• 01.07.2005 18:53

Todt: "Wir stellen Sicherheit vor Performance"

Ferrari-Teamchef Jean Todt im Interview über die leidige Schikane in Indianapolis und die Philosophie, Sicherheit vor Performance zu stellen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Jean, es gibt immer noch Diskussionen über die Schikane, die in Indianapolis das Rennen aus Michelin-Sicht gerettet hätte. Kannst du dazu noch einmal die Position von Ferrari schildern?"
Jean Todt: "Bernie (Ecclestone; Anm. d. Red.) ist zu uns gekommen, als wir gerade unser Meeting vor dem Rennen mit den Fahrern und ein paar technischen Leuten, auch Ross Brawn, hatten. Wir hatten dieses Meeting in einem Raum, das zufälligerweise in der Nähe seines Büros war, und er fragte uns wegen der Schikane. Er bat aber nicht um unsere Zustimmung. Danach wurde ich gefragt, wie wir zu einer Schikane gestanden wären, und ich habe gesagt, dass wir dagegen gewesen wären."

Titel-Bild zur News: Jean Todt

Todt steht weiterhin hinter der Position, die er in Indianapolis bezogen hat

Frage: "Hätte es deiner Meinung nach einen Kompromiss geben können, um das Rennen zu retten?"
Todt: "Darüber wurde schon zu viel geredet. Das Problem ist inzwischen offensichtlich, denke ich. Einige Wettbewerber standen plötzlich vor unerwarteten Problemen und konnten keine Lösung dafür finden. Es wurde viel über die Schikane diskutiert, aber es gibt auch einige Argumente, die gegen eine Schikane gesprochen haben. Es war ja nicht nur Kurve 13 ein Problem für unsere Mitbewerber, sondern auch Kurve fünf, wie einige anscheinend oft überhören wollen. Sie hätten einfach andere Reifen verwenden sollen oder durch die Boxengasse fahren. Das wäre auch nur ein Kompromiss gewesen, aber die Schikane hätte andere Probleme aufgeworfen."#w1#

Aufständischer Barrichello ist jetzt wieder ruhig...

Frage: "Rubens Barrichello hat nach dem Rennen in Indianapolis gesagt, dass er mit der Situation unzufrieden war. Hast du darüber schon mit ihm gesprochen?"
Todt: "Ein Rennfahrer will natürlich - ungeachtet der Umstände - immer gewinnen, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass man über das Rennen in Indianapolis sprechen kann. Unsere Fahrer sind aber ein starkes Rennen gefahren. Das konnte man sehen, das war offensichtlich anhand der Rundenzeiten, die sehr stark waren. Sein Ziel war, das Rennen zu gewinnen. Er hat nicht gewonnen und war natürlich frustriert deswegen, aber die Temperatur hat sich seither abgekühlt und die Sache ist erledigt."

Frage: "Hast du die Situation beruhigt?"
Todt: "Nein. Ich musste da nichts beruhigen. Das hat sich von selbst beruhigt."

Frage: "Inwieweit hast du das Gefühl, dass Bridgestone dieses Jahr Performance zugunsten der Sicherheit opfert?"
Todt: "Ich möchte mich aus diesen Kontroversen heraushalten, denn Bridgestone und ich sagen schon seit Jahren - vor allem seit Saisonbeginn -, dass die Reifen niemanden interessieren, wenn man gewinnt. Wir haben in den vergangenen Jahren so oft gewonnen und wir haben immer gesagt, wie wichtig Bridgestone in diesem Zusammenhang war, denn ohne sie hätten wir nicht so viele Siege gefeiert. Dieses Jahr haben wir nicht gewonnen, also haben wir uns auf die Suche nach den Gründen gemacht. Natürlich sind wir dabei zum Teil auf die Reifen gestoßen. Seit letztem Jahr macht die Reifenregel den größten Unterschied aus, und es stimmt, dass Bridgestone und wir gemeinsam keinen ausreichend guten Job gemacht haben. Wir arbeiten sehr hart. Wir konnten die Situation in den letzten Rennen verbessern und hoffen, dass es weiterhin von Rennen zu Rennen besser wird."

Ferrari zog aus anfänglichen Reifenschäden Konsequenzen

"Gleichzeitig muss man sagen, dass Bridgestone und Ferrari gemeinsam entschieden haben, Sicherheit vor Performance zu stellen. Es ist uns dieses Jahr auch schon passiert, dass wir aufgeben mussten, weil wir ein Rennen nicht beendet hätten - mit Rubens in Bahrain, mit Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) in Barcelona. Daraus haben wir aber gelernt, und die Reifen, die wir an den Nürburgring mitnahmen, waren definitiv ein Kompromiss. Das waren nicht die schnellsten Reifen, aber wir wussten, dass wir damit das Rennen beenden können."

Frage: "Im Juli gibt es vier Grands Prix in fünf Wochen. Wie schwierig ist es für die Teams, mit so einer Situation umzugehen?"
Todt: "Es ist schwierig - nicht nur für das Team, sondern auch für die Partner, den Reifenhersteller, für alle. Es ist schon hart, zwei Rennen hintereinander zu haben, aber vier Rennen in fünf Wochen? Damit sind die Teams, die im Moment die besten Autos haben, definitiv im Vorteil, denn es gibt zwischen den Rennen kaum Zeit zum Reagieren."