Exklusiv: Minardi-Boss Paul Stoddart im Interview

Im Gespräch mit 'F1Total.com' verriet Minardi-Teamchef Paul Stoddart einige bisher nicht bekannte Facts und Hintergründe

(Motorsport-Total.com) - Für ein Interview mit Minardi-Teamchef Paul Stoddart hätte es kein besseres Timing geben können: Erst die Einigung mit Bridgestone, dann das Gerede um den "Fighting Fund", schließlich das Rollout des PS03 in Fiorano. 'F1Total.com'-Chefredakteur Christian Nimmervoll unterhielt sich daher gestern Nachmittag mit dem Australier über all diese Themen und mehr.

Titel-Bild zur News: Paul Stoddart

Ehrgeizige Ziele: Stoddart strebt mit Minardi Platz sieben an

Frage: "Paul, gestern fand das Rollout des neuen Autos statt. Wie ist es gelaufen?"
Paul Stoddart: "Sehr gut. Wir hatten kleinere elektronische Probleme am Morgen, die wir aussortieren konnten. Jos hat dann am Nachmittag mehr als 30 Runden abgespult und jetzt gerade fährt Justin."

Frage: "Gibt es eine Möglichkeit, die Rundenzeiten schon jetzt mit dem Vorjahr zu vergleichen?"
Stoddart: "Kaum, weil wir das 2002er-Auto letztes Jahr nicht in Fiorano getestet haben. Es gab damals eine Auflage von Asiatech, die uns das verboten hat."

Frage: Es gibt Gerüchte über ein Zahlungsultimatum von Cosworth und darüber, dass für Dein Team nur die Überseerennen gesichert sind. Ist das so richtig?"
Stoddart: "Das stimmt nicht. Die Sache war gegessen, als wir unsere Zahlungen überwiesen haben. Der Journalist, der mich damals danach gefragt hat, wollte wissen, ob ich die Motoren für das ganze Jahr schon bezahlt habe. Darauf habe ich nein gesagt. Wir haben nur für die ersten vier Rennen bezahlt. Niemand bezahlt seine Motoren im Voraus für das ganze Jahr."

Kein Geld an Cosworth bis 15. April

Frage: "Das ist also eigentlich kein Thema?"
Stoddart: "Überhaupt nicht. Ich wurde da total missverstanden. Es stimmt, wir haben nur für die ersten vier Rennen bezahlt, aber es ist auch gar nicht anders vorgesehen. Bernie (Ecclestone; Anmkg. d. Red.) überweist seine TV-Gelder auch nicht im Voraus, sondern in vier Raten, je eine pro Quartal. Mit meinen Motorenzahlungen verhält es sich nicht anders. Bis zum 15. April muss ich Cosworth kein Geld überweisen.

Frage: "Siehst Du Probleme auf Dich zukommen, wenn diese Raten dann fällig werden?"
Stoddart: "Nein. Bernie zahlt mich und ich zahle Cosworth. Das ist ganz einfach."

Frage: "Sprechen wir über den 'Fighting Fund', von dem so viel geschrieben wird. Wer zahlt ein, wer profitiert und stimmt die geschätzte Summe von 30 Millionen Dollar?"
Stoddart: "Es gab am 15. Januar ein Meeting mit allen Teamchefs, Bernie und Max (Mosley; Anmkg. d. Red.). Bei diesem Meeting wurde von allen Teams beschlossen, dass es einen 'Fighting Fund' geben soll, in den andere Teams, hauptsächlich nämlich die der Hersteller, und Bernie einzahlen, um Jordan und Minardi zu helfen. Bis jetzt ist diese Übereinkunft noch nicht fertiggestellt und wir haben auch noch kein Geld gesehen. Nächsten Donnerstag gibt es ein weiteres Meeting der Teamchefs und dann wird es hoffentlich endgültig beschlossen, auch wenn ich keinen Einfluss darauf nehmen kann. Eddie Jordan hofft darauf genau wie ich, aber es hängt nicht von Jordan und Minardi ab, wie es in dieser Angelegenheit weitergeht. Das ist ein Ding der Hersteller gemeinsam mit Bernie. Sie müssen entscheiden, wie viel, wann, wer es bekommt und wie viel eingezahlt werden muss. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das aber noch kein gemachtes Geschäft."

"Wir stehen über beziehungstechnischen Reibereien drüber"

Frage: "Es gibt bis jetzt also nur die Entscheidung, dass geholfen werden soll, aber noch nicht wie und wann, richtig?"
Stoddart: "Absolut korrekt. Es gibt die Entscheidung, Jordan und Minardi zu helfen, aber wie und wann, das muss noch aussortiert werden."

Frage: "Du hast diese Woche den Bridgestone-Vertrag unterschrieben. Ist nach dem nervenaufreibenden Hick-Hack nicht die Stimmung vergiftet?"
Stoddart: "Nein, denn ich muss sagen, dass sowohl Bridgestone als auch Minardi sehr professionell sind und wir stehen über solchen beziehungstechnischen Reibereien drüber. Die Beziehung ist im Gegenteil sogar sehr positiv. Ich habe Herrn Yasukawa erstmals am Sonntag getroffen und ich glaube, dass er ein Mann ist, mit dem ich arbeiten kann. Wir kommen sehr gut miteinander aus. Ich freue mich darauf, dieses Jahr mit Bridgestone zu kooperieren."

Frage: "Tom Walkinshaw hat mit all seinen Firmen ernsthafte Probleme, musste Konkurs anmelden. Ihr seid nie gute Freunde gewesen. Spürst Du jetzt vielleicht ein bisschen Genugtuung?"
Stoddart: "Überhaupt nicht. Trotz meiner Differenzen mit Tom in all den Jahren würde ich niemandem das wünschen, was er gerade durchmachen muss. Nach meinem Verständnis kümmern sich schon die Zwangsverwalter um seine Firmen und ich wünsche ihm das ehrlich nicht. Im Gegenteil, es tut mir für die vielen Angestellten, von denen ich viele persönlich kenne, sehr leid, und der größte Verlust an der ganzen Geschichte ist der Verlust des Arrows-Teams. Jetzt ist das nächste Formel-1-Team weg. Wir müssen sicherstellen, dass nicht noch eines von der Bildfläche verschwindet."

Stoddart befürwortet Maßnahmen durch die FIA

Frage: "Die Situation ist momentan sehr schwierig, aber siehst Du Hoffnung, dass es sich mit dem neuen Reglement oder einer sich erholenden Wirtschaft bald bessern könnte?"
Stoddart: "Zuerst einmal möchte ich sagen, dass die Teams letzten Oktober ein paar couragierte Maßnahmen beschlossen haben, zum Beispiel das neue Format der Qualifikation oder die Zusatztests am Freitagmorgen, die ich persönlich für unglaublich aufregend halte, weil es Geld spart. Außerdem folgten weitere schwerwiegende Reformbeschlüsse am 15. Januar, beim Meeting, das von Max Mosley einberufen wurde. Fairerweise muss man dazu sagen, dass nicht alle Teams die Vorschläge dieses Meetings unterstützen. McLaren und Williams werden dagegen wohl vorgehen. Ich finde aber, dass wir Rahmenbedingungen geschaffen haben, durch die sich die Formel 1 weiterentwickeln und der tolle Sport bleiben kann, der sie ist. Damit meine ich auch die Mischung aus Herstellern und Privatteams. Max' Vorschläge erscheinen vielleicht ziemlich radikal oder der technischen Herausforderung unzuträglich, aber das sehe ich anders. Ich finde, Max hat sich da ein sehr gutes und ausgewogenes Reglement ausgedacht. Außerdem verstehen viele nicht, dass im Prinzip nur das bestehende Reglement angepasst wurde. Damit hat Max zwei Dinge erreicht: Erstens ein viel umkämpfteres Starterfeld, dank dem wir ein paar fantastische Qualifyings und Rennen sehen werden. Vielleicht nur ein- oder zweimal, aber es wird sicher wirklich aufregende Wochenende geben. Zweitens hat er es geschafft, dass die kleinen Teams an den Grand-Prix-Wochenenden, wo es ja drauf ankommt, mit den hochbudgetierten Teams halbwegs mithalten können. Das ist meiner Meinung nach nicht schlecht. Ich glaube auch nicht, dass die großen Teams darunter leiden werden. Sie haben riesige Ressourcen und werden Wege finden, um innerhalb der Regeln mit der Technik das Limit zu erreichen. Das war schon immer so und ich glaube, es ist eine gute Sache für den Sport."

Frage: "Was sind Deine Ziele mit European-Minardi bei so vielen Herstellern, die für eine starke Konkurrenz sorgen?"
Stoddart: "Naja, ich denke, man sollte sich anschauen, was Max erreicht hat. Er hat die bestehenden Regeln sofort angepasst und noch bessere für 2004, 2005 und 2006 vorgeschlagen. Das wird den kleinen Teams mit einem kleinen Budget ermöglichen, ernsthafter gegen die Hersteller anzutreten. Das wird vielleicht am Ausgang der Weltmeisterschaft nichts ändern, denn ich habe keinen Zweifel daran, dass Michael Schumacher den Fahrertitel holt und Ferrari den Konstrukteurstitel, aber der Weg dahin wird aufregender sein, weil die kleinen Teams eventuell konkurrenzfähiger sein können. Gelegentlich werden wir ein paar der Werksteams herausfordern."

Sechs bis zehn Punkte als großes Saisonziel

Frage: "Kannst Du Deine Ziele noch einmal konkretisieren?"
Stoddart: "Ich wünsche mir für unser drittes Jahr, dass wir eine regelmäßig im Mittelfeld anzutreffende Kraft in Qualifying und Rennen werden. Ich würde gerne sechs bis zehn Punkte sammeln, was etwas einfacher werden dürfte als früher, weil es jetzt für die ersten acht Piloten Punkte gibt, und ich würde gerne den siebenten oder achten Platz in der Konstrukteursweltmeisterschaft holen. Platz sieben wird wohl schwer zu machen sein, aber Platz acht ist realistisch, wenn wir ein gutes Team haben."

Frage: "Der Cosworth-Motor ist eine Steigerung gegenüber Asiatech im Vorjahr, aber wie groß ist der Sprung tatsächlich?"
Stoddart: "Massiv. Wir reden hier über einen Motor, der 20 Kilogramm leichter ist als der Asiatech, der mehr als 2.000 Touren höher dreht und ungefähr 70 PS mehr leistet."

Frage: "Es handelt sich dabei um den Motor, den letztes Jahr Jaguar verwendet hat."
Stoddart: "Das ist korrekt."

Frage: "Die neue Motorenregel ab 2004 sollte zu Deinen Gunsten funktionieren, weil dann logischerweise keine Vorjahresmotoren mehr an Kundenteams verkauft werden können."
Stoddart: "Absolut. Das bedeutet, dass nächstes Jahr alle Teams wahrscheinlich mit einem Motor der selben Entwicklungsstufe beginnen werden wie das Werksteam des Motorenpartners. In anderen Worten wird es keinen A- oder B-Motor mehr geben. Anzunehmen ist aber, dass die Werksteams dann im Laufe der Saison diverse Ausbaustufen bekommen, die Kundenteams hingegen nicht. Dadurch werden wir das Jahr mit ähnlichen Voraussetzungen beginnen wie unser Werksteam und ich rechne damit, dass der erste Abschnitt der Saison 2004 aus diesem Grund extrem spannend wird."

Alex Yoong noch mit Chancen auf Testvertrag

Frage: "Von Alex Yoong war lange nichts mehr zu hören. Wird er weiter in irgendeiner Form mit dem Team zusammenarbeiten und was wird aus den Sponsorenverträgen, die er an Land gezogen hat?"
Stoddart: "Im Moment ist die Situation so, dass wir ihm eine Rolle als Testfahrer angeboten haben, die aber an ein Sponsoring gebunden ist. Dieser Deal ist noch nicht fix. Ich glaube aber, dass wir etwas für ihn finden werden, denn er ist ein Kerl, mit dem ich persönlich sehr gut auskomme. Außerdem finde ich, dass er letztes Jahr als viel stärkerer Fahrer zurückgekommen ist, nachdem wir ihn zwei Rennen aussetzen haben lassen. Er war viel wettbewerbsfähiger und ich glaube, ein Jahr als Testfahrer würde ihm gut tun."

Frage: "Wenn also die entsprechende Firma zahlt, bekommt Alex einen Testvertrag."
Stoddart: "Ja. Er muss uns einen Sponsor bringen, um testen zu können, aber wenn es klappen sollte, wären wir absolut stolz, ihn wieder im Team zu haben."

Stoddart tippt: Schumacher wieder Weltmeister

Frage: "Weißt Du schon, wer das dritte Auto am Freitagmorgen in Australien fahren wird?"
Stoddart: "Noch nicht. Im Augenblick verhandeln wir mit drei Fahrern. Einer davon ist Christijan Albers, einer ist Alex Yoong und den dritten Kandidaten kann ich leider nicht preisgeben. Wir hoffen, in den nächsten zehn Tagen einen dieser Fahrer unter Vertrag zu nehmen. Daher kann ich die Frage, wer das dritte Auto in Melbourne fahren wird, jetzt noch nicht beantworten."

Frage: "Abschließend würden wir noch gerne erfahren, wie Du das Kräfteverhältnis in der kommenden Saison einschätzt..."
Stoddart: "Ich glaube, dass Michael und Ferrari wieder beide Titel holen werden. Barrichello ist schwer einzuschätzen. Ich glaube, um Platz zwei werden sich drei Fahrer raufen, nämlich Montoya, Rubens und wahrscheinlich einer der McLarens. Ich schätze David etwas stärker ein als Räikkönen. Wenn ich Geld setzen müsste, würde ich auf Michael als Weltmeister tippen, Barrichello als Zweiten, Montoya als Dritten, Coulthard als Vierten, Ralf als Fünften. Der sechste Platz könnte eine Überraschung werden, vielleicht ein Renault. Von denen ist Alonso stärker."