• 16.04.2009 14:05

  • von Roman Wittemeier

Domenicali: "Wir hissen nicht die weiße Flagge"

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali über das Diffusorurteil und dessen Auswirkungen auf die Entwicklung bei Ferrari und innerhalb der FOTA

(Motorsport-Total.com) - Für Ferrari hat die Saison 2009 mit Schwierigkeiten begonnen und anscheinend wird man auch in den kommenden Grands Prix einige Probleme haben. Das Weltmeisterteam steht bislang ohne Punkt da. Das gestrige Urteil des FIA-Berufungsgerichts in Paris, welches den Diffusorstreit in letzter Instanz zu Ungunsten von Ferrari entschied, gab einen weiteren Nackenschlag für die ohnehin schon sorgenvolle Scuderia.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali (Teamchef)

Sieht noch kein Licht am Ende des Tunnels: Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali

"Es wird seine Zeit dauern, bis wir aufgeholt haben", sagte Stefano Domenicali nach seiner Ankunft in Schanghai. "Für uns bedeutet dieses Urteil, dass wir unseren Diffusor verändern müssen. Um das tun zu können, müssen wir das Heck des Autos überarbeiten. Wenn es gut läuft, dann sollten wir das neue Teil beim Grand Prix in Spanien bereit haben. Zumindest ist das unser Ziel."#w1#

Starkes Stück: Stand Diffusorurteil vorher fest?

Der Ferrari-Teamchef gab noch einmal einen deutlich Wink in Richtung FIA. Max Mosley ist konsequent auf Kostensenkung aus, da kommt das FIA-Urteil nicht gerade gelegen. "Das wird extrem teuer", so Domenicali. "Wir müssen im Windkanal arbeiten und außerdem die gesamte Heckpartie des Autos neu designen und umbauen."

Flavio Briatore (Teamchef), Mario Theissen (BMW Motorsport Direktor), Stefano Domenicali (Teamchef)

Verlierer im Diffusorstreit: Die Teamchefs Domenicali, Briatore und Theissen Zoom

Er könne sich eine solche Entscheidung des FIA-Berufungsgerichts auch jetzt noch nicht erklären. "Ich warte mit großem Interesse auf die Erklärung dieser Entscheidung", sagte der Italiener. Und weiter: "Es ist irgendwie merkwürdig. Wenn man sich anschaut, wie das Berufungsgericht eine solch lang und intensiv diskutierte Angelegenheit in solch kurzer Zeit beurteilen kann, dann bin ich auf die Urteilsbegründung doch sehr gespannt. Viele hatten das Gefühl, dass die Entscheidung schon vorher feststand."

"Es hätte gar nicht soweit kommen dürfen", mahnte Domenicali. "Man hätte die Sache schon vor dem Saisonstart eindeutig klären müssen. Die Formel 1 muss aus diesem Fall lernen, denn so etwas ist für das Image unseres Sports nicht gut. Ein anderes Problem ist, dass die Auswirkungen natürlich innerhalb der FOTA zu spüren sind. Die Spannungen sind im Moment sehr groß", sagte der Ferrari-Teamboss weiter. Ein Glückstag für Max Mosley also, denn der FIA-Chef ist die Harmonie der Teamvereinigung FOTA stets ein Dorn im Auge gewesen.

"Die Situation ist nicht gerade sehr schön, denn die FOTA ist für die Zukunft der Formel 1 sehr wichtig", so Domenicali. "Wir werden über diese Punkte bei einem Meeting nach dem Grand Prix in Bahrain sprechen. Wir müssen das klären. Wenn uns das nicht gelingt, wäre das sehr schlecht." Ob die Diffusorentscheidung absichtlich als Keil in die FOTA getrieben wurde? "Das kann ich so nicht sagen. Aber sicher ist, dass alle Teams in einer schwierige Situation gebracht wurden."

Motivationspost für die Mitarbeiter

Zurück zu den hauseigenen Ferrari-Problemen. Der Teamchef rechnet nicht damit, dass die Roten schon bald wieder vorne angreifen können. Er schwörte seine Mitarbeiter per E-Mail ein: "Ich weiß, dass ich auf eure Professionalität zählen kann. Lasst uns alles geben - wie immer!" Er schrieb weiter: "Diese Entscheidung sehen wir als klaren Widerspruch zum Geist des Regelwerks und zu den Abischten, den aerodynamischen Abtrieb zu reduzieren."

Ferrari hat 2009 noch keinen einzigen Punkt geholt. Es ist der schlechteste Saisonstart seit 1992. "Wir müssen damit rechnen, dass es auch in den kommenden Rennen sehr schwierig wird. Ich bin sicher, dass Brawns Autos und auch Toyota und Williams wieder vorneweg fliegen und wir müssen so schnell wie möglich aufschließen."

¿pbvin|512|1454||0pb¿"Aber je mehr Rennen bei der Aufholjagd ins Land ziehen, umso mehr Punkte können sie sich schon gutschreiben lassen", beschrieb er das Ferrari-Dilemma. "Aber ich sage auf keinen Fall, dass wir schon die weiße Flagge hissen, denn das entspricht überhaupt nicht unserer Mentalität. Wir werden bis zum letzten Moment kämpfen, bis wir wirklich auch rechnerisch nichts mehr gewinnen können."

Domenicali gab allerdings offen zu, dass der viel diskutierte Diffusor nur ein Teil des aktuellen Ferrari-Problems sei. "Wenn man schon ein Jahr lang an einem solchen Teil arbeiten konnte, ist der Vorteil natürlich sehr groß. Das darf man nicht vergessen. Alle Teams, die mehr Zeit für die Entwicklung hatten, konnten davon profitieren. Der Diffusor ist ein ganz wichtiges Teil in diesem Puzzle."

"Auf der anderen Seite konnte man aber sehen, dass es uns in den ersten beiden Rennen an Performance und Zuverlässigkeit fehlte und wir auch Fehler gemacht haben. Das ist nicht unser eigentliches Niveau. Wir müssen reagieren, um wieder auf unseren Level zu kommen. Das müssen wir ganz rational angehen. Es geht nämlich nicht um einen Kampf zwischen Ferrari und Ross (Brawn; Anm. d. Red.). So etwas habe ich irgendwo gelesen. Das ist komplett unwahr und falsch."

Kein Ferrari-KERS in China: Sicherheit geht vor

"Die Wahrheit ist, dass eben alle anderen außer den drei Teams eine deutlich andere Meinung vertreten haben. Da geht es nicht um persönliche Dinge. Es ist traurig, dass wir an einem solchen Punkt angelangt sind", erklärte Domenicali. "Wir sind mit unserer Situation nicht glücklich und müssen nun hart arbeiten. Auch wenn uns klar war, dass die anderen eher mit der Entwicklung starten und dadurch einen Vorteil haben, müssen wir trotzdem sagen, dass wir von unserer Standfestigkeit enttäuscht sind."

"Solange KERS nicht zu 100 Prozent sicher und stabil läuft, werden wir es nicht riskieren." Stefano Domenicali

Ein Kernfeld der mangelnden Zuverlässigkeit hat man in KERS ausgemacht. In Schanghai wird man auf die Hybridtechnik verzichten - ausgerechnet auf jener Strecke, auf der die zusätzlichen PS viel bringen könnten. "Wir müssen das System bezüglich der Sicherheit und Zuverlässigkeit noch besser verstehen. Natürlich bringt das System Vorteile, aber solange es nicht zu 100 Prozent sicher und stabil läuft, werden wir es nicht riskieren. Wir beschränken uns auf die Grundlagen. Während wir warten, bis das neue Auto fertig wird, werden wir nur an den grundsätzlichen Dingen arbeiten."

Genau dies habe man in den ersten zwei Rennen nicht immer getan. "In einer solchen Situation musst du einfach größere Risiken eingehen. Dann passieren auch Fehler, die sonst nicht normal sind. Wir müssen reagieren. Das können wir auch, denn wir haben ein starkes Team", machte sich der Ferrari-Teamchef Mut. "In Schanghai müssen wir einfach das Maximale aus unseren Möglichkeiten machen. Ein Sieg wird wohl schwierig sein, aber wir wollen das bestmögliche Ergebnis herausholen."

Zur Versetzung des bisherigen Teammanagers Luca Baldisseri sagte der Rennleiter: "Wir mussten dem Team ein Signal geben. Luca hat viel Erfahrung, daher haben wir ihn im Werk mit der Entwicklung betraut. Wir sind sicher, dass Chris Dyer seine Funktion an der Boxnemauer gut ausfüllen kann. Man muss die Kompetenzen klar abgrenzen. Sonst wird es wie in einer Demokratie schwierig, schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das war der Grund, warum wir Luca von der Boxenmauer abgezogen haben."