• 17.05.2008 11:13

  • von Stefan Ziegler

Die Höhen und Tiefen des Giancarlo F.

In Monaco bestreitet Giancarlo Fisichella sein 200. Formel-1-Rennen - Ein Rückblick auf die Karriere des Italieners

(Motorsport-Total.com) - Giancarlo Fisichella hat in der Formel 1 alles erlebt: Den Schampusgeruch auf dem Siegerpodest, Jubelmomente nach dem Rennen, den Gewinn der Konstrukteursweltmeisterschaft und viele andere schöne Momente in den 13 Jahren Rennzirkus. Dem gegenüber stehen einige Enttäuschungen und Rückschläge, wie sie andere Fahrer in dieser Häufung nicht erlebt haben. Giancarlo Fisichella - ein verhinderter Weltmeister?

Titel-Bild zur News: Giancarlo Fisichella

Giancarlo Fisichella fährt seit 1996 in der Formel 1 - mit wechselndem Erfolg

1996 hatte für den Römer alles begonnen: "Zehn Tage vor dem Australien-Grand-Prix war ich noch Testfahrer für Minardi, hatte ein Engagement in der Internationalen Tourenwagenmeisterschaft und fuhr in der DTM für Alfa Romeo", blickte Fisichella zurück auf seine Anfänge im Grand-Prix-Sport. "Giancarlo Minardi hat mich angerufen und gesagt, ich solle mich fertig machen, meine Helme und Overalls einpacken und nach Australien kommen."#w1#

Überraschungsstart in Australien

"Ich sagte: "Das ist klasse, ich freue mich sehr, nach Australien zu kommen und das erste Rennen zu sehen." Seine Antwort: "Nein, nein - es geht nicht ums Zuschauen, du wirst es fahren!" Das konnte ich einfach nicht glauben und habe ihn gefragt, ob er Witze macht. "Nein, du fährst und wirst einer von 20 Piloten sein, die am Sonntag in der Startaufstellung stehen."

"Ich war richtig geschockt", schilderte der Italiener seine Emotionen nach dem Telefongespräch mit dem Teamchef, "denn zehn Tage vor dem Rennen hatte ich wirklich nicht erwartet, in Australien zu fahren. Das Team hatte aber wohl ein Problem mit einem japanischen Fahrer, der nicht bezahlen konnte. Das war schlecht für ihn, aber ich war unglaublich glücklich darüber."

"Einer der besten Augenblicke war sicherlich das Fahrerbriefing." Giancarlo Fisichella

Das erste Rennwochenende sei allerdings dann einfach nur fantastisch verlaufen, so der heute 35-Jährige. "Einer der besten Augenblicke, an den ich mich erinnere, war sicherlich das Fahrerbriefing. Um mich herum waren Michael Schumacher, Gerhard Berger und Jean Alesi - alle meine Helden! Und ich war einer davon, zusammen mit ihnen vor Ort. Das war spitze, eine großartige Zeit für mich."

"Ich habe mich als sechzehnter qualifiziert und war dabei schneller als mein Teamkollege Pedro Lamy. Vor dem Rennen hatte ich nur zwei Tests in Fiorano absolviert und hatte quasi keine Erfahrung. Im Rennen lag ich dann in einer guten Position, bekam dann aber Schwierigkeiten mit der Hydraulik. Dennoch hielt ich es für ein gelungenes Debüt, viel besser als erwartet, angesichts meiner fehlenden Vorbereitung."

Flavio Briatore angelt sich das Talent

Nach acht Rennen im Minardi war vorerst aber Schluss mit Racing, denn das Team brauchte finanzkräftigere Einsatzpiloten, Fisichella saß wieder auf der Straße: "Es war schön, ein Formel-1-Fahrer gewesen zu sein, aber ich war recht zuversichtlich, dass ich in der Zukunft wieder in die Formel 1 zurückkehren würde. Ein paar Monate später habe ich dann bei Flavio Briatore einen Vertrag mit Benetton unterschrieben."

"Sie hatten also keinen Platz für mich." Giancarlo Fisichella

"Er hat mir gesagt, dass er mich gerne haben würde, aber für das kommende Jahr schon Berger und Alesi in den Cockpits sitzen würden", erzählte Fisichella. "Sie hatten also keinen Platz für mich. Er wollte mich aber auf alle Fälle irgendwo in der Formel 1 sehen, um Erfahrung zu sammeln und so fanden sie schlussendlich einen Kompromiss mit Eddie Jordan. So kam ich 1997 zu meinem Drive bei Jordan."

Schon in seiner ersten vollständigen Saison hätte der Italiener für Schlagzeilen sorgen können, doch das Schicksal machte ihm mehrfach einen Strich durch die Rechnung. In Argentinien stolperte "Fisico" zunächst über Teamkollege Ralf Schumacher: "In der Haarnadel hat er mich rausgeboxt und ich habe die Möglichkeit verloren, auf das Podium zu gelangen. Das war schon sehr enttäuschend."

Auch in Hockenheim lag der einst als Supertalent gehandelte Fahrer aussichtsreich im Rennen, ehe ein Defekt die Sensation verhinderte: "Ich war Zweiter in der Startaufstellung, führte das Rennen vor Gerhard Berger an und war sehr, sehr konkurrenzfähig. Leider hatte ich dann einen Plattfuß und konnte das Rennen nicht beenden." Berger schnappte sich den Sieg und kehrte am Jahresende der Formel 1 den Rücken, Fisichella übernahm das Cockpit des Österreichers bei benetton.

Viele kleine Erfolge zwischen 1998 und 2001

"1998 war ein gutes Jahr, aber es lief nicht so, wie ich erwartet hatte", sagte der dreifache Rennsieger rückblickend. "Manchmal waren wir sehr wettbewerbsfähig, manchmal landeten wir nur im Mittelfeld. So hat sich das dann für ein paar Jahre hingezogen, über 1999 bis 2001. Ich war 1998 Zweiter in Monaco und hatte einige andere Podien. Österreich war ein großer Tag für mich", erinnerte er sich. "Die Pole-Position im nassen Qualifying war einfach großartig."

Giancarlo Fisichella

Giancarlo Fisichella erlebte mit Benetton einige schwierige Saisons Zoom

Ein Jahr darauf hätte er am Nürburgring seinen ersten Sieg feiern können, doch wieder einmal hat es nicht sein sollen: "Ich war richtig schnell mit den Regenreifen in dieser feuchten Situation. Dann habe ich die Kopfstütze verloren und kurz darauf das Auto, als ich mich in der Schikane drehte. Da hätte ich leicht gewinnen können, ganz bestimmt", ist sich Fisichella sicher, der 2001 mit Benetton nur Mittelmaß war.

"Zu Beginn des Jahres kämpften wir mit Minardi", musste der 199-fache Rennteilnehmer feststellen. "Dann haben wir Mitte des Jahres einen großen Schritt nach vorne gemacht. Ich war Dritter in Belgien, ein tolles Rennen, und wir sind im Verlauf der Saison immer besser geworden." Für 2002 entschied sich Fisichella, wieder zu Eddie Jordan zurückzuwechseln - die richtige Entscheidung?

"Unglücklicherweise war das der falsche Moment", hielt der der Römer fest. "Das Team war auf dem absteigenden Ast und zu dieser Zeit kämpften wir auch noch mit dem Budget. Es war eine schwierige Saison, abgesehen von Brasilien 2003, was ein zugleich verblüffendes, aber auch schwieriges Rennen war. Ich bin gut unterwegs gewesen. Wir hatten etwas Glück, aber ich habe alles komplett richtig gemacht."

Der erste Sieg - oder doch nicht?

Giancarlo Fisichella (Jordan-Honda)

Im Jordan feierte Giancarlo Fisichella den ersten von drei Formel-1-Siegen Zoom

"Als ich die Linie überfahren hatte, war mein Ingenieur total aus dem Häuschen und hat mir gesagt, dass ich der Sieger sei. Da war ich überaus glücklich. Ich weiß nicht warum, aber sie haben mir fälschlicherweise den zweiten Platz gegeben. So konnte ich meinen allerersten Sieg in Brasilien nicht auf dem obersten Podest feiern. Das war schon schlimm, sehr enttäuschend", meinte Fisichella, der seinen Siegerpokal erst beim nächsten Rennen in Imola erhielt.

Für 2004 heuerte der ehemalige Minardi-Debütant bei Sauber an. "Sauber war ein Team im Mittelfeld, aber wir waren manchmal recht solide und konkurrenzfähig unterwegs. Ich habe oft Punkte geholt und war für gewöhnlich schneller als Felipe Massa, es war also eine gute Saison. Ich habe einige Rennen gefahren, wo die Leite meinen Speed sehen konnten und zur Jahresmitte wurde ich von Williams und Renault kontaktiert."

"Flavio hat mir ein gutes Angebot gemacht", erinnerte sich Fisichella, "einen Zweijahresvertrag bei Renault. Das war ein sehr guter Zeitpunkt, denn 2005 und 2006 waren wir wettbewerbsfähig und haben beide Weltmeisterschaften gewonnen." Es hätte der Auftakt zu einer wahren Erfolgsstory werden können, doch die wirklich herausragenden Kapitel in diesem Buch schrieb ein anderer: Fernando Alonso.

Doch zunächst lief alles ganz hervorragend für den Neuling im Team: "Australien war ein großartiges Wochenende. Es war einfach fantastisch, sofort mit dem neuen Rennstall im ersten Rennen zu gewinnen und die Pole-Position zu holen. Später im Jahr hatte ich dann einige mechanische Defekte und konnte leider nicht genug Punkte sammeln, um in der Weltmeisterschaft vorne mitzukämpfen, vor allem nicht zu Beginn."

Im Topteam und doch nur Nummer zwei

Giancarlo Fisichella und Fernando Alonso

Giancarlo Fisichella vor Fernando Alonso: Ein eher seltenes Bild bei Renault Zoom

2006 dasselbe Bild: "Ich fühlte mich wohl, aber nicht so sehr, wie ich das gewohnt war, mit der ganzen Elektronik und mit der Traktionskontrolle. Fernando war für gewöhnlich schneller als ich, aber ab und an lag ich auch vor ihm. Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl, aber wieder Schwierigkeiten mit dem Auto, mechanische, technische, wie schon 2005."

"Unglücklicherweise war das Auto nicht so schnell als im Vorjahr und der Abtrieb des Wagens war komplett falsch, der Speed im Vergleich zu McLaren-Mercedes und Ferrari einfach nicht gut genug", ärgerte sich Fisichella im Nachhinein über die Saison 2007, seinem letzten Jahr in Diensten von Renault. "Das war schon sehr enttäuschend und es war eine harte Saison", die am Ende darin gipfelte, dass er sich einen neuen Arbeitgeber suchen musste.

"Das war eine gute, aber schwierige Entscheidung", kommentierte Fisichella seinen Wechsel zu Force India. "Ich bin von einem Topteam zu einem Neueinsteiger gewechselt, der in den vergangenen Jahren immer in der letzten Reihe stand. Aber bislang haben wir uns großartig verkauft. Wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht und ich habe wirklich viel Spaß daran. Das macht Mut. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, aber wir kommen langsam hin."

199 Rennen - eine Zwischenbilanz

"Ich glaube nicht, dass ich mich groß verändert habe", fasste der dreifache Rennsieger seine Formel-1-Karriere zusammen. "Ich hoffe allerdings, dass ich ein besserer Fahrer bin als früher. Ich habe recht viel gelernt, wie man ein Rennen liest, wie man ein Qualifying angehen muss und auch, dass man dem Testen und den Gesprächen mit den Ingenieuren und Mechanikern mehr Aufmerksamkeit schenken muss."

Giancarlo Fisichella

Strahlemann: Bei Force India blüht Giancarlo Fisichella derzeit nochmals auf Zoom

"Ich fühle mich noch immer jung, freue mich nach wie vor darüber, in der Formel 1 zu arbeiten und ein Formel-1-Fahrer zu sein. Das einzige Problem ist, dass man die ganze Zeit unterwegs ist. Aber abgesehen davon, liebe ich es sehr - sonst wäre ich wohl nicht mehr hier.

199 Rennen hat der 1973 geborene Pilot seit 1996 in der Formel 1 absolviert und dabei drei Rennen als Sieger beenden können. Drei Pole-Positions und zwei schnellste Runden stehen für Fisichella zu Buche, der in seiner Karriere bisher 14 Mal in Führung lag und 267 WM-Punkte sammeln konnte. Erstmals WM-Zähler gab's 1997 in Imola für den vierten Platz, 72 Punkte bedeuteten 2006 den vierten Meisterschaftsrang.