• 08.02.2012 15:44

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Fernandes: Talent und Geld als Akt der Balance

Fahrtalent und Sponsorenmitgift gehen bei einigen Piloten Hand in Hand, findet Caterham-Teamchef Tony Fernandes - Eine Chance für Witali Petrow?

(Motorsport-Total.com) - Was ist eigentlich ein "Bezahlfahrer" und wäre Witali Petrow ein ebensolcher, würde ihm Caterham den Vorzug gegenüber Jarno Trulli geben? Mit dieser schwierigen Frage setzt sich dieser Tage vor allem Tony Fernandes auseinander. Der Teamchef des Caterham-Rennstalls muss nämlich bald eine wichtige Entscheidung treffen: Trulli behalten oder Petrow und dessen Sponsoren an Bord holen?

Titel-Bild zur News: Tony Fernandes

Tony Fernandes stellt Überlegungen zum Thema "Bezahlfahrer" in der Formel 1 an

Obwohl die Formel-1-Wintertests bereits ihren Lauf genommen haben, scheinen die Würfel bei Caterham noch nicht endgültig gefallen zu sein. Trulli wird erst am vierten und letzten Testtag in dieser Woche zum Einsatz kommen, sofern nicht kurzfristig noch einige Unterschriften geleistet werden. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' fehlen Petrow lediglich noch ein paar Bankgarantien.

Der Russe weiß wohl unter anderem den Automobilkonzern Lada hinter sich, aber bislang hat das Unternehmen aus Petrows Heimatland noch nicht alle Gelder überwiesen. Erst die Hälfte der rund zwölf Millionen Euro für das zweite Caterham-Cockpit sind bei Fernandes eingetroffen - und dieser braucht eine Sicherheit, dass auch die restlichen Beträge bald bei seinem Team landen werden.

Bezahlfahrer sind keine neue Erscheinung...

Können Petrow und seine Managerin Oksana Kossatschenko die notwendigen Bankgarantien vorlegen, dürfte alles ganz schnell gehen. Vielleicht sitzt Petrow sogar schon am Freitag statt Trulli im CT01. Fest steht aber wohl: Sollte dem russischen Rennfahrer dieser Coup in letzter Sekunde noch gelingen, der Aufschrei wäre womöglich groß und der Begriff "Bezahlfahrer" würde oft genutzt werden.

Möglicherweise versucht Teamchef Fernandes aufgrund einer solchen Konstellation den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Gegenüber 'F1newsandreview.blogspot.com' betont der Malaysier, dass Bezahlfahrer in der Formel 1 schließlich nichts Neues wären. "Von Anfang an gab es in der Formel 1 einige Piloten, die einzig aufgrund ihres Talents eingestellt wurden", meint Fernandes.

"Heute gibt es keinen sogenannten Bezahlfahrer, der nicht auch sehr talentiert wäre." Tony Fernandes

"Andere Piloten hatten hingegen eine vermögende Familie, ein Unternehmen hinter sich oder einfach sehr, sehr gute Freunde. Heute gibt es keinen sogenannten Bezahlfahrer, der nicht auch sehr talentiert wäre. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das auch vor 50 Jahren der Fall war", erläutert der Caterham-Teamchef. Er selbst halte die Verwendung des Begriffs "Bezahlfahrer" für "unfair".

Caterham setzt auf schnelle Fahrer

"Alle Piloten in der Startaufstellung sind mittlerweile unheimlich fit, sehr engagiert und auch brillante Rennfahrer. Manche verfügen eben über eine gewisse Unterstützung. Manche hatten vielleicht etwas Glück, was bei anderen zu Beginn der Karriere vielleicht nicht so war", sagt Fernandes. Eines sei diesen Piloten gemein: "Ihr Talent ist dem von uns Normalsterblichen um Lichtjahre voraus."

Und was heißt all dies für ein Team, das vielleicht bald einen Stammfahrer hat, der rund zwölf Millionen Euro in die Kriegskasse des Rennstalls einzahlt? Fernandes winkt ab und schildert die Situation bei der Fahrerwahl aus einem anderen Blickwinkel: "Wir wollten schon immer die beiden besten Fahrer haben, die wir finden konnten - unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund."

Witali Petrow

Sind die Garantien schon da? Witali Petrow hofft auf spendable Gönner... Zoom

Mit dieser Strategie sei Caterham (bisher: Lotus) in den beiden ersten Formel-1-Saisons sehr gut gefahren. "Heikki und Jarno zahlten dieses Investment auf einfache Art und Weise zurück: Sie brachten unsere Fahrzeuge auf den zehnten Platz in der Gesamtwertung. Das bescherte uns einige finanzielle Vorzüge", meint Fernandes. Darauf komme es seinem Rennstall auch in Zukunft an.

"Ohne Moos nix los" - auch in der Formel 1

"Keiner unserer Fahrer wird sich auf absehbare Zeit in einer Position befinden, um Weltmeister zu werden. Uns geht es daher darum, in der Konstrukteurstabelle nach vorne zu gelangen. Deshalb wollen wir die besten Fahrtalente anstellen. Das muss aber mit den finanziellen Ressourcen balanciert werden", erläutert der malaysische Geschäftsmann. Kommt dabei etwa ein Bezahlfahrer ins Spiel?

Fernandes findet eine andere Formulierung: "Auf dem aktuellen Fahrermarkt gibt es Leute, die sowohl das Talent als auch die finanzielle Rückendeckung haben. Würden wir dergleichen nicht in Betracht ziehen, dann würden wir unser Geschäft nicht gut führen. Und ohne einen guten Businessplan würde der Sport versagen", meint der Teamchef. Es handle sich also um einen Deal mit Vorzügen für alle.

"Auf dem aktuellen Fahrermarkt gibt es Leute, die sowohl das Talent als auch die finanzielle Rückendeckung haben." Tony Fernandes

Deshalb hält Fernandes den "Bezahlfahrer des 21. Jahrhunderts" für "eine gute Sache" für ein Formel-1-Team. "Ein solcher Pilot bringt zum einen Talent, zum anderen aber auch ein gewisses Einkommen an den Start. Und dieses würde sonst nicht existieren", betont Fernandes. Petrow würde perfekt in dieses Schema passen. Laut Fernandes wäre er aber eher Businesspartner als Bezahlfahrer...