• 10.03.2010 13:53

  • von Roman Wittemeier

Boxenstopps: Wenn eine Zehntelsekunde sehr lang wird

Wie die Formel-1-Teams den schnellen Reifenwechsel trainieren: Neue Wagenheber, moderne Ampelanlagen, interessante Radmuttern

(Motorsport-Total.com) - Der Wettbewerb in der Formel 1 findet nie ausschließlich auf der Strecke statt. In den vergangenen Jahren sind die Grands Prix sehr häufig auch in der Boxengasse entschieden worden. In solchen Momenten legt der Pilot seine gesamte Hoffnung auf Erfolg in die Hände eifriger Mechniker. Geht eine Kleinigkeit schief, ist das Rennen zerstört. Aufgrund des Nachtankverbots 2010 wird es auf den perfekten Reifenwechsel ankommen. Es zählt jede Zehntelsekunde.

Titel-Bild zur News:

In Bahrain liegen jetzt schon die Schlagschrauber für den Ernstfall parat

"Wir haben immer schon auf perfekte Abläufe geachtet", sagt Renault-Sportdirektor Steve Nielsen. "Aber früher wurde die Stoppzeit durch die Zeitspanne zwischen dem Auf- und Absetzen des Tankrüssels bestimmt. Ab sofort dreht es sich nur noch um den schnellen Reifenwechsel." Die Teams nutzten die Testfahrten in Valencia, Jerez und Barcelona, um die Abläufe zu optimieren. Auch in den Werkstätten wurde trainiert.#w1#

Ist Renault beim Stopp zu langsam?

Bei Red Bull schaffte man den Wechsel aller vier Räder in angeblich 1,8 Sekunden. Nach Aussage von Adrian Sutil liegt man bei Force India konstant im Bereich von zwei bis 2,5 Sekunden. Das Motto: Wer drei Sekunden braucht, verliert. Auch die Technik wurde auf die schnellen Reifenwechsel abgestimmt. Ferrari brachte neue Radmuttern, bei Mercedes entdeckte man eine neuartige Ampelanlage. Auch die Wagenheber wurden verbessert.

"Man kann viel Zeit verlieren oder gewinnen", sagt Nielsen und meint damit gerade einmal Zehntelsekunden. "Die Reifen müssen in der möglichst besten Zeit gewechselt werden. Wir tun alles Menschenmögliche. Die Abläufe müssen in Fleisch und Blut übergehen. Übung macht auch in diesem Fall den Meister." Bei Renault standen allein fünf Stunden Boxenstopptraining auf dem Programm.

Jaime Alguersuari

Bei den Testfahrten in Spanien probten alle Teams den schnellen Reifenwechsel Zoom

Während die Teams wie Red Bull und Co. die Messlatte für schnelle Stopps sehr hoch gelegt haben, hat man bei Renault überraschend bescheidene Ansprüche. "Ein Wechsel in dreieinhalb Sekunden wäre gut", so Nielsen. "Damit hätten wir die Standzeit im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbiert." Aber es ist wie beim Fußball: Im Training sitzt jeder Elfmeter, aber vor 30.000 Zuschauern am Samstagnachmittag geht mal einer daneben.

Der arme Mann am vorderen Wagenheber

"Wir stehen unter einem anderen Druck", gibt Renault-Chefmechaniker Gavin Hudson offen zu, dass es im Rennen eine gewisse Anspannung geben wird. "Alles läuft viel schneller ab. Anstatt auf den Tankstutzen zu achten, muss ich ab sofort warten, bis vier Hände nach oben schnellen. Aber letztlich ist der Job für alle Teams gleich. Man muss sich eben an die neuen Abläufe gewöhnen." Bei Renault hat man vor allem dem vorderen Wagenheber große Aufmerksamkeit geschenkt.

Man entwickelte ein neues Gerät, welches den Wagen schneller anheben und herunterlassen kann. Vor allem auf dem Teammitglied am vorderen Wagenheber lastet großer Druck. Er (oder sie) muss beim Stopp schnell vor das Auto laufen, den Wagenheber perfekt positionieren und bedienen, anschließend schnell wieder zur Seite hechten. Auch die Radmuttern sind neu. "All dies hilft uns, ein paar Zeitspäne mehr zu finden", sagt Nielsen.

Felipe Massa

Weniger Feuer in der Box: Solche Szenen wird man 2010 nicht mehr sehen Zoom

In den Boxengassen der Formel-1-Schauplätze wird also 2010 viel Hektik sein. Fehler darf sich zwar niemand erlauben, sie werden allerdings im Eifer des Gefechts entstehen. "Die Boxengasse ist nach wie vor ein gefährlicher Ort", erklärt Renault-Techniker Nielsen. Daher werde seine Mannschaft auch ohne Tankanlagen gut geschützt sein. "Wir haben lediglich von dreilagigen Overalls auf zweilagige umgestellt, damit den Jungs in Bahrain nicht ganz so heiß wird. Helme tragen sie aber auch weiterhin."