Politik oder Sicherheit? Man wartet, wartet und wartet...

Dass man aufgrund des Regens Q3 hinauszögerte, war im Sinne aller Beteiligter, doch wieder einmal wartete man zu lange: Bei Williams glaubt man an Politik

(Motorsport-Total.com) - Das ist eben die moderne Formel 1: Das ganze Jahr wartet der Fan auf Regen, um ein spannendes Qualifying oder Rennen zu sehen - und wenn der Regen dann beim letzten Saisonrennen eintrifft, dann beginnt das große Warten. Zwar fuhr man die ersten beiden Qualifying-Abschnitte in Sao Paulo ohne Probleme zu Ende, auf Q3 mussten die Fans allerdings 45 Minuten warten, weil der Regen zu stark geworden war.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Die Ampel am Ende der Boxengasse zeigte heute sehr lange rot... Zoom

Dass die Pause nötig war, da sind sich die meisten Beteiligten einig: "Ich denke, wenn zu viel Wasser auf der Strecke ist, wird es schwierig mit Aquaplaning", urteilt Williams-Chefingenieur Xevi Pujolar. "Es ist ein wenig gefährlich - besonders hier, wo die Mauern wie beim Bergaufstück sehr nahe stehen." Gerade auf traditionellen Strecken wie Interlagos verursachen Abflüge meistens einen Unfall, wie das Beispiel Sergio Perez heute bewiesen hat.

"Wenn zu viel Wasser für ein Auto vorhanden ist, dann können wir nicht einfach langsamer fahren - man kann unter den Bedingungen eigentlich gar nicht fahren", kann auch Perez' Teamkollege Jenson Button die Entscheidung nachvollziehen. "Man kann in einem Ford Fiesta schneller fahren - das ist das Problem. Wir können das Wasser nicht verdrängen und würden alle in Kurve eins abfliegen, wenn es da einen Bach geben würde."

45 Minuten Pause nötig?

Okay, dass es eine Unterbrechung gibt, daran haben sich die Protagonisten in der modernen Formel 1 gewöhnt. Was mit diesen Autos nicht geht, das geht eben nicht. Doch dafür geriet wieder ein anderes Problem in den Blickpunkt: "Man hat zu lange gewartet", bringt es Pujolar auf den Punkt. 45 Minuten mussten Fahrer und Fans warten, bis die Ampel vor Q3 wieder auf grün sprang. Dann gab Rennleiter Charlie Whiting die Session wieder frei.


Fotos: Großer Preis von Brasilien, Samstag


"Es hat lange gedauert, aber als ich herausgefahren bin, war ich überrascht, wie viel Wasser verschwunden war", beschreibt Vettel seine ersten Eindrücke. "Ich bin gleich auf die Intermediates gegangen und konnte sofort eine sehr, sehr gute Runde drehen." Hat man also wieder zu lange gewartet? Das Problem gab es in der Vergangenheit schon häufiger. Bei Regenunterbrechungen wartete man so lange, bis die Fahrer wieder Intermediates aufziehen konnten.

Das beste Beispiel ist der Grand Prix von Malaysia 2012: Nach der unnötig langen Regenpause fuhren viele Autos schon beim Neustart hinter dem Safety-Car an die Box um ihre Regenreifen gegen Intermediates einzutauschen. Auch heute gingen alle Fahrer nach einer Probefahrt sofort auf die Pneus für Mischbedingungen. Williams' Pujolar sieht dahinter wieder einmal eine politische Entscheidung.

Ärger bei den Kleinen, Verständnis bei den Großen

"Die Topteams wollen es lieber sicher haben, denn wenn die Bedingungen schwierig sind, dann kann jeder abfliegen", sagt der Chefingenieur. "Die Topteams wollen warten, warten, warten, dann können sie uns loswerden, die vielleicht gerne mehr Risiko gehen wollen", spricht er für die kleinen Teams. Ihn ärgert dieses Vorgehen, auch wenn Williams mit dem Ausgang des Qualifyings zu diesem Zeitpunkt nichts mehr zu tun hatte.

"Es hat lange gedauert, aber als ich herausgefahren bin, war ich überrascht, wie viel Wasser verschwunden war." Sebastian Vettel

Auch Lotus-Pilot Romain Grosjean glaubt, dass die Rennleitung wieder einmal zu übervorsichtig war: "Wir hätten schon zehn Minuten früher wieder fahren können", bestätigt der Franzose, kann die Bedenken der Entscheidungsträger aber verstehen: "Doch wenn man durch zehn Minuten mehr Wartezeit einen Abflug auf der Geraden verhindern kann, dann ist das doch auch etwas wert", relativiert er. "Wenn du mit 300 km/h fährst und nicht kontrollieren kannst, wohin die Reise geht, dann ist das kein gutes Gefühl. Da warten wir besser ab."

"Vielleicht war die Pause etwas zu lang, aber das ist okay", stimmt auch Mark Webber zu. "Was passiert, wenn jemand einen Unfall baut?", fragt er. "Wir sind auf Intermediates raus, was ein wenig seltsam war, aber ich nehme ihm das nicht übel", spricht der Australier über die Entscheidung von Renndirektor Charlie Whiting, denn in der Vergangenheit habe man hier einige große Unfälle gesehen.

"Wir müssen die richtigen Entscheidungen für uns hier treffen." Mark Webber

Und der Red-Bull-Pilot weiß wovon er spricht: 2003 sorgte er im Jaguar mit einem schweren Unfall im Regen für einen Rennabbruch, nachdem auch sein Kumpel Fernando Alonso im Renault über die Trümmerteile gefahren war und ebenfalls mächtig abflog. "Mich interessieren die Leute zuhause daher nicht wirklich. Wir müssen die richtigen Entscheidungen für uns hier treffen."

Murmeltierfrage: Wie bringt man Fahrbetrieb?

Doch wie bei jeder neuen Regenunterbrechung stellt sich die Frage, wie man zukünftig solch lange Pausen verhindern kann und wieder anfängt im Regen zu fahren - wie früher. Aktuell sei jedenfalls nichts zu machen: "Das ist nicht so einfach. Vor allem nicht auf einer Strecke wie dieser hier, wo es hoch und runter geht. Aquaplaning ist halt das ganz große Problem in der Formel 1", weiß Lotus-Ersatzmann Heikki Kovalainen. "Ich sehe da aber keine Lösung. Es ist ja immer das Gleiche. Da muss man einfach Geduld aufbringen."

Pastor Maldonado

Williams wäre im Regen etwas mutiger gewesen, wäre man nicht ausgeschieden... Zoom

Ein Thema in diesem Fall sind immer wieder die Reifen, die von den Fahrern große Kritik ernten mussten: "Der Intermediate kann kaum mit stehendem Wasser umgehen. Der Regenreifen ist da besser, aber nicht so gut wie die Regenreifen, die wir früher hatten", schildert Kovalainen das Problem. Für Pujolar ist dies eine Konsequenz durch einen Einheitshersteller wie Pirelli: "Man braucht ein paar Entwicklungen bei den Regenreifen. Als es den Reifenkrieg gab, musste man es machen, denn wenn der Konkurrent es konnte, dann musste man es auch können", sieht der Williams-Mann Vorteile in mehreren Ausrüstern.

Mercedes-Teamchef Ross Brawn weiß aber: "Es geht ja nicht nur um die Reifen, sondern auch um die Sicht. Die Cockpits in der Formel 1 sind bekanntlich offen. Daher stellt natürlich auch die Sicht ein Problem dar", so der Brite. "Man könnte vielleicht das Aquaplaning-Risiko reduzieren, indem man sehr große Reifen einsetzt. Damit wäre aber das Problem mit der Sicht noch nicht gelöst." Er sieht - wie derzeit wohl die meisten Beteiligten - aktuell keine Lösung für das Problem. Die Fans müssen also weiter warten...und warten...und warten.