Die Wissenschaft der Radmutter

Sebastian Vettel verlor den Sieg in Australien durch eine lose Radmutter - Aufgrund der kurzen Boxenstopps ist dieses Bauteil in den Fokus der Techniker gerückt

(Motorsport-Total.com) - Die technisch ausgefeilten Formel-1-Boliden bleiben immer wieder wegen des berühmten "50-Cent-Teils" stehen. So ist es für manche Betrachter unglaublich, dass der Eindruck entsteht, Spitzenmechaniker könnten ein Rad scheinbar nicht richtig montieren. Sebastian Vettel schied in Australien wegen einer lockeren Radmutter in Führung liegend aus. Michael Schumachers Arbeitstag war in Malaysia mit einem ähnlichen Problem frühzeitig beendet. Einen "Nuller" zu schreiben ist zwar bitter, doch davonfliegende Räder können in Bruchteilen einer Sekunde eine Katastrophe auslösen.

Titel-Bild zur News: Bremsen am Renault R30

Blick auf den Radträger der vorderen Aufhängung am Renault R30

"Radmuttern sind in der Formel 1 eine Wissenschaft für sich", meint Sauber-Technikchef Willy Rampf gegenüber 'auto, motor und sport'. "Wenn nicht alles passt, kann es leicht zu Zwischenfällen kommen." Warum treten diese Defekte dann vermehrt in diesem Jahr auf? Es gab sie zwar schon in der Vergangenheit, doch aktuell scheinen sich die Vorfälle zu häufen. In den vergangenen Jahren wurde an Nick Heidfelds BMW ausgerechnet am Muttertag 2007 die Radmutter bei einem Boxenstopp nicht korrekt montiert. Lewis Hamiltons Unfall augrund eines lockeren Rades auf dem Nürburgring im gleichen Jahr ging gottlob glimpflich aus.#w1#

Mit dem Nachtankverbot richtet sich der Fokus nun auf die Reifenwechsel. Während früher der Tankwart die Zeit bei einem Boxenstopp bestimmte, sind es jetzt ausschließlich die zwölf Mechaniker, die sich um die vier Reifen kümmern. Da es keine Drehmomentvorschriften bei den Schlagschraubern gibt, liegt es einzig im Gefühl des Mechanikers, wie fest er die Mutter anzieht. Hier kommt die menschliche Komponente ins Spiel, doch auch die Technik ist, wie alles in der Königsklasse, auf höchstem Niveau.

"Wir verwenden dieses Jahr nur Radmuttern aus Stahl", erklärt Rampf. "Die sind weniger kritisch." Außerdem werden keine neuen Teile verwendet. Der unterschiedliche Konus von Mutter und Felge hält die Radmutter auf der Nabe. Das Gewinde ist dabei zu vernachlässigen. Die Komponenten müssen eben erst aufeinander eingeschliffen werden.

Felipe Massa

Die Mechaniker absolvieren den Reifenwechsel in weingen Sekunden Zoom

Die extremen Belastungen auf der Rennstrecke können ebenfalls zu Komplikationen führen. Speziell die Radmuttern der Hinterräder sind durch die beeindruckenden Beschleunigungswerte der modernen Boliden am Limit. Die Fliehkräfte in den Kurven, die bis zu 5 g ausmachen, belasten jedes Bauteil und auch die Karbonbremsen entwickeln Temperaturen bis zu 1.200 Grad. Eine Radmutter muss all dem standhalten.

Dabei kommt es manchmal zu kuriosen Vorfällen wie Rampf berichtet: "Wir hatten mal einen Test, da haben wir eine Radmutter aufgrund der Hitzeausdehnung nicht mal mehr mit roher Gewalt heruntergebracht." Deshalb musste der ganze Radträger ausgetauscht werden.

Trotzdem sollte sich die FIA etwas einfallen lassen, denn die Räder werden seit einem Jahrzehnt mit Seilen gesichert und sollen das davonfliegen verhindern. Eine Situation wie 2009 in Brands Hatch, als der junge Henry Surtees bei einem Formel-2-Rennen von einem Rad erschlagen wurde, will niemand sehen.