• 12.01.2009 17:04

Domenicali: "Wollen an der Spitze bleiben"

Teamchef Stefano Domenicali erklärt, warum der neue Ferrari F60 heißt, warum 2009 besonders schwierig werden könnte und was das Testverbot bedeutet

(Motorsport-Total.com) - Als Felipe Massa gerade seine ersten Runden mit dem neuen Ferrari F60 drehte, stellte sich Teamchef Stefano Domenicali in Mugello den Fragen der internationalen Presse. Der Italiener machte dabei einen zuversichtlichen Eindruck, verbarg aber nicht, dass 2009 aufgrund der vielen Regeländerungen noch viele Fragezeichen offen sind.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali und Felipe Massa

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali mit seinem 2008er-Topfahrer Felipe Massa

Frage: "Stefano, der Vorhang ist gefallen, der neue Ferrari F60 ist da. Warum habt ihr das Auto eigentlich F60 genannt?"
Stefano Domenicali: "Es ist der 55. Einsitzer, den Ferrari für die Formel-1-Weltmeisterschaft gebaut hat, aber vor allem ist es die 60. Weltmeisterschaft - und Ferrari ist das einzige Team, das immer dabei war. Der Sport ist eng mit unserem Team verbunden. Es ist ein historisches Datum, an dem wir auch in die Zukunft blicken müssen. Vielleicht haben wir eines Tages einen F120."#w1#

Auf ewig in der Formel 1?

"Es ist unsere DNA, wegen der wir in diesem Sport an den Start gehen. Wir schauen nach vorne und sind optimistisch, selbst während dieser schwierigen Phase für das ganze System. Ich bin überzeugt, dass die Formel 1 nach überstandener Krise stärker als je zuvor sein wird. Das ist Ferraris Hauptaufgabe: immer in der Formel 1 zu bleiben."

Frage: "Was sind eure Ziele für die Saison 2009?"
Domenicali: "Wir wollen an der Spitze bleiben. In den vergangenen zehn Jahren haben wir die Konstrukteurs-WM achtmal gewonnen. Dieses Jahr ist unsere Aufgabe extrem schwierig. In den vergangenen Monaten wurden viele Änderungen beschlossen, um Lösungen zu finden und die Kosten zu regulieren. Das hatte Auswirkungen auf unsere technischen Vorbereitungen. Kurzfristig warten noch mehr Herausforderungen und technische Veränderungen auf uns. Ich denke, dass sich derjenige, der das Potenzial seines Autos am besten ausschöpfen kann, durchsetzen wird. Es ist das Ziel eines jeden Teams, die Ergebnisse zu maximieren."

"Dieses Jahr ist unsere Aufgabe extrem schwierig." Stefano Domenicali

Frage: "Gibt es in Maranello einschneidende Veränderungen oder setzt ihr lieber auf Stabilität?"
Domenicali: "Wir vertrauen auf das Konzept der dynamischen Stabilität, das von unserem Präsidenten eingeführt wurde. Die Veränderungen gehen in diese Richtung. Wir wollen jeden einzelnen Aspekt des Teams verbessern und gleichzeitig jene Bereiche stärken, in denen wir in der Vergangenheit nicht volle 100 Prozent abrufen konnten."

Frage: "Die Formel 1 ist von der Weltwirtschaftskrise betroffen. Was kann getan werden, um die Zukunft des Sports zu sichern?"
Domenicali: "Ferrari steht in der ersten Reihe, wenn es darum geht, die Formel 1 zu retten. Ich denke, dass es unter der FOTA-Präsidentschaft von Luca di Montezemolo schon wichtigen Input in diese Richtung gegeben hat. Die Ziele, die Strukturen und die Rahmenbedingungen sind für alle Teams verschieden, aber wir arbeiten für die Ziele von allen Teams. Aus diesem Grund ziehen die Teams an einem Strang, was in der Formel 1 nicht immer so war."

Domenicali fordert Stabilität

"Niemand will sich gegen die FIA stellen, aber es ist nur logisch, dass die Teams eine Stimme haben wollen. Für 2009 kam wichtiger Input von den Teams und wir wurden uns sofort einig, was sehr wichtig ist. Wir stehen gerade am Anfang und arbeiten jeden Tag an der technischen Entwicklung und an den politischen Aspekten der Formel 1. Was dieser Sport jetzt braucht, ist Stabilität und eine klare Richtung, denn diejenigen, die in die Formel 1 investieren, müssen wissen, wo es lang geht. Wir haben Sponsoren, die schon lange bei uns sind und an den Motorsport glauben. 2009 wird im Sport und in der Politik ein sehr heikles Jahr."

Frage: "Wie steht es um eure beiden Fahrer, Felipe Massa und Kimi Räikkönen?"
Domenicali: "Die sind sehr motiviert und heute hier, um das neue Auto zu testen, denn das ist ein sehr komplexes Vorhaben. Im Moment analysieren wir die Daten des ersten Runs. Wir wissen, dass es in jeder Hinsicht eine besondere und stimulierende Saison wird."

"Wir wissen, dass es in jeder Hinsicht eine besondere und stimulierende Saison wird." Stefano Domenicali

Frage: "Werdet ihr KERS vom ersten Rennen an einsetzen und ist der F60, der gerade getestet wird, mit KERS ausgestattet?"
Domenicali: "Zunächst einmal möchte ich unseren politischen Standpunkt zu KERS noch einmal wiederholen: Wir finden, dass die KERS-Einführung der Absicht, die Kosten zu senken, widerspricht. Das haben wir auch mit den anderen Teams diskutiert."

"Wir können entscheiden, ob wir KERS im Auto einsetzen wollen oder nicht. Sobald das System die Leistung verbessert, was in Simulationen der Fall zu sein scheint, ist es unsere Aufgabe, es einzubauen. Heute ist ein sehr wichtiger Tag, weil wir das System auf der Strecke testen. Ich erwarte keine Überraschungen, aber wir werden sicher auf Probleme stoßen. Wie ihr wisst, sind die Tests auf 15.000 Kilometer begrenzt und während der Saison darf gar nicht mehr getestet werden. Ich rechne damit, dass die Prüfstände und Simulationen verstärkt eingesetzt werden."

"Wie gesagt erwarte ich eine Vielzahl an Problemen, also muss unser Ziel Zuverlässigkeit sein. Im Vorjahr haben wir einen hohen Preis bezahlt. Dieses Jahr, mit einem System, das so komplex ist wie KERS, muss Zuverlässigkeit oberste Priorität haben. Dazu ist der heutige Testtag mit dem neuen Auto da."

Die Sache mit den Boxenstopps

Frage: "2008 habt ihr die Weltmeisterschaft unter anderem wegen menschlicher Fehler nicht gewonnen. Ich denke da zum Beispiel an die Pannen an der Box. Habt ihr Protokolle wie Qualitätskontrolle und die Prozesse im Team für 2009 verändert?"
Domenicali: "Die Zuverlässigkeit der Prozeduren ist in der Tat Bestandteil der Gesamtzuverlässigkeit. Menschliches Versagen kann bei Teams und Fahrern auftreten, was dem Motorsport eine menschliche Komponente verleiht."

"Wir haben versucht, unsere Prozeduren zu verbessern, und wir haben Leute aus verschiedenen Bereichen geholt, um die Prozeduren zu verbessern und die Konzentration zu erhöhen. Trotzdem wird menschliches Versagen immer Teil der Formel 1 sein."


Fotos: Präsentation des Ferrari F60


Frage: "Kann es sein, dass sich die Teams jetzt anders auf die Rennwochenenden vorbereiten müssen als bisher?"
Domenicali: "Die neuen Regeln werden zu komplett neuen Interpretationen der Rennwochenenden führen. Den Fahrern könnte dabei eine entscheidendere Rolle als bisher zukommen, denn wenn alle Systeme zu 100 Prozent funktionieren, dann können sie ein extrem großes Leistungsdelta beeinflussen, was sich im Zehntelbereich ausdrücken wird."

"Dann sind da die neuen Reifen und die veränderten Motorendrehzahlen. Wir müssen verstehen, wie man damit am besten umgeht. Das gilt auch für die neuen Flügel, an die sich die Fahrer erst gewöhnen müssen. Die Fahrer stehen vor einer Saison, in der ihr Einfluss größer sein wird als früher."

Frage: "Wie stark habt ihr die Kosten im Vergleich zu 2008 reduziert?"
Domenicali: "Schwer zu sagen, denn das ist bei jedem Team anders. Wir arbeiten mit der FOTA daran, herauszufinden, wie stark wir die Kosten reduzieren können. Am besten reden wir dabei in Prozenten, denn die Organisation eines jeden Teams ist anders. Die Formel 1 darf den technologischen Aspekt nicht auf den Kopf stellen, aber in unserem Fall sollte sich ein stärkerer Bezug zur Serienproduktion herstellen lassen. Die Ausgaben der vergangenen Jahre müssen eingeschränkt werden. Das sollte jetzt allen klar sein."

Keine Tests zwischen den Rennen

Frage: "Wenn ein Topteam den Saisonstart verpatzen sollte, wie groß sind dann angesichts des Testverbots die Chancen, das Blatt trotzdem zu wenden?"
Domenicali: "Das ist in der Tat einer der wichtigsten Punkte der bevorstehenden Weltmeisterschaft. Sobald wir nach Australien abbrechen, können wir nicht mehr viel verändern. Am Freitag dürfen wir testen, welche Teile wir am Wochenende einsetzen wollen. Vielleicht müssen wir mehr riskieren als bisher. Sollte unser Auto von Anfang an konkurrenzfähig sein, dann wäre das sicher ein entscheidender Vorteil."

Frage: "Kimi Räikkönen bekommt mit Andrea Stella einen neuen Renningenieur. Warum?"
Domenicali: "Das haben wir bereits im Vorjahr entschieden. Ich möchte unterstreichen, dass Chris Dyer in der Arbeit mit den Renningenieuren weiterhin eine entscheidende Rolle innehaben wird."

Ferrari F60

So sieht Ferraris Neuer aus: Der F60 ist das 55. Formel-1-Auto des Teams Zoom

Frage: "Es wird spekuliert, dass ihr 2009 Motoren an das ehemalige Honda-Team liefern werdet. Kannst du das bestätigen?"
Domenicali: "Ich schätze die Chance darauf auf fast null Prozent ein."

Frage: "Wie sieht eure geplante Zusammenarbeit mit Michael Schumacher in diesem Jahr aus?"
Domenicali: "Michael ist der einzige Fahrer, der Erfahrung mit Slicks hat. Gemeinsam mit Luca Badoer wird er einen wichtigen Beitrag leisten."

Frage: "Kimi Räikkönen plant die Teilnahme an einer Rallye. Legt ihm Ferrari diesbezüglich keine Steine in den Weg?"
Domenicali: "Wir pflegen ein sehr offenes Verhältnis mit unseren Fahrern. Als Michael Schumacher an den Rennwochenenden Fußball gespielt hat, wurden wir oft kritisiert. Genauso handhaben wir es, wenn Kimi an einer zweitägigen Rallye teilnehmen will. Wir sehen das als zwei Testtage für ihn an, auch wenn es nicht in der Formel 1 ist."

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