• 18.06.2013 12:39

  • von Christian Sylt & Caroline Reid

Silverstone: Düstere Aussichten für die Zukunft

Wie der schleppende Ticketverkauf die Silverstone-Organisatoren in die Bredouille bringt, warum die fianzielle Lage kritisch ist und wer die Anlage pachten könnte

(Motorsport-Total.com) - Man geht davon aus, dass die Besucherzahlen beim kommenden Grand Prix von Großbritannien im Vergleich zu 2012 deutlich niedriger ausfallen werden, da die Menschen den Gürtel enger schnallen müssen. Das hält sie davon ab, Grand-Prix-Tickets zu kaufen, die ab 170 Euro erhältlich sind. Das wirft einige Fragen über die Zukunft der Formel-1-Rennens auf - und über den Plan der Silverstone-Veranstalter, die Strecke zu verpachten.

Titel-Bild zur News: Silverstone

Schwierige Lage: Silverstone kämpft mit finanziellen Problemen

Derzeit sind auf der Silverstone-Website noch Tickets in 22 Kategorien erhältlich, während nur elf ausverkauft sind. Im Gegensatz dazu gab man vor einem Jahr am 6. Juni bekannt, dass nur noch weniger als 5.000 Tickets verfügbar sind - am Renn-Sonntag gab es ein Rekord-Ergebnis mit 127.000 Zuschauern. Und das trotz Regenschauern, die Parkplätze in Schlammgruben verwandelt hatten und die Organisatoren dazu zwangen, Zuschauer für das Qualifying am Samstag abzuweisen.

Nicht weniger als 30.000 Ticketbesitzer wurden gebeten, dem Kurs fernzubleiben, da die Parkplätze überflutet waren und die örtlichen Straßen den Belastungen durch den Verkehr kaum standhielten. Um eine Wiederholung zu verhindern, haben die Rennorganisatoren investiert und die nicht asphaltierten Parkplätze verbessert sowie Park-and-Ride- und Shuttle-Service erweitert. Trotzdem sieht es dieses Jahr nicht nach Verkehrsstaus aus.

Hohe Ticketpreise schrecken Fans ab

Am 30. Mai kamen mit Marussia, McLaren und Williams sogar drei Formel-1-Teams zur Hilfe: In einer gemeinsamen Aktionen posteten sie auf 'Twitter': "Only #28days to go until the 2013 Formula 1 Santander British Grand Prix! Have you got your tickets yet?" (Nur noch 28 Tage bis zum Grand Prix von Großbritannien 2013. Haben Sie Ihr Ticket bereits?, Anm.)

Nur die Rennen in Abu Dhabi und Brasilien sind teurer als Großbritannien, während Malaysia mit Ticketpreisen ab 15 Euro am billigsten ist. Mit 70 Euro kostete im vergangenen Monat das günstigste Ticket für das Champions-League-Finale in London weniger als die Hälfte der Tickets für den Grand Prix von Großbritannien. Im Vergleich können Tickets für das Herrenfinale in Wimbledon und für den Finaltag des Golf-Klassikers British Open für weniger Geld gekauft werden als das günstigste Ticket für den Grand Prix von Großbritannien.

Warum die Silverstone-Tickets so teuer sind

Parkplatz

Im Vorjahr gab es wegen des Wetters ein Verkehrschaos Zoom

Ursache dafür ist das Geschäftsmodell der Formel 1, das sich von anderen Sportarten unterscheidet. Die Rennstrecken-Besitzer haben keinen Anspruch auf die Einnahmen durch die TV-Übertragungen des Rennens, Hospitality sowie Rennstrecken-Werbung. Das Geld geht direkt an den Rechteinhaber, die F1 Group, während die einzige Einnahmequelle für die Rennstrecken-Besitzer normalerweise der Ticketverkauf ist. Damit hat man Mühe, die jährliche Renngebühr abzudecken - die laufenden Kosten werden oft durch Regierungs-Investitionen gedeckt. Der Grand Prix von Großbritannien kommt nicht in den Genuss von staatlicher Unterstützung, weshalb die Ticketpreise so hoch sind.

Die Veranstalter sehen sich gezwungen, die Ticketpreise wegen einer Preisanpassungs-Klausel im Vertrag zu erhöhen. Diese hebt die Renngebühr pro Jahr um geschätzte fünf Prozent an. Derzeit liegt sie bei rund 16,5 Millionen Euro. Die günstigsten Tickets sind nun um 43,5 Prozent teurer, seit Silverstone 2009 einen 17-Jahresvertrag unterzeichnet hatte.

Schuldenberg belastet BRDC

Die ansteigende Renngebühr ist nicht die einzige finanzielle Belastung für Silverstone. Bevor man den Vertrag unterzeichnete, hatte Formel-1-Boss Bernie Ecclestone den Umbau der Streckenanlage verlangt. 2011 eröffnete man ein neues Boxengebäude, das großteils mit Krediten von der Bank Lloyds finanziert wurde. Dadurch entstand für den British Racing Drivers Club, der Silverstone besitzt, im Jahr 2011 (das aktuellste Jahr, in dem die Jahresabschlüsse verfügbar sind, Anm.) ein Schuldenberg von 31,3 Millionen Euro.

Die niedrigen Gewinnspannen bei den Renneinnahmen geben dem BRDC wenig Spielraum, um die Schulden zu begleichen - die Zinsen betrugen alleine 2011 eine Million Euro. Dadurch musste der BRDC Nettoverluste in Höhe von 5,4 Millionen Euro hinnehmen - die Kombination aus dem schlechten Ticketverkauf und der erhöhten Renngebühr könnte daher zu einer Verkettung unglücklicher Ereignisse führen.

Silverstone-Sprecher: Angeblich zieht Ticket-Verkauf nun an

Ein Sprecher des Grand Prix von Großbritannien sagt: "Wir hatten 2011 und 2012 Rekord-Besucherzahlen und obwohl der Ticketverkauf dieses Jahr etwas zäher angelaufen ist, hat er in den vergangenen sechs bis acht Wochen deutlich angezogen. Wir freuen uns also, bekanntgeben zu dürfen, dass die Zuschauerzahl eine der größten der vergangenen Jahre sein wird, auch wenn wir das Ergebnis des Vorjahres nicht erreichen werden."

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton wartet noch auf den ersten Saisonsieg Zoom

Dafür führt er Gründe an: "Es gibt da einige Faktoren von der aktuellen Wirtschaftslage bis zu den Entwicklungen in der Weltmeisterschaft - wen britische Fahrer auf dem Podest stehen, dann wirkt sich das positiv auf den Ticketverkauf aus. Außerdem besteht kein Zweifel daran, dass einige Leute, die im Vorjahr hier waren und völlig durchnässt waren, keine gute Erfahrung gemacht haben. Aber da das Wetter zuletzt besser war und die Weltmeisterschaft nach Europa gekommen ist, hat der Verkauf angezogen, und wir freuen uns darauf, viele Zuschauer in Silverstone bei einer sicher großartigen Veranstaltung begrüßen zu dürfen."

Eine hochrangige BRDC-Quelle fügt hinzu: "Ich glaube nicht, dass der BRDC 2012 mit einem Gewinn ausgestiegen ist. Der Grand Prix war wegen des Wetters ein Fehlschlag." Für den BRDC könnte es wegen seiner Struktur schwierig werden, durch die Eigentümer zu Geld zu kommen, schließlich handelt es sich um einen Klub mit 800 führenden Mitgliedern aus der Motorsport-Industrie - darunter die britischen Ex-Weltmeister Nigel Mansell und Damon Hill. Sie alle dazu zu bewegen, zu investieren, könnte sich als schwierig herausstellen.

Wie der BRDC die Kurve kratzen will

Stattdessen hat sich der BRDC zu einer gewagten Strategie hinreißen lassen, Silverstone für 150 Jahre zu verpachten. Der neue Eigentümer erhält die Kontrolle über rund 343 Hektar Land - das größte Kapital des BRDC, das vom Immobilienberater Jones Lang LaSalle 2011 mit einem Wert von 14 Millionen Euro beziffert wurde. Zudem würde man als Promoter des Grand Prix von Großbritannien fungieren, wodurch das Rennen vom BRDC getrennt werden würde. Das würde es dem Klub erlauben, die Schulden mit den Erlösen zu bezahlen.

Der BRDC hatte bereits im Jahr 2000 einen ähnlichen Deal durchgeführt, als die Marketingfirma Interpublic das Management von Silverstone übernahm. Doch diese Lösung war nur von kurzer Dauer, da Interpublic durch den Deal große Verluste einfuhr und drei Jahre vor Ablauf, also im April 2004, ausstieg.

Wann wird Silverstone verpachtet?

Die Suche nach einem neuen Investor scheiterte bereits einmal. Sie hatte begonnen, als die BRDC-Mitglieder die Erlaubnis gaben, das Land zu verpachten. Daraufhin engagierte der Klub das Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen PricewaterhouseCoopers, um potenzielle Investoren zu kontaktieren, und begann exklusive Gespräche mit einem bevorzugten Bieter. Die Gespräche scheiterten, und im Mai des vergangenen Jahres gab der BRDC bekannt, dass man mit anderen Parteien in Gespräche tritt.

Der BRDC sucht nach einem Pächter für die Traditionsanlage Zoom

"Es wurde angenommen, dass der Bieter aus Katar stammt, aber ich glaube nicht, dass das korrekt ist", sagt die BRDC-Quelle und fügt hinzu: "Ich denke, dass der Klub wahrscheinlich zu lange an diese Gelegenheit geglaubt hat. Dafür hatte man alle Zeit der Welt, denn man war der Ansicht, dass daraus echt etwas wird. Dabei ist es jetzt viel wahrscheinlicher, dass es zu einem Deal kommt."

Das letzte Unternehmen, das mit Silverstone in Verbindung gebracht wurde, ist die Immobiliengruppe MEPC. Angeblich läuft alles auf einen 47-Millionen-Euro-Deal hinaus, der den Weg für den Bau eines 80 Hektar großen Businessparks in Silverstone ebnen würde. Wenn das Rennen in der kommenden Woche also die Erwartungen übertrifft, dann könnte MEPC am Ende der große Gewinner sein.