• 03.06.2006 12:55

Die tagtägliche Fitnessarbeit

Alex Leibinger ist als Physiotherapeut bei MF1 Racing aktiv und sorgt dafür, dass auch Tiago Monteiro immer gut vorbereitet ist

(Motorsport-Total.com) - Erst in den 70er Jahren erkannten einige Rennfahrer, dass ein wenig Hilfe bei der körperlichen Vorbereitung nicht schaden kann. Auch die Betreuung an einem Rennwochenende konnte so in verantwortungsvolle Hände abgegeben werden. Heute zählen Physiotherapeuten zum Standardpersonal eines Formel-1-Teams. Ihre Aufgabe ist es, kleine und größere Probleme der Fahrer zu lösen.

Titel-Bild zur News: Tiago Monteiro

Seltenheit für Tiago Monteiro: Entspannung auf einer Jacht in Monaco

Alex Leibinger ist für die Betreuung bei MF1 Racing zuständig. Er muss sicherstellen, dass die Fahrer immer in einer Verfassung sind, gute Leistungen zu erbringen. Über eine Runde mag sich ein Problem vielleicht nicht darstellen, wohl aber über eine gesamte Renndistanz. Einen großen Einsatz hatte Leibinger schon, als Tiago Monteiro beim Malaysia-Grand-Prix über Rückenprobleme klagte.#w1#

Vom Damen-Tennis in die Formel 1

"Ich arbeite seit Dezember mit Alex", so Monteiro. "Als er zu uns kam, wusste er nicht viel über die Formel 1, aber es ist gut mit jemandem zu arbeiten, der von außerhalb kommt. Er musste die körperlichen Anforderungen für einen Formel-1-Fahrer erst lernen, aber er versteht nun alles und hat sich schnell angepasst. Er kennt den menschlichen Körper sehr gut."

"Wir kommen miteinander gut klar, er sorgt sich gut um mich und wir trainieren sehr hart", so der Portugiese weiter. "Wir reisen viel gemeinsam und essen oft zusammen, daher reden wir über viele Dinge, nicht nur den Rennsport. Es ist sehr wichtig, dass wir miteinander gut auskommen, wenn ich ohne Manager oder Sponsoren reise, dann gibt es nur ihn und mich."

Leibinger stolperte eher durch Zufall in den Job in der Formel 1. "Ein gemeinsamer Freund stellte mich der Frau von Colin (Kolles, Teamchef; Anm. d. Red.) vor", erklärte er. "Sie fragte mich, ob sie zur Behandlung und zum Training zu mir kommen könnte. Nach einigen Monaten fragte sie dann, ob ich in das Formel-1-Team kommen wolle. Natürlich sagte ich ja."

"Zuvor arbeitete ich im Profibereich des Damen-Tennis und beim Damen-Golf", fuhr er fort. "Zudem war ich zwölf Jahre lang ein professioneller Triathlet. In Europa war ich unter den besten 20 bei den kürzeren Veranstaltungen." Da er vom Motorsport kaum Kenntnisse vorweisen könnte, begann zunächst eine Zeit des Lernens.

Abwechslungsreiches Trainingsprogramm

"Ich habe mich zuvor immer gefragt, welche Anforderungen an einen Fahrer gestellt werden, aber nun weiß ich, dass es mehr Sport beinhaltet als ich gedacht hatte", erklärte er. "Sie müssen Ausdauer trainieren. Es ist sehr wichtig, ihre Stressbelastung zu senken. Ich habe einige Fahrer von anderen Teams getroffen und bin mit ihnen gelaufen. Einige haben kein besonders gutes Ausdauerniveau, sie könnten viel besser sein."

Doch an die Fahrer werden auch andere Anforderungen gestellt. "Sie müssen viel Koordinationstraining machen, Boxen ist dafür sehr gut", so Leibinger. "Das kann jeder, es ist einfach zu lernen, auch wenn es am Anfang für einen Fahrer schwer ist, sich daran zu gewöhnen." Das Trainingsprogramm gestaltet sich aber ohnehin recht abwechslungsreich.

"Der Nacken, die Schultern und der Rücken - das sind die Hauptgebiete", so Monteiro. "Für die Ausdauer gehen wir viel Schwimmen. Für die Koordination und die Reflexe boxen wir viel. Das ist hart, aber auch gut für die Ausdauer. Alex mag auch Rad fahren, aber es ist schwierig, mit den Fahrrädern zu reisen, und man benötigt mehr Zeit. 45 Minuten Laufen entsprechen zwei Stunden Rad fahren."

Das Gros der Arbeit findet natürlich abseits der Rennstrecken ab, doch an den Rennwochenenden hat sich eine Routine entwickelt. "Für die Überseerennen beginnen wir am Dienstag", so Leibinger. "Am Mittwoch und Donnerstag stehen Ausdauer- und Koordinationstraining an, vielleicht auch mit Gewichten. Am Rennwochenende machen wir dann nichts, wir massieren nur jeden Tag, um eine gute Durchblutung beizubehalten."

Training der mentalen Stärke

Manchmal benötigt ein Fahrer aber auch konkrete Hilfe, so Monteiro in Malaysia. "Zu Beginn war das schwierig", erklärte Leibinger. "Das größte Problem für ihn war ein mentales, denn am Freitagabend, also vor dem Qualifying, begann es. Am Samstag war es schon besser, am Sonntag dann fast weg. Ich habe dabei eine spezielle chinesische Osteopathie angewendet, auch Akupunktur. Das verkürzte die Zeit der Heilung."

Körperliche Angelegenheiten sind aber nur ein Teil von Leibingers Aufgaben, auch ein mentales Training findet statt. "Da macht er nicht sehr viel Druck", beteuert Monteiro. "Aber er arbeitet daran. Er ist da sehr clever, denn er stellt das nicht in den Vordergrund, aber es funktioniert sehr gut. Alles ist psychologisch. Wie man im Geist mit Dingen umgeht, verändert auch die eigene Leistung stark."

Leibingers neue Aufgabe ist aber kein Vollzeitjob, in München führt er weiterhin seine eigene Praxis. "Am Anfang war ich mir nicht sicher, weil ich viel reisen muss", erklärte er. "Von einen Tag auf den nächsten ist man den Fahrern sehr nah, man ist den ganzen Tag mit ihnen zusammen, das ist nicht einfach. Sie sind in einem Team eingefasst, aber nicht unbedingt Teamspieler. Es ist aber gut, sie kennen zu lernen, wenn sie etwas entspannter sind."