• 01.07.2005 19:56

Dupasquier: "Wir kannten das bisher nicht"

Michelins Motorsportdirektor über die Hintergründe der Reifenprobleme in Indianapolis und warum an eine Rennteilnahme nicht zu denken war

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie überprüft ihr die Reifen während eines Rennwochenendes?"
Pierre Dupasquier: "Sorgfältig (Gelächter im Saal; d. Red.). Es gibt viele Dinge zu tun, wenn man am Rennschauplatz ist, gerade mit dem A- und B-Typ der Reifen. Mehr Möglichkeiten haben wir nicht, und das passierte leider auch in Indianapolis. Zunächst überprüfen wir den Verschleiß beim ersten und beim zweiten Reifen. Dann wissen wir, wo wir stehen. Wir müssen unseren Teams Empfehlungen geben und sicherstellen, dass wir an den Reifen keine Schäden entdecken. Wenn dann etwas passiert, dann stecken wir in Problemen, dann wir können dann nicht mehr reagieren. Wenn man von einem A- und B-Reifen spricht, dann kann man nicht zwischen einem sicheren und unsicheren Reifen unterscheiden. Für uns ergibt das keinen Sinn."

Titel-Bild zur News: Pierre Dupasquier

Pierre Dupasquier: "Wir haben das Problem falsch eingeschätzt"

"Es ist nicht so, dass ein Ingenieur sagen würde: 'Kommt, machen wir einen Versuch. Mal sehen, ob es ein Fahrer wieder zurück an die Boxen schafft.' Darüber denkt niemand nach. Wenn wir etwas in die Hände eines Fahrers legen, dann ist es nach unserem Kenntnisstand absolut sicher, und wenn wir eine Konstruktion mitbringen, dann, weil wir ihr vertrauen. Alle Informationen beim Herstellungsprozess und auch bei der Zerstörung des Reifens mithilfe von Maschinen sagen uns, dass es sicher ist. Da gibt es keine Zweifel. Wenn es nur einen Zweifel gibt, dann machen wir es nicht. Das ist ganz einfach. Ein 'lasst es uns versuchen' gibt es nicht - nicht im Motorsport. Niemals."#w1#

Frage: "Aber warum bringt ihr dann einen Reifen mit, der nur zehn Runden übersteht, wenn das Rennen 73 Umläufe lang ist?"
Dupasquier: "Weil wir die Abschätzung der Belastung für die Flanke in Indianapolis vermasselt haben. Wir haben das Problem falsch eingeschätzt. Das ist eine sehr verzwickte Situation, es gibt nicht nur einen Faktor dabei. Es gibt die Querkräfte, das Differenzial übt Kräfte auf die Reifen aus, auch die Traktionskontrolle. Somit wird die linke Fahrzeugseite überlastet, speziell im Heck. Hinzu kommt die Überhöhung, und die Autos hüpfen aus aerodynamischen Gründen. All diese Faktoren haben wir falsch eingeschätzt und letztlich war die Belastung und für Konstruktion zu groß."

Frage: "Du sollst angeblich gesagt haben, dass Bridgestone zuvor wegen der neuen Oberfläche gewarnt wurde, aber Bridgestone sagt, es sei nicht anders als in den Vorjahren gewesen. Welche Warnung war da gemeint."
Dupasquier: "Ja, das gehörte zu den Dingen, die uns neu waren, aber nicht anders, wir haben das im April getestet. Wir wussten, dass der Belag neu war, das stimmt, aber Firestone (ein Schwesterunternehmen von Bridgestone; d. Red.) hatte zuvor schon die Möglichkeit darauf zu fahren. Aber das hatte nichts dem Formel-1-Grand-Prix zu tun, denn die Autos waren anders, die Geschwindigkeiten auch und ebenso der Abtrieb. Aber all diese Faktoren spielten irgendwie eine Rolle."

"Wir haben solch eine Situation nie zuvor erlebt"

Frage: "Also gab es keinen spezifischen Grund, den man hervorheben könnte?"
Dupasquier: "Wir kannten das bisher nicht - wir haben solch eine Situation nie zuvor erlebt. Wir haben die Bedingungen simuliert, sogar Maschinen umgebaut, die es auf dem Markt nicht gibt, um herauszufinden, was passiert ist. Wenn es nur einen Grund gibt, und dieser Grund wäre weg, wenn man langsamer fahren würde, dann ist es kein Problem. Aber wenn etwas passiert, denn steht wirklich alles auf dem Spiel."

Frage: "Michelin wird im Offroad-Bereich nun unter der Firma 'BF Goodridge' antreten. Macht ihr trotz des Imageschadens mit dieser Umbenennung weiter?"
Dupasquier: "Ich sehe da keine Verbindung zwischen den beiden Sachen. Wir haben gut Gründe dazu und eine lange Tradition im Offroad-Bereich, speziell in den USA. Und 'BF Goodridge' hat ein gutes Image. Michelin war in der Rallye über Jahre Weltmeister. Aber bei der Arbeit, die 'BF Goodridge' geleistet hat, erschien uns das angebracht."

Frage: "Gibt es schon Details, wie die Rückerstattung der Eintrittsgelder für die Fans in Indianapolis aussehen soll?"
Dupasquier: "Dazu gibt es noch keine Details. Michelin hat einfach gesagt, dass sie das tun wollen, denn wir sind der Ursprung des Übels. Wir empfinden es als höflich, uns damit zu entschuldigen und die Ticketpreise zurückzuzahlen. Dies liegt nun in Händen unserer Leute in den USA. Wir haben 30.000 Angestellte dort, sie regeln das für uns. Das ist auch eine kulturelle Frage, sie wissen, wie man sich da verhält und übernehmen diese Sache."

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