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  • 24.11.2013 01:26

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Drei-Auto-Teams: Nur die Notlösung?

Nicht alle Teams mögen sich mit dem neuen Gedankenspiel anfreunden: Reduzierung auf acht Teams nur dann, wenn nichts anderes mehr geht

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 sucht nach wegen aus der anhaltenden Krise. Da viele Teams finanziell seit vielen Monaten am Krückstock gehen, müssen neue Lösungen her, um die Kosten in der Königsklasse in einen vertretbaren Rahmen zu bringen. Eine Budgetobergrenze ist wieder höher im Kurs, die Idee von einer Wiedereinführung der Kundenautos nicht beliebt und ein neuer Vorschlag noch nicht überall gesackt: acht Teams mit jeweils drei Autos in der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Toto Wolff, Monisha Kaltenborn, Cyril Abiteboul

Bei den Teamchefs der Formel 1 gibt es derzeit viel Gesprächsbedarf Zoom

"Aus meiner Sicht muss der Versuch, möglichst viele Teams im Sport zu halten, an erster Stelle stehen. Wir sollen möglichst das Starterfeld mit vielen Teams füllen, die jeweils zwei Fahrzeuge einsetzen", meint Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborb im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Wenn wir feststellen, dass es nicht möglich ist, dass kleine Teams wirtschaftlich gesund in unserem Sport existieren und konkurrenzfähig sein können - und diese Teams als Konsequenz auszuscheiden drohen -, dann ist ein solches Szenario überlegenswert."

"Wenn man eine geringere Anzahl Teams hat, dann könnte man sich die Variante mit drei Autos vorstellen", sagt die Österreicherin. Noch ist unklar, wie sich Bernie Ecclestone, der die neue, 8/3-Plan genannte, Variante ins Spiel gebracht hat, eine Umsetzung vorstellt. Eine Reduzierung auf acht Teams würde bedeuten, dass einige Rennställe von der Bildfläche verschwinden würden. Alternative: es bilden sich strategische Allianzen von jeweils zwei Teams, die möglicherweise sogar zur Fusion führen.

Strategische Zusammenarbeit bis zur Fusion

"Nein", sagt Kaltenborn auf die Frage, ob es bereits solche Gespräche mit anderen Teams gegeben habe. "Ich kenne nur einen solchen Fall, das ist der mit Marussia und Caterham." Im vergangenen Winter hatte es Diskussionen zwischen den beiden kleinen Teams über die Möglichkeit eines Zusammenschlusses gegeben. Letztlich kam man damals nicht zusammen und setzte die Engagements entsprechend unabhängig - aber finanziell ungesund - fort.

"Es ist kein Geheimnis, dass wir im vergangenen Jahr solche Diskussionen mit Marussia hatten. Es war der Wunsch, dass wir mal ganz unvoreingenommen schauen, in welcher Konstellation wir möglichst effizient die Formel 1 betreiben können. Das haben wir getan. Wir haben also mit Marussia gesprochen - ehrlich gesagt ging die Initiative aber mehr von denen aus", sagt Caterham-Teamchef Cyril Abiteboul auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'.

Cyril Abiteboul

Hat 2012 mit Marussia verhandelt: Caterham-Teamchef Cyril Abiteboul Zoom

"Ein solcher Plan erschien uns auf dem Papier als durchaus denkbare Lösung. Wir waren der Meinung, dass man so etwas mal etwas weiter unter die Lupe nehmen könnte", gibt der Franzose zu, dass eine solche Konstellation alles andere als abwegig ist. "Die Formel 1 könnte vor einigen Problemen stehen. Ich bin jemand, der diesen aufkommenden Problemen lieber rechtzeitig entgegenwirkt. Das gehört zu unserem Job. Wir müssen der Firma und den Teilhabern Alternativen darlegen können. Genau das haben wir getan."

Das Zittern in der Adventszeit

Ein Zusammenschluss mit Marussia würde bedeuten, dass Caterham viel Gewicht mit in die neue Ehe bringen könnte. Sollte sich das Team mit einem größeren Rennstall einigen, dann wäre Caterham höchstens der Juniorpartner - und somit mit dem Namen Caterham womöglich nicht mehr in der Formel vertreten. "Caterham ist mehr als nur das Formel-1-Team. Unsere Belegschaft könnte in anderen Bereichen arbeiten, wenn es nötig sein sollte. Aber nochmal zur Klarstellung: Priorität hat für uns der Wunsch, weiter Formel 1 zu machen", so Abiteboul, der allerdings gesteht, dass man sich die Zusammenarbeit mit anderen Teams - außer Marussia - durchaus vorstellen könnte.

"Wir haben bisher elf Teams und 22 Autos in der Formel 1. Ich sehe derzeit keine deutlichen Signale, die darauf hindeuten, das es im kommenden Jahr weniger sein werden", spielt Rob Fernley die Nöte in der Formel 1 etwas herunter. Der stellvertretende Force-India-Teamchef schließt ein 8/3-Szenario allerdings nicht kategorisch aus. Er mag nur die Diskussion nicht weiter anheizen, solange elf Teams in der Formel 1 eingeschrieben sind - und das ist bis heute der Fall.

"Die kritischste Zeit im Hinblick auf die Saison 2014 ist zwischen heute und Weihnachten", sagt Fernley. "Die Kostensteigerungen für die Antriebe 2014 und so weiter sind enorm. Wenn man erkennt, dass man das Geld nicht aufbringen kann, dann sieht man zu, dass man die drohenden Verluste noch vor Weihnachten abwendet. Wenn bis dorthin nichts passiert, dann denke ich, dass wir 2014 weiterhin mit elf Teams fahren werden."


Fotos: Großer Preis von Brasilien


Die Formel 1 muss sich jedoch mit einem Krisenszenario auseinandersetzen. Sauber und Lotus warten auf neue Geldgeber, die eine sichere Zukunft gewährleisten, andere Teams brauchen dringend Einnahmen durch Paydriver, um überleben zu können - die kranke Königsklasse. Man sucht nach der passenden Therapie für den Patienten Formel 1. Die Kundenauto-Kur steht dabei erheblich weniger hoch im Kurs als die Budget-Diät oder die neuartige 8/3-Pille.

Kundenautos sind völlig out

"Ich bin kein Freund von Kundenautos", sagt Cyril Abiteboul ganz klar. "Wenn es nur diese zwei Wege - Kundenautos oder 8/3-Plan - geben sollte, dann wäre die Variante mit drei Autos und acht Teams wohl besser. Ich hoffe aber, dass es andere Alternativen gibt, die etwas weniger radikal sind - also so, dass wir alle Teams im Geschäft halten können. Das sollte unser Ziel sein, und das steht für mich an erster Stelle." In diesem Punkt sind sich die meisten Teamchefs der Formel 1 einig.

Auch Kaltenborn sieht die 8/3-Lösung im Notfall als das geringere Übel an. "Absolut. Die Vielfalt bleibt erhalten. Außerdem würden wir die Möglichkeit bekommen, das dritte Auto in besonderer Form zu nutzen - zum Beispiel, um jungen Nachwuchspiloten eine Chance zu geben", so die Sauber-Teamchefin. "Im Sinne der Kostensenkung sind wir ganz klar für eine Budgetobergrenze", stellt sie noch einmal klar. Einem solchen Plan ist man wieder einen Schritt näher gekommen.

"Ich bin kein Freund von Kundenautos." Cyril Abiteboul

Am vergangenen Rennwochenende in Austin gab es offenbar konkrete Gespräche über eine Kostenobergrenze. Die Rede ist von 200 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 148 Millionen Euro), die ein Team pro Jahr maximal ausgeben darf. "Ich kann Zahlen nicht kommentieren. Ich kann nur sagen, dass wir immer schon Befürworter einer Budgetobergrenze waren. Das Problem ist aus meiner Sicht nicht, sich auf eine bestimmte Summe zu einigen. Ich denke eher, dass es viel schwieriger ist, dass alle einem solchen System überhaupt zustimmen", so Kaltenborn.

Budgetobergrenze in Austin diskutiert

"Ja, dieses Meeting gab es", spricht Fernley Klartext. "Wir würden es unterstützen. 200 Millionen sind immer noch viel, aber es wäre eine stufenweise Reduzierung festgeschrieben." Nach Informationen von 'Motorsport-Total.com' wurde ein Fünfjahres-Plan diskutiert, in welchem das Absenken der Obergrenze pro Jahr um weitere zehn Prozent festgeschrieben wäre. Die Maximalausgaben würden somit am Ende dieser Phase auf 118 Millionen US-Dollar gesunken sein (rund 87 Millionen Euro).

"Drei oder vier Teams würden von so etwas hart getroffen. Die würden vielleicht eine Weile brauchen, um deren Prozesse darauf anzupassen. Letztlich würden wir aber alle davon profitieren. Es muss für alle irgendwie machbar sein, man darf nicht einfach auf niedrigem Niveau die Sense ansetzen", sagt Fernley. "Dies erfordert die Zustimmung aller Teams, ist also daher nicht leicht durchzusetzen. Aber diese Möglichkeiten gibt es. Diese Themen müssen auf den Tagesordnungen ganz oben stehen", fordert Abiteboul.

Vijay Mallya

Kann sich Kostendeckelung in der Formel 1 vorstellen: Rob Fernley Zoom

Die großen Fragen, die sich um Zuge der möglichen Kostendeckelung hartnäckig halten, und die bis heute nicht beantwortet wurden, lauten: Wie wird kontrolliert? Welche Maßnahmen folgen bei einem Verstoß? Zumindest auf die eine Frage gibt es nun eine mögliche Antwort. Beim Meeting der Teamchefs in Austin war die Rede von einem Abzug von 50 Prozent der erzielten Punkte in der Konstrukteurs-WM, sollte ein Team die Obergrenze überschreiten.

Gleiche FOM-Ausschüttung für alle?

"Der Gedanke dahinter ist, dass es sportlich irgendwie Auswirkungen haben muss. Eine solche Strafe hätte womöglich im zweiten Schritt auch kommerzielle Auswirkungen. Aus meiner Sicht müssten bei Zuwiderhandlungen mindestens 50 Prozent der Punkte gestrichen werden, um Abschreckung zu erzielen", erklärt Fernley. Der britische Verantwortliche aus dem Team Force India macht Druck. Er will konkrete Vorgaben im Regelwerk der FIA verankert sehen - nicht auf eine vertrauensvolle Vereinbarung der Teams setzen.

"Wir müssen zusehen, dass wir erst einmal eine solches Szenario als Prinzip ins Regelwerk integrieren. Anpassen können wir es anschließend natürlich immer noch", sagt er. "Wir werden es nicht auf Anhieb perfekt formulieren können. Schlupflöcher gibt es immer, und die Formel 1 ist gut darin, diese Lücken zu finden. Aber es ist an der FIA, dann diese Schlupflöcher zu schließen. Es muss aber grundsätzlich erst einmal dort verankert sein."

Gleichzeitig müsse man sich Gedanken zu begleitenden Maßnahmen machen, meint Abiteboul. "Wir müssen eine faire Verteilung der Einnahmen gewährleisten, damit die Kosten in Grenzen bleiben. Es gibt da einen direkten Zusammenhang", so der Franzose. "Die Teams können nur dann viel ausgeben, wenn sie viel einnehmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die besten Teams allein schon über Sponsoren ohnehin weiter das meiste Geld hätten. Sportlicher Erfolg zieht Sponsoren am meisten an. So denke ich."