könnte eine solche zum Brandbeschleuniger einer schwelenden Diskussion werden. Das teure Engagement in der Königsklasse wird kritisch gesehen, das machten vor wenigen Tagen erneut einflussreiche Investoren deutlich. "Mercedes muss raus aus der Formel 1", sagte Michael Muders, Manager bei Union Investment: "Daimler verkauft unserer Meinung nach kein einziges Auto mehr, weil Mercedes mit einem Team vertreten ist."

Der Nachweis des Betrugs käme nun einer Brandmarkung gleich und würde das Konzern-Image beschädigen - dies müsste vor den Anteilseignern erklärt werden. Ein Ausstieg aus der "Königsklasse" ist zwar unwahrscheinlich, dennoch: Am Place de la Concorde kämpft Mercedes auch um seine zukünftige Rolle in der Formel 1.