• 08.10.2007 10:18

  • von Fabian Hust

Ferrari setzt auf Teamgeist, Aggressivität und Risiko

Chefingenieur Baldisserri und Teammanager Domenicali über den Sieg in Shanghai, Hamiltons Ausfall und das entscheidende Rennen in Sao Paulo

(Motorsport-Total.com) - Dank der Tatsache, dass Kimi Räikkönen ein starkes Rennen fuhr und Lewis Hamilton patzte, ist der Finne doch etwas unerwartet beim Saisonfinale in zwei Wochen in Sao Paulo einer von drei Piloten, die noch Formel-1-Weltmeister werden können. Angesichts von sieben WM-Punkten Rückstand hat der Ferrari-Pilot zwar nur sehr geringe Chancen, Lewis Hamilton noch abzufangen - aber das Rennen in Shanghai hat gezeigt, dass nichts unmöglich ist.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa beim Boxenstopp

Das ganze Team soll Kimi Räikkönen im Titelkampf helfen - inklusive Felipe Massa

Beim Saisonfinale in Brasilien muss alles passen, nach wie vor ist Ferrari gegenüber McLaren-Mercedes im Rennen im Verhältnis stärker, man kann in der Qualifikation aus den weichen Reifen weniger Leistung heraus kitzeln als der Gegner, weil man die Reifen prinzipiell weniger hart beansprucht als die Konkurrenz und damit innerhalb von einer Runde nicht optimal auf Temperatur bekommt. Dies ist auch der Grund, warum man in den Rennen meist besser über eine Distanz kommt.#w1#

Ferrari will Leistung im Qualifying verbessern

"Wir müssen nur daran arbeiten, wie wir sie auf eine einzige gezeitete Runde in der Qualifikation zum Arbeiten bewegen können", erklärt Chefingenieur Luca Baldisserri. "Nach dem Rennen in Budapest haben wir daran zu Hause etwas Arbeit verrichtet. Ich denke, dass wir das Problem verstanden haben und wir hoffen, dass wir dies in Brasilien beweisen können. Wir konzentrieren uns darauf."

Natürlich hat man auch bei Ferrari erstaunt geschaut, als Lewis Hamilton mit heruntergefahrenen Reifen um die Strecke fuhr und schlussendlich in der Boxengassen-Einfahrt von der Strecke rutschte: "Die Intermediates waren heute im Heckbereich schwierig", erklärt der Italiener. "Wenn sie abgenutzt sind und die Strecke abgetrocknet, dann verliert man leicht fünf oder sechs Sekunden pro Runde, wenn man ein Heck hat, das nicht stark ist. Man muss dann an die Box kommen und die Reifen wechseln."

Der McLaren-Mercedes "fraß" die Hinterreifen zu schnell

"Ich denke also, dass Hamilton zum Schluss etwas zu kämpfen hatte. Er war zu Beginn wirklich schnell und hatte womöglich zu Beginn des Rennens zu viel Untersteuern im Auto. Wir konnten hingegen unsere Reifen schonen, wir bekamen es also mit besseren Bedingungen zu tun, als die Strecke abtrocknete."

Massa erneut der "Edelhelfer"

Während bei McLaren-Mercedes noch beide Fahrer um die Weltmeisterschaft fahren, hatte es Ferrari angesichts der wechselhaften Wetterbedingungen einfacher, wie Teammanager Stefano Domenicali zugibt: "Wir haben Felipe zuerst auf Trockenreifen gesetzt, einfach um sicher zu sein und zu überprüfen, wie dieser Reifen unter den Bedingungen funktioniert."

Während des Rennens hatte man natürlich immer ein Auge auf Hamilton, wie Domenicali erklärt: "Nach dem ersten Boxenstopp schauten wir uns an, was Hamilton tun kann, denn da er im Vergleich zu unserem Stopp weniger Benzin nachfüllen dies, kontrollierten wir natürlich die Geschwindigkeit. Klar, wir wussten zu diesem Zeitpunkt, dass wir vorn liegen können, es fiel uns also deutlich leichter."

Frühe Zuversicht

Zu diesem Moment war man sich bereits ziemlich sicher, dass man Hamilton besiegen kann: "Man konnte sehen, dass Kimi mindestens vier Runden mehr Benzin an Bord hat, und auf dieser Strecke sind vier Runden fast eine halbe Sekunde pro Runde. Man konnte also auch erkennen, dass unsere Leistung im Qualifying am Samstag wirklich gut war."

Angesichts des großen Rückstands bei nur noch einem verbleibenden Rennen habe das Team keine andere Wahl, als in Sao Paulo ein aggressives Rennen zu fahren: "Wir müssen daran denken, dass wir Erster und Zweiter werden müssen. Das wird mit Sicherheit unsere Strategie sein."

Aggressivität? Bitte nur in Maßen!

Die Formel 1 ist jedoch ein Sport am absoluten Grenzbereich, da darf man es mit Aggressivität auch nicht übertreiben, wie Domenicali erklärt: "Wenn man zum Beispiel auf den ersten Runden zu aggressiv ist, dann wird man die Reifen zerstören und das Rennen wird schwieriger. Es ist also entscheidend, mit ihnen hauszuhalten. Das wird natürlich auch vom Wetter in Brasilien abhängen."

Zudem gilt es, auch das Geschehen im Rennen genau zu beobachten, um sich keinen dummen Fehler zu erlauben, wie der Italiener erläutert: "Wir mussten darauf achten, dass sein Rennen nicht durch Überrundete oder durch gelbe Flaggen zerstört wird. Es ist schnell passiert, unter diesen Bedingungen einen Fehler zu machen, zum Beispiel unter gelben Flaggen zu überholen. Wir haben die Situation also sehr, sehr sorgfältig beobachtet."

Der Motor muss in Brasilien mehr schwitzen

Da es vor dem großen Saisonfinale keine Testfahrten ergibt, kann das Team den F2007 nur sehr eingeschränkt weiterentwickeln. Man kann also nur auf dem Prüfstand oder im Simulator arbeiten, um sich auf die Rennstrecke in Südamerika vorzubereiten.

Auf einem Gebiet kann man versuchen, etwas mehr Leistung heraus zu kitzeln - beim Motor. Denn dieser muss zum Beispiel im Falle von Kimi Räikkönen in Sao Paulo nur ein Rennen bestreiten, da das Rennen in China für das Triebwerk bereits das zweite Rennen war: "Wir haben beim Motor ein paar Dinge ausprobiert. Man kann sich vorstellen, dass wir etwas zusätzliche Leistung haben werden, das ist aber auch immer ein Risiko", so Baldisserri.

Die Angst vor dem Crash mit Hamilton...

Risiko ist ein gutes Stichwort, bei Ferrari war man froh, dass es nicht zum direkten Duell zwischen Kimi Räikkönen und Lewis Hamilton kam, weil dieser mit Problemen zu kämpfen hatte: "Es war wichtig, jede Art von Kontakt zu vermeiden, denn man weiß nie", so Domenicali. "Zu diesem Zeitpunkt wäre ein Kontakt für uns dramatisch gewesen, denn dann wäre die Meisterschaft vorbei."

Und war Domenicali überrascht über Hamiltons Fehler? "Wenn man unter Druck steht, dann kann man überall Fehler machen. Dies zeigt, wie die Formel 1 ist und vielleicht dachte er, dass dies der einfachste Teil seines Rennens ist."

Als "Wunder" bezeichnet er es jedoch nicht, dass man sich noch im Kampf um die Weltmeisterschaft befindet: "Denn wenn man sich die Situation anschaut, dann haben wir acht von 16 Rennen gewonnen, also 50 Prozent. Wir haben großartige Ergebnisse erzielt. Leider litten wir in diesem Jahr an anderen Problemen, aber wir sind weiterhin bei der Musik."

"Wir dürfen nicht zu ängstlich sein, aber wir müssen eine genaue Analyse seit dem Beginn der Meisterschaft machen, und das tun wir nun. Wir wollen einfach sicherstellen, dass wir für das letzte Rennen alles bedacht haben. Aber es ist kein Wunder."

Ferrari gibt nicht auf - nie

"Wir haben immer gesagt, dass wir niemals aufgeben. Wir sagen das nicht nur so, wir fühlen das auch so. Das Team hält zusammen, wir wissen, dass von außen großer Druck kommt, aber das ist Teil des Spiels. Wichtig ist, dass wir wirklich sehr gut zusammenarbeiten. Es ist gut, dass wir mit der Chance nach Brasilien zurückkehren, gewinnen zu können."

Massa mit der gleichen Rolle wie 2006...

So sei es auch kein Problem, Felipe Massa zu motivieren, da er nun Kimi Räikkönen helfen muss: "Das ist überhaupt kein Problem, denn er passt sehr gut ins Team. Man kann nachvollziehen, dass ein Fahrer immer an der Spitze sein möchte, aber er hat auch immer gesagt, dass er ein Fahrer in diesem Team ist, wir alle für Ferrari arbeiten. Er versteht dies und wird aus diesem Grund immer das machen, was notwendig ist, um Kimi dabei zu helfen, jenes Ergebnis zu holen, das für Ferrari eine Belohnung ist."

Ferrari hadert mit der Reifenwahl für das Finale

Im vergangenen Jahr war Ferrari in Sao Paulo extrem stark - wie konkurrenzfähig schätzt Baldisserri die Italiener in diesem Jahr dort ein? "Das ist schwierig zu sagen. Das diesjährige Auto ist ein wenig anders als jenes aus dem vergangenen Jahr. Im vergangenen Jahr passten wir die Reifen an, in diesem Jahr ist es anders, denn wir müssen mit dem leben, was Bridgestone mitbringt."

"Sie haben sich dazu entschieden, die Weichen und Super-weichen mitzubringen, und um ehrlich zu sein, ist dies nicht unsere bevorzugte Wahl, denn die Vergangenheit hat in diesem Jahr gezeigt, dass wir zu kämpfen hatten, als wir diese Reifen-Paarung hatten. Die Reifen sind jedoch in Bezug auf die Leistung des Autos sehr wichtig. Wenn man nicht in der Lage ist, diese optimal zu nutzen, kann man leicht Zehntelsekunden verlieren."