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Fernando Alonso wird zum Wirtschaftsfaktor
Wie Fernando Alonso Spanien vom Hocker reißt und warum sich seinetwegen nicht mehr nur Menschen, sondern auch Geldflüsse in Bewegung setzen
(Motorsport-Total.com) - Michael Schumachers Erfolge katapultierten Deutschland in den 90er Jahren zur Formel-1-Nation. Rund zehn Jahre später wiederholt sich das gleiche Schauspiel in Spanien, wo bisher Fußball und Motorrad den Ton angaben. Doch dank Fernando Alonso fährt die Formel 1 ganz vorne mit - und lässt die Kassen von Sponsoren, Veranstaltern und TV-Kanälen klingeln. Unsere Kollegen vom emagazine der 'Credit Suisse' gingen diesem Phänomen nach.

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Dieser Mann bewegt Millionen - in erster Linie Fans, in zweiter Linie Euro...
Sevilla und Barcelona - diese beiden Orte standen in den letzten Wochen vor allem für die Triumphe der spanischen Kicker im europäischen Fußball. Die Metropolen Andalusiens und Kataloniens vermeldeten aber auch Rekordkulissen, von denen selbst die stolzen Fußballklubs nur träumen können. Die Formel 1 - besser gesagt: Fernando Alonso - lockte beim Grand Prix von Spanien vor den Toren Barcelonas an drei Tagen 341.000 Besucher an. Eine Woche später fanden sich 280.000 Fans am Ufer des Quadalquivirs in Sevilla ein, um eine Demonstrationsrunde des Renault-Stars zu bewundern. Verkehrschaos lässt sich im Spanischen seither in sechs Buchstaben ausdrücken: A-l-o-n-s-o.#w1#
Formel-1-Zugpferde für eine ganze Nation
Der Erfolg des Einzelnen zieht im Motorsport nicht nur ein Team mit, sondern meist eine ganze Nation. Am eindrucksvollsten wirkt das in Ländern, die abseits der klassischen Nationen (Frankreich, England, Italien) noch nie - oder zumindest sehr lange nicht - mit Autorennen in Verbindung gebracht wurden. Deutschland erlebte das mit Michael Schumacher. Die "Alonsomania" von heute wirkt wie eine Blaupause der "Schumi"-Hysterie in den 90ern. In Kanada ist Ähnliches zu vermelden: Jacques Villeneuve ruft die gleichen Begeisterungsstürme und eine ähnliche Magnetwirkung hervor wie einst sein Vater Gilles. Kein Wunder, gehört der Grand Prix in Montréal doch zu den Rennen, die in der Regel Monate vorher ausverkauft sind und dem Tourismus der Region zu immer neuen Rekordeinnahmen verhelfen.
Wo dagegen ein solches Zugpferd fehlt, tun sich die Veranstalter schwer. Der bevorstehende Grand Prix von Monaco ist hier wohl einmal mehr die Ausnahme: Die Zahlen stimmen, obwohl weder ein Monegasse noch ein Franzose an der Spitze mitfahren. Richtig zu Hause in der Steueroase ist eigentlich nur David Coulthard, der am Hafen von Fontvieille das 'Columbus-Hotel' betreibt.
Der einfachste Indikator für einen Boom sind neben der wachsenden Zahl der fliegenden Souvenirhändler die Anzahl der WC-Anlagen an der Rennstrecke. Es war den Veranstaltern des Grand Prix von Spanien ein Bedürfnis, deren inflationäre Verbreitung rund um den Kurs schon im Winter zu vermelden. Ebenso die Tatsache, dass ein Wassertank für 600.000 Liter dafür sorgt, dass am Rennwochenende alles im Fluss bleibt. Zwei zusätzliche Tribünen schufen Platz für 12.000 zusätzliche Zuschauer. Der Rekordbesuch des Vorjahres (115.000 Fans am Rennsonntag), als ebenfalls kurzfristig das Fassungsvermögen um 10.000 Sitzplätze erhöht worden war, wurde dementsprechend getoppt - über 130.000 Zuschauer erlebten den Heimsieg beim 50. Gran Premio de España mit.
Die Gigantomanie ist trotzdem nicht ausgebrochen im Norden von Barcelona. Die Katalanen reagieren relativ besonnen auf die explosionsartige Steigerung des öffentlichen Interesses. Anders als in Hockenheim, wo Kommune und Land nun auf Millionenschulden wegen zu groß und zu teuer dimensionierter Tribünenbauwerke sitzen, sind bis auf die große Haupttribüne die meisten Sitzplätze nur temporär angelegt. Zu gut sind die mageren Jahre noch in Erinnerung. Im Industriegebiet von Montmeló wird zwar seit 1991 der spanische WM-Lauf ausgetragen, doch meist war auf der Lieblingsteststrecke der Formel 1 bei den Probefahrten im Winter mehr los als beim Rennen, woran auch ein Pedro de la Rosa oder ein Marc Gené nichts ändern konnten. Die Massen lassen sich nicht von Mitfahrern faszinieren. Der Nationalstolz lässt sich erst von der Spitze aus entfachen.
'Telefónica' setzte auf das richtige Pferd
Das richtige Näschen hat der Telekommunikationskonzern 'Telefónica' bewiesen, der schon Anfang des neuen Millenniums auf den jungen Fernando Alonso setzte, als der noch beim Hinterbänklerteam Minardi seine Runden drehte. Das beschert dem Multimediaunternehmen heute einen durch reine Werbekampagnen kaum zu erreichenden Glaubwürdigkeits- und Werbewert. 'Telefónica' ist - beinahe unvermeidlich - inzwischen auch der Hauptsponsor des Grand Prix von Spanien, und geht im kommenden Jahr auf Kollisionskurs, wenn Konkurrent 'Vodafone' der Hauptgeldgeber vom McLaren-Mercedes-Team wird - dem Team also, bei dem Alonso ab nächster Saison unter Vertrag steht. Wenigstens in diesem Jahr konnte der spanische Telekommunikationsriese sein Heimrennen noch in vollen Zügen genießen.

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Alle wollen Fernando Alonso sehen: Formel-1-verrückte Spanier in Barcelona Zoom
Der Grand Prix von Spanien geriet bereits ab Donnerstag zu einem Volksfest. Selbst an dem Tag, an dem die Rennställe ihre Boxen noch beziehen, pilgern schon 32.000 Fans an die Rennstrecke. Und als die Mechaniker des Renault-Teams Plastikkugelschreiber in Teamfarben in die wartende Menge warfen, entstand beinahe eine Massenpanik.
Während 'Telefónica' das Maximum aus der "Alonshow" holt, scheint die Renault-Kampagne nicht auf der höchsten Drehzahl zu laufen. Alonsos Arbeitgeber und der jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte haben, gerade was die Werbewirksamkeit angeht, ein ungewöhnliches, beinahe gespaltenes Verhältnis - nicht nur, weil der Spanier zum Jahresende zu McLaren-Mercedes wechseln wird. Dabei schien doch alles so perfekt zusammenzupassen: Das helle Blau der abgelegenen Provinz Asturien, aus welcher der 24-Jährige stammt, ist zufällig mit der Signalfarbe der französischen Truppe identisch.
Renault vermarktete den WM-Titel eher schleppend
Dennoch ließ die Champions-Werbekampagne des Autoherstellers im vergangenen Herbst ungewöhnlich lange auf sich warten. Das Management Alonsos, hinter dem Renault-Teamchef Flavio Briatore steht, hatte auf die fest geschriebenen Persönlichkeitsrechte des Campeóns gepocht. Auch Briatore, einst ein sportlicher Ziehvater von Michael Schumacher, hatte rechtzeitig auf das richtige Pferd gesetzt. So ist nun in allen wichtigen strategischen Einkaufszentren Spaniens - Flughäfen und Badeorte eingeschlossen - eine Fernando-Alonso-Kollektion präsent. Übliche Fan-Utensilien zwar, aber mit eigenem Logo - und schillerndem Echtheitszertifikat. Auf diese Art war schon "Schumi" zum Multimillionär geworden.
Manchmal befruchtet sich der Erfolg selbst, wie mit den für die Sponsoren und die breite Öffentlichkeit zur Glaubensfrage hoch stilisierten Einschaltquoten. Das diesbezügliche Rechenbeispiel ist so einfach wie eindrucksvoll: Vor drei Jahren saßen 500.000 Iberer bei den Formel-1-Übertragungen vor dem Fernseher, heute sind es zehn bis 15 Millionen. Und das in einer Nation, deren automobile Neigungen bisher eher im Straßenverkehr, und in unmittelbarer Folge dessen bei den Zweirad- oder Rallyeartisten ausgelebt wurden. Aus dem fernen Oviedo, wo sich selbst Alonsos Großmutter zu einer Art Star entwickelt hat, reisten 35 Fanbusse nach Barcelona an - und erlebten den ersten einheimischen Grand-Prix-Sieger seit Carlo de Salamanca im Jahre 1913.
Derweil versteckt sich der derart Verehrte bei öffentlichen Auftritten am liebsten hinter seiner Schüchternheit, was den Junggesellen automatisch zum Mädchenschwarm befördert. Doch auch Alonso dämmert es, dass Rennfahren mehr ist als ein bloßer Job, wie seine jüngsten Aussagen vermuten lassen: "Im Vorjahr wollte ich unbedingt Weltmeister werden, welche Rennen ich dafür gewann, war mir eigentlich egal. Diesmal wollte ich unbedingt in Barcelona gewinnen. Und die 66 Runden haben nicht ausgereicht, um meine Gefühle auszukosten." Solche Sätze potenzieren neben dem anhaltenden sportlichen Erfolg des WM-Tabellenführers den Ausnahmestatus eines Sportlers. Kein Wunder, hat man ihm hinter der Haupttribüne in Barcelona bereits eine Ehrentafel gewidmet - neben Schumacher und Fangio.
Vorerst ist der gesamte wirtschaftliche Einfluss von Alonsos Triumphfahrten noch nicht seriös abzuschätzen, die Sogwirkung allerdings schon. Die Betreiber der Rennstrecke von Valencia haben sich offiziell um die Ausrichtung eines Grand Prix von Europa beworben, den - seit Beginn der "Schumimania" - die Deutschen als zweites Formel-1-Rennen im Land ausrichten dürfen. Wechselwirkungen des Erfolges nennt man das wohl...

