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  • 27.06.2010 20:53

  • von Dieter Rencken

Domenicali: "Wir sind sehr wütend"

Ferrari ist nach dem unglücklich verlaufenen Rennen in Valencia sehr verärgert, wie Teamchef Stefano Domenicali offen zugibt

(Motorsport-Total.com) - Die Presserunde von Stefano Domenicali nach dem Rennen in Valencia begann wegen der späten Entscheidung der Rennleitung später als sonst, war dafür aber sehr ergiebig. Denn Ferrari hatte kurz zuvor auf der Internetseite einen kontroversen Beitrag online gestellt, in dem der Grand Prix von Europa als "Skandal" bezeichnet wurde.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali

Stefano Domenicali ist sauer darüber, wie das heutige Rennen ausgegangen ist

Bereits zuvor hatte Fernando Alonso angedeutet, dass er glaube, das Rennen sei manipuliert worden. Doch Ferrari rudert zurück: Auf der Internetseite habe man nicht die Meinung von Ferrari, sondern die der Ferrari-Fans auf der ganzen Welt veröffentlicht, und Alonso habe sein Statement "in der Hitze des Gefechts" abgegeben. Teamchef Domenicali versuchte, dies im Gespräch mit den Medienvertretern aus aller Welt klarzustellen.#w1#

Frage: "Stefano, auf der Ferrari-Internetseite wird das heutige Rennen als Skandal bezeichnet, Fernando sagt, dass es manipuliert wurde..."
Luca Colajanni (Ferrari-Pressesprecher): "Die Rede ist von der Stimme der Fans - Sie hätten die Mitteilung sorgfältig lesen sollen!"
Stefano Domenicali: "Ich bin die offizielle Stimme von Ferrari. Fragt mich, ich beantworte dann schon."

Technisch Fortschritte gemacht

Frage: "Kannst du erklären, warum ihr heute so wütend seid?"
Domenicali: "Natürlich sind wir sehr wütend, weil wir nicht die Punkte bekommen haben, die wir in diesem Rennen aufgrund unserer Performance eigentlich hätten machen müssen. Wenn ich dieses Wochenende einmal von technischer Seite analysiere, dann haben wir aber einen Schritt nach vorne gemacht, auch wenn er noch nicht groß genug war, um Red Bull einzuholen. In der ersten Runde haben wir gesehen, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickelten."

"Der Frust ist so groß, weil wir den richtigen Schritt, aber trotzdem weniger Punkte als im schwierigsten Rennen des Jahres gemacht haben. Das ist sehr frustrierend. Sportlich gesehen muss ich sagen, dass wir heute großes Pech hatten. Die einzigen vier Autos, die auf der Zielgeraden waren, als das Safety-Car aktiviert wurde, waren Vettel, Hamilton, Fernando und Felipe. Vettel blieb vor dem Safety-Car, Hamilton ignorierte die gelben Flaggen und das gelbe Licht, aber wir mussten eine komplette Runde hinter dem Safety-Car fahren. In der Zwischenzeit holte das Feld, das an der Box war, von hinten auf uns auf, sodass wir zurückfielen, als wir an die Box kamen. Das kannst du nicht planen."

"Bevor einige Entscheidungen getroffen werden, sollte man sich sicher sein, dass sie richtig sind und nicht falsch. Wenn man jetzt aber weiß, dass sich der Zeitpunkt einer Entscheidung auf das Rennen auswirkt, dann muss sie schnell getroffen werden, sonst kann das unfaire Folgen haben. Heute hat das Ferrari ganz übel betroffen, daher müssen wir sicherstellen, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Mehr möchte ich dazu eigentlich nicht sagen. Außerdem lief gegen viele Autos noch eine Untersuchung. Das ist meiner Meinung nach nicht gut."

Frage: "Als die FIA Fahrer in die Rennleitung geholt hat - heute war es Heinz-Harald Frentzen -, waren zunächst alle glücklich, aber in den vergangenen Rennen gab es viele strittige Entscheidungen. Wie kommentierst du das?"
Domenicali: "Die heutige Situation hatte mit dem Fahrerkommissar nichts zu tun, glaube ich. Das hatte ja nichts damit zu tun, dass ein Fahrer genau weiß, dass hier gebremst wird oder dies und jenes so ist im Cockpit. Meiner Meinung nach war das heute eine Sache für die normalen Kommissare."

"Aber ich möchte noch etwas anderes sagen. Zunächst einmal freue ich mich sehr, dass es Mark Webber gut geht, denn das ist das Wichtigste. Im Leben muss man Prioritäten setzen. Heute hatte er einen sehr dramatischen Unfall, daher bin ich froh, dass er gesund ist. Aber der Unfall hat klar aufgezeigt, dass der große Performanceunterschied zwischen den Autos sehr gefährlich sein kann. Wir reden darüber schon seit Monaten, aber heute hatten wir Glück, dass wir kein Drama erlebt haben. Da wird unterschiedlich gebremst und es werden unterschiedliche Linien gefahren. Darüber müssen wir uns Gedanken machen."

Fernando Alonso hinter dem Safety-Car

Die beiden Ferraris kamen zwischen Safety- und Medical-Car auf die Strecke Zoom

Frage: "Sollte das Safety-Car nicht normalerweise den Führenden einfangen und alle anderen durchlassen?"
Domenicali: "Ich weiß, dass die Rennleitung das Safety-Car unabhängig vom Geschehen auf der Strecke rausschickt, wenn es notwendig ist. Das finde ich korrekt. Die Autos sollten auch durchgewunken werden, damit der Führende so schnell wie möglich hinter dem Safety-Car ist. So wie ich es verstehe, wollten sie heute das Medical-Car mit dem Safety-Car schützen, um zu verhindern, dass die anderen Autos um die Strecke hetzen."

Frage: "Du hast eben etwas zu den großen Geschwindigkeitsunterschieden gesagt und dass das gefährlich ist. Wird das durch den verstellbaren Heckflügel nicht noch schlimmer?"
Domenicali: "Ich glaube, wir müssen das sorgfältig untersuchen. Wenn der Führende den Knopf nicht drücken darf und der Hintermann schon, entsteht ein Geschwindigkeitsunterschied. Wir haben heute gesehen, wozu das führen kann."

Frage: "Nur noch mal zur Klarstellung: Auf eurer Internetseite ist von einem Skandal die Rede. Sagst du, dass das nicht die Ferrari-Meinung ist?"
Domenicali: "Du warst doch die ganze Zeit hier. Habe ich Skandal gesagt?"

Nur die Meinung der Fans

Frage: "Nein. Aber es steht auf der Ferrari-Internetseite."
Domenicali: "Der Text dort gibt die Meinung aller Tifosi weltweit wider. Aber ich bin die offizielle Stimme von Ferrari und ich habe das nie gesagt."

Frage: "Fernando sagt, das Rennen wurde manipuliert."
Domenicali: "Man muss ihm zugestehen, dass er das in der Hitze des Gefechts gesagt hat, aber ich kann ihn verstehen, denn das Rennen wurde durch Faktoren kaputt gemacht, die außerhalb unserer Kontrolle waren. Darum hat er das gesagt."

Frage: "Werdet ihr dieses Thema zur FIA bringen oder mit den Teams besprechen?"
Domenicali: "Wir haben das Thema bereits bei der FIA eingereicht. Das ist ja völlig korrekt."

Frage: "Was bedeutet das? Könnte es noch einmal ein anderes Rennergebnis geben?"
Domenicali: "Nein. Das Ergebnis steht fest, aber es geht uns um die Zukunft. Wir möchten darüber diskutieren, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann."

Frage: "Ihr hattet vor diesem Grand Prix einen PR-Drehtag, über den sich einige Teamchefs beschwert haben. Muss klargestellt werden, was ein Drehtag und was ein Test ist?"
Domenicali: "Es ist nicht meine Art, so etwas in der Öffentlichkeit auszutragen, sondern wenn es etwas zu bereden gibt, dann greife ich zum Handy. Das ist mein Stil. Der Drehtag war klar. Wenn die Leute die Formulierung der Regel ändern wollen, haben wir kein Problem damit."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Europa, Sonntag


Frage: "Einerseits wandelt ihr mit dem Drehtag auf einem ganz schmalen Grat, wenn es darum geht, die Grenzen des Reglements auszuloten, andererseits waren die Regeln heute gegen euch..."
Domenicali: "Das kann man doch überhaupt nicht miteinander vergleichen. Zum Drehtag: Wir haben die erlaubten 100 Kilometer verwendet, um unsere Kunden, unser Netzwerk und unsere Händler mit Material zu versorgen. Unter solchen Bedingungen ist es schwierig, etwas über das Auto zu lernen. Aber wie gesagt: Wenn jemand ein Problem hat, kann er mit uns reden, dann erklären wir es."

Frage: "Gehen wir zu einem erfreulicheren Thema. Pat Fry wechselt von McLaren zu euch. Kannst du sein Aufgabengebiet beschreiben?"
Domenicali: "Als wir herausgefunden haben, dass er auf dem Markt ist, war uns sofort bewusst, dass er ein großartiger Techniker mit viel Erfahrung ist. Ich weiß, dass er auch Angebote von anderen Teams hatte, aber wir sahen das als gute Gelegenheit, unser Team zu verstärken. Er arbeitet als Vize-Technikchef. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, nicht nur für dieses Jahr, sondern vor allem für die Zukunft."

Frage: "Findest du es okay, dass die Fahrer, die gegen die Safety-Car-Regel verstoßen haben, nur mit fünf Sekunden bestraft wurden?"
Domenicali: "Die Gefahr der heutigen Entscheidungen liegt meiner Meinung nach darin, dass man in Zukunft verleitet sein könnte, wider besseres Wissen die Regeln zu missachten, um einen Vorteil zu haben. Das ist gefährlich."