Ferrari-Frontflügel: Fry übt Kritik, Todt relativiert

Gegen Ferraris flexiblen Frontflügel haben acht Teams einen Protest angekündigt - Nick Fry fordert eine Klarstellung, Jean Todt ist aber unbesorgt

(Motorsport-Total.com) - Nachdem vor einer Woche noch alle über Ferraris angeblich flexiblen Heckflügel sprachen, der anschließend von der FIA für völlig legal erklärt wurde, drehte sich heute in Malaysia plötzlich alles um die Frontflügel der Boliden von Michael Schumacher und Felipe Massa. Acht Teams haben deshalb sogar einen Protest angekündigt.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Frontflügel

Das obere Element des Ferrari-Flügels bog sich in Malaysia leicht nach unten

Offiziell ist freilich noch nichts, weil sich Vertreter von mehreren Teams in einem Meeting am Vormittag darauf verständigt haben, Ferrari aus Sicherheitsgründen nicht schon an diesem Wochenende dazu zu zwingen, einen neuen Frontflügel zu montieren, doch nach aktuellem Stand muss man davon ausgehen, dass die FIA dem Treiben der Italiener rechtzeitig vor dem nächsten Grand Prix in Australien einen Riegel vorschieben wird.#w1#

Fry hofft auf eine Klarstellung durch die FIA

"Die FIA wird die Situation klarstellen, bevor wir nach Melbourne fliegen", erklärte Honda-Teamchef Nick Fry in einem Statement nach dem Rennen. "Genau das brauchen wir. Wir haben Charlie (Whiting, Technischer Delegierter der FIA; Anm. d. Red.) gefragt, welche Interpretation denn nun korrekt sei. Es wäre unglücklich, sollte Ferraris Interpretation anerkannt werden, denn dann wären alle anderen Teams gezwungen, ähnliche Flügel zu entwickeln."

Dies sei keinesfalls wünschenswert, weil flexible aerodynamische Elemente aus Sicherheitsgründen an und für sich verboten sind. Allerdings scheint Ferrari einen Weg gefunden zu haben, die strengen Messmethoden der FIA geschickt zu umgehen. Sprich: Der Frontflügel des 248 F1 entspricht zwar theoretisch dem Wortlaut des Reglements, aber nicht dem eigentlichen Geist, den die FIA im Sinn hatte, als sie den entsprechenden Passus vor einigen Jahren formulierte.

Dabei wisse man "schon seit sechs Monaten" von Ferraris Frontflügel, "aber die Situation ist sehr schwierig. Es ist nicht einfach für die FIA, so etwas zu messen. Unser Glück war, dass uns das deutsche Fernsehen an diesem Wochenende erstmals einen stichhaltigen Beweis lieferte", sprach Fry eine Detailaufnahme an, die am Samstag von 'Premiere' ausgestrahlt und anschließend von allen Teams genau analysiert wurde.

'Premiere' deckte die Frontflügelaffäre auf

Auf den Bildern war zu sehen, dass sich das obere Querelement von Ferraris Frontflügel auf den langen Geraden vom Berührungspunkt mit der Nase nach unten löste. Zunächst wurde dies für einen Montagefehler gehalten, inzwischen freilich glaubt man in der Boxengasse, dass sich die Roten aus Maranello so einen Vorteil verschaffen wollen. Bestätigt wurde diese These durch die überragenden Ferrari-Geschwindigkeiten an den schnellsten Messpunkten der Strecke.

Fry sieht daher die FIA unter Zugzwang, etwas zu unternehmen: "Jeder kann sich die Fernsehbilder ansehen und daraus seine eigenen Schlüsse ziehen. Dafür muss man kein Ingenieur sein", so der Brite, der außerdem enthüllte, dass zwei weitere Teams betroffen sein könnten: "Es gibt zwei weitere Verdachtsmomente, die ironischerweise zu den acht protestierenden Teams gehören. Wir gehen aber davon aus, dass sich dieses Thema bis Melbourne erledigen wird."

Nick Fry

Nick Fry glaubt, dass Ferraris Frontflügel das Reglement falsch interpretiert Zoom

Bei Ferrari reagierte man bisher nur abwinkend auf die Anschuldigungen der Konkurrenz, zumal noch kein offizieller Protest bei der FIA eingereicht wurde. Stand der Dinge ist momentan, dass acht Teams schriftlich angekündigt haben, protestieren zu wollen, doch falls vor dem nächsten Rennen Gewissheit vorhanden sein sollte, dass Ferrari den Flügel nicht mehr einsetzen wird, dann könnte auf ein tatsächliches Einreichen des Protests verzichtet werden.

Bei Ferrari ist man momentan völlig unbesorgt

Ferrari-Teamchef Jean Todt macht sich darüber aber momentan ohnehin keine Gedanken: "Ross (Brawn; Anm. d. Red.) stand in Kontakt mit der FIA. Sie sind der Meinung, dass unser Auto legal ist. Wenn sie wollen, dass wir handeln, dann werden wir das tun, aber wenn wir wirklich außerhalb des Reglements wären, dann würden wir wohl kaum über unser heutiges Resultat sprechen. Ich bin Teamchef, kein Techniker. Unser Technikteam wird einen Vorschlag machen", winkte der Franzose ab.

Wahrscheinlichstes Szenario ist also im Moment, dass sich die Situation von selbst erledigen wird, weil Ferrari angeblich dazu bereit ist, den umstrittenen Frontflügel freiwillig abzumontieren. Doch einige Fragen bleiben weiterhin offen: Was geschieht mit dem Heckflügel, der ja ebenfalls illegal sein soll, und wie geht es mit den zwei von Fry angesprochenen Teams weiter, die noch nicht bekannt sind? Das letzte Wort ist in der Flügelaffäre jedenfalls noch nicht gesprochen...