• 18.11.2007 21:07

  • von Fabian Hust

Die Standard-Elektronik und die Spionage

Alles spricht nach wie vor über das Thema Spionage, ausgerechnet jetzt wird über eine McLaren-Tochterfirma die Standard-Elektronik eingeführt

(Motorsport-Total.com) - Spionage ist ein Wort, das die Formel 1 dieses Jahr geprägt hat. Jedes Team muss befürchten, dass es ihm ergeht wie McLaren-Mercedes, denn niemand kann sich zu 100 Prozent dagegen schützen, dass eigene Daten zur Konkurrenz fließen oder Mitarbeiter Daten der Konkurrenz in das Team bringen.

Titel-Bild zur News: Franz Tost

Tost: Heute hätte MES den Zuschlag wohl nicht mehr bekommen

Auch Renault wird sich kommenden Monat vor dem Weltmotorsportrat des Automobilweltverbandes verantworten müssen, weil ein neuer Mitarbeiter von seinem vorherigen Arbeitgeber - ausgerechnet McLaren-Mercedes - mehrere Disketten mit internen Daten des britisch-deutschen Rennstalls mit in das Team gebracht hatte.#w1#

Ein Team, das 500 Mitarbeiter beschäftigt, kann einen Mitarbeiter haben, der das komplette Formel-1-Projekt zertrümmert, in das Millionen Euro und tausende von Arbeitsstunden geflossen sind - nur weil er in welcher Form auch immer Spionage betreibt. Vor diesem Damoklesschwert fürchtet sich jedes Team, auch wenn es keiner so recht zugeben mag.

Pikant ist, dass ausgerechnet nach einer Saison wie dieser die Standard-Elektronik eingeführt wird, die in einem Jointventure zwischen der McLaren-Tochterfirma 'McLaren Electronic Systems' und dem amerikanischen Software-Giganten 'Microsoft' entwickelt wurde und bereitgestellt wird.

Es lässt sich gar nicht vermeiden, jedes Team muss an für sich geheime Daten weitergeben, damit das System funktionsfähig gemacht werden kann: "Ich glaube nicht, dass Details von anderen Teams durchsickern", wiegelt Franz Tost, Teamchef der Scuderia Toro Rosso, im Interview mit der 'Tiroler Tageszeitung' ab.

Es gebe Sicherheitsmechanismen, die verhindern sollen, dass die Daten in falsche Hände geraten: "Die Teams sichern sich mittels 'Firewall'-Lizenzen und Passwörtern ab. Außerdem hätte man sich das vor der Entscheidungsfindung überlegen müssen", meint der Tiroler.

"Klar bietet sich für McLaren die Möglichkeit, an Daten zu gelangen", gibt Franz Tost zu. Eine pikante Situation, schließlich konnte ein McLaren-Mitarbeiter Informationen von Ferrari ins Team holen und ein ehemaliger McLaren-Mitarbeiter Informationen zu Renault schmuggeln: "Wäre der Auftrag dieses Jahr vergeben worden, wäre diese Firma sicher nicht zum Zug gekommen..."

Durch die Einführung der Standard-Elektronik soll in der Formel 1 Geld gespart werden, denn in dieses Gebiet flossen ein nicht unerheblicher Teil der Entwicklungsarbeit und somit auch viel Geld. Nun beschränkt sich die Arbeit auf die Anpassung an die neue Standard-Elektronik - doch diese verschlingt zunächst einmal viel Geld.

"Es bedeutet einen sehr großen Aufwand im Bereich des Motor-Managements, dort muss man viel ändern", erklärt Tost. "Es ist insgesamt sehr aufwändig und kompliziert. Die Umstellung nahm insgesamt ein ganzes Jahr in Anspruch." Dafür dürfen sich die Zuschauer über mehr Rutscher und qualmende Reifen am Start freuen.