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  • 22.02.2016 16:41

  • von Roman Wittemeier

Ecclestones Formel-1-Verriss: "Vermutlich was Strategisches"

Die harte Kritik von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone an der aktuellen Szene wundert Fahrer und Verantwortliche wenig: Wenn eine wichtige Sitzung ansteht...

(Motorsport-Total.com) - In einem Interview mit der britischen Boulevardzeitung 'Daily Mail', die mit einer gedruckten Auflage von rund zwei Millionen Exemplaren eine enorme Reichweite aufweist, hat Formel-1-Boss Bernie Ecclestone zum großen Rundumschlag ausgeholt. Der 85-jährige Promoter hämmerte mit einem "verbalen Vorschlaghammer" mit großer Wucht auf ausgerechnet jenes Produkt, das er erfolgreich vermarkten soll - ein Hilferuf zum entscheidenden Zeitpunkt.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Ecclestone hat seine harte Kritik an der Formel 1 nicht zufällig heute platziert Zoom

Die Formel 1 sei "so schlecht wie noch nie", polterte Ecclestone. Er würde niemals Geld ausgeben, um seiner Familie den Besuch eines Grand Prix zu ermöglichen. Im Fahrerlager von Barcelona, wo derzeit die ersten Formel-1-Testfahrten der Saison 2016 stattfinden (hier alles im Live-Ticker!), nimmt man die Äußerungen des Briten gelassen hin. "Die Sache mit Herrn Ecclestones Kommentaren ist so: Ich bin mir nie sicher, ob er es selbst glaubt", sagt Force-India-Betriebsleiter Otmar Szafnauer im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

"Vielleicht geht es darum, dass jede Publicity gute Publicity ist", meint Szafnauer, der allerdings auch die Schattenseiten erkennt. "Wir haben hier Leute, die neu im Sport sind, und die Geschäfte abschließen wollen", meint er. Es sei angesichts schwindender Sponsoren nicht angebracht, das Produkt schlecht zu reden. "Ich denke, dass der Sport noch immer attraktiv ist", so Szafnauer. "Ist er so attraktiv, wie er sein könnte? Ich bin mir sicher, dass es Dinge gibt, die wir noch verbessern könnten."

Stratege Ecclestone: Finger in Wunde soll Heilung bringen

Und genau um diese Ideen zur Verbesserung der Formel 1 geht es. "Es ist erst einmal überraschend. Man denkt nicht, dass jemand über sein eigenes Produkt so redet", schmunzelt Force-India-Pilot Nico Hülkenberg. Der amtierende Le-Mans-Sieger hat aber genau erkannt: "Da steckt wahrscheinlich etwas Strategisches dahinter." Exakt: Am morgigen Dienstag tagt die Strategiegruppe in Genf, anschließend die Formel-1-Kommission an gleicher Stelle. Es ist die letzte Chance auf umfassende Regeländerungen zur Saison 2017.

Weil solch tiefgreifenden Regelnovellen, die nach Wunsch von Ecclestone - und von anderen Verantwortlichen, aber eben nicht allen - schnellere und spektakulärere Fahrzeuge und Rennen bringen sollen, vor dem 1. März 2016 verabschiedet sein müssen (anschließend nur mit Einstimmigkeit möglich), hat der Formel-1-Promoter seine harte Kritik genau zu diesem Zeitpunkt über die britischen Medien gespielt. Ecclestone will die Szene unter Druck setzen, um seine Wünsche erfüllt zu bekommen.

"Morgen gibt es ein wichtiges Treffen der Formel-1-Strategiegruppe und anschließend trifft sich die Formel-1-Kommission in Genf. Wir haben alle das Ziel, den Sport besser zu machen", sagt McLaren-Teamchef Eric Boullier. Der Franzose zieht sich allerdings - trotz Mitspracherecht von McLaren in den Gremien - schnell aus der Verantwortung. "Wir müssen mit dem leben, was wir heute haben." Ein Satz, der das eigentliche Problem auf dem Weg zu breiteren, schnelleren Autos und eventuell veränderten Antrieben darstellt.


Test in Barcelona

Die Teams und deren Verantwortliche haben teils grundlegend unterschiedliche Interessen. Genau dies führt zu jener Situation, die Boullier am Rande der Testfahrten in Barcelona zum Ausdruck bringt: "Bernie ist der kommerzielle Vermarkter des Sports. Wenn die TV-Quoten sinken, dann ist das bedenklich. Aber das ist nicht unsere Sache. Wir müssen dafür sorgen, dass wir Autos bauen, die den Regeln entsprechen." Einerseits haben also "alle das Ziel, den Sport besser zu machen", aber die konsequente Beteiligung und Durchsetzung an der Einführung neuer Regeln, die genau dies ermöglichen, bleibt oftmals aus.