Die große Bahrain-Analyse mit Marc Surer

'F1Total.com'-Experte Marc Surer analysiert die Form der Topteams, Ferraris angeblich flexiblen Heckflügel, Nico Rosbergs Traumeinstand und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Nach monatelangem Spekulieren im Winter ging am vergangenen Wochenende in Bahrain endlich der Saisonauftakt der Formel 1 über die Bühne - ganz getreu dem Motto: When the flag drops, the bullshit stops! 'F1Total.com'-Experte Marc Surer, früher selbst Formel-1-Pilot und heute TV-Kommentator für 'Premiere', analysierte nun das, was in der Sakhir-Wüste passiert ist.

Titel-Bild zur News: Marc Surer

'F1Total.com'-Experte Marc Surer sieht derzeit vier Teams gleichauf an der Spitze

Frage: "Marc, Renault hat in Bahrain genau das bestätigt, was man von ihnen erwartet hat, nicht wahr?"
Marc Surer: "Ja. Ich habe sie eigentlich ein bisschen überlegener erwartet. Es war viel knapper, als ich mir das - und wahrscheinlich auch Renault - vorgestellt hatte."#w1#

Hat Renault noch mehr Reserven als Ferrari?

"Alonso hatte noch Potenzial drin." Marc Surer

Frage: "Hattest du auch den Eindruck, dass Fernando Alonso im Renault vom Potenzial her mehr Reserven hatte als Michael Schumacher im Ferrari?"
Surer: "Er hatte noch Potenzial drin. Im ersten Stint haben sie das nicht ausgenutzt. Er hat da wohl ein bisschen geplempert, denn irgendwann kam dann der Funkspruch, dass er ein, zwei Zehntel schneller fahren soll - und er fuhr prompt um sechs Zehntel schneller! Das heißt, er hatte wirklich noch Reserven drin. Damit hätten sie das Rennen im ersten Stint fast verspielt, weil sie wohl von einer Dreistoppstrategie von Ferrari ausgegangen sind."

Frage: "Glaubst du, dass Fernando Alonso an Michael Schumacher aus eigener Kraft vorbeigekommen wäre, wenn er beim Boxenstopp hinter ihm geblieben wäre?"
Surer: "Das glaube ich nicht. Michael hätte mit ihm genau dasselbe gemacht wie Alonso umgekehrt 2005 in Imola. Er hätte ihn wohl nicht überholen können."

Frage: "Siehst du es wie die meisten anderen Experten auch so, dass es momentan vier Topteams auf ähnlichem Niveau - Honda, McLaren-Mercedes, Renault und Ferrari - gibt?"
Surer: "Das ist ganz genau meine Meinung! Ich glaube, dass Honda ein bisschen unter Wert geschlagen wurde. Die hatten noch Probleme, aber ansonsten würde ich auch von vier gleichwertigen Teams sprechen."

Frage: "Wie groß war Ferraris Vorteil durch den Bahrain-Test im Winter? Sie waren ja im Februar schon einmal an der Strecke..."
Surer: "Die Antwort werden wir sicher in Malaysia bekommen, denn dort war niemand. Dort werden wir das ehrliche Kräfteverhältnis sehen."

Ferrari laut Surer endlich wieder siegfähig

"Ferrari ist definitiv wieder zurück!" Marc Surer

Frage: "Glaubst du, dass Ferrari endgültig wieder zurück ist?"
Surer: "Ferrari ist definitiv wieder zurück! Ob es so weitergeht, wie es angefangen hat, würde ich jetzt mal bezweifeln, aber sie sind auf jeden Fall an der Spitze dabei."

Frage: "Teamintern konnte Felipe Massa Michael Schumacher hart zusetzen - genau wie Eddie Irvine 1996 und Rubens Barrichello 2000 bei ihrem ersten Ferrari-Rennen. Trotzdem spielte er im Rennen wegen unglücklicher Umstände keine Rolle. Kann das einem jungen Fahrer das Genick brechen, wenn er zum ersten Rennen kommt, Michael Schumacher bügeln will - und es dann doch nicht klappt?"
Surer: "Das ist die Geschichte der Piloten, die mit Michael Schumacher im gleichen Team fahren: Sie kommen zwar an ihn ran, aber sie können ihn nicht wirklich schlagen. Ich denke, dass Massa den nötigen Speed hat, aber noch nicht die Konstanz, um es im Rennen umzusetzen. Es wäre toll, wenn er im Training manchmal vorne stehen würde. Das gibt dann einfach mehr Stimmung."

Frage: "Du siehst in diesem Duell Michael Schumacher auf Dauer also schon vor Felipe Massa?"
Surer: "Über die Renndistanz immer, ja."

Frage: "Es gab Diskussionen über Ferraris Heckflügel. Worüber genau beschweren sich Pat Symonds und Renault eigentlich?"
Surer: "Ich kenne den genauen Wortlaut nicht, aber die Lamellen unten, um die es geht, sind natürlich an einer Stelle, an der ein Flügel grundsätzlich etwas federt. Das heißt, wenn man da die Seitenteile etwas schwächt, dann muss der Flügel etwas nachgeben. Man muss aber ganz klar sagen: Der Flügel wird seit zwei Jahren auf Zug getestet, somit kann ich mir nicht vorstellen, dass Ferrari wirklich betrügt."

Ferrari-Heckflügelaffäre unnötig aufgebauscht?

Ross Brawn, Charlie Whiting und Jo Bauer

Die Konkurrenz ist über Ferraris aktuellen Heckflügel nicht gerade glücklich Zoom

Frage: "Meines Wissens funktioniert der Test der FIA so, dass der Flügel an drei Stellen belastet wird, aber Pat Symonds meint, dass sich der Flügel dann verwindet, wenn er unter einer vollen aerodynamischen Belastung steht, die sich ja auf den gesamten Flügel verteilt. Ferrari entspricht also dem Reglement, aber kannst du dir vorstellen, dass das Reglement geändert wird und dass sie den Flügel deshalb abmontieren müssen?"
Surer: "Wenn sich der Verdacht erhärten sollte, dann müssen sie sicher das Reglement - genauer gesagt die Messmethode - ändern. Ich weiß aber nicht, ob es nicht einfach ein Aufbauschen von einem Thema ist. Dass es allen Teams auffällt, ist aber auf jeden Fall erstaunlich."

Frage: "Für mich war Williams die Überraschung des Wochenendes, denn Nico Rosberg fuhr die schnellste Runde und die Zeiten waren insgesamt sehr konstant und schnell. Ist Williams der große Underdog, mit dem niemand gerechnet hat?"
Surer: "Es sieht voll danach aus, dass Williams eines der schnellsten Autos hat. Das hat man eigentlich bei den Testfahrten schon gesehen. Wenn sie jetzt von Anfang an dabei sind, sprich in der Qualifikation, dann muss man mit denen rechnen."

Frage: "Nico Rosberg war die große Sensation des Wochenende, noch dazu wo er mit Mark Webber gegen einen starken und erfahrenen Teamkollegen gut ausgesehen hat. Besser kann man nicht einsteigen, oder?"
Surer: "Ich kann mich nicht erinnern, wann einer so gut eingestiegen ist - außer einem Michael Schumacher, der in Belgien 1991 gleich auf Platz sieben gestartet ist. So steigt ein Champion in die Formel 1 ein!"

Frage: "Das beantwortet schon meine nächste Frage. Nico Rosberg ist ja erst 20 Jahre alt - potenzieller Weltmeister?"
Surer: "Genau. Er erinnert an die ganz Großen, die bei ihrem Einstieg schon klar gemacht haben: Hier kommt etwas ganz Besonderes!"

Niedrige Temperaturen für Toyota keine Hilfe

"Wenn es manchmal kalt war, war Toyota nie konkurrenzfähig." Marc Surer

Frage: "Ralf Schumacher und Jarno Trulli lieferten sich ein Privatduell um Platz 15, irgendwo jenseits der Top 10. Toyota scheint echte Probleme zu haben. Was ist mit denen los?"
Surer: "Sie bekommen die Bridgestone-Reifen einfach nicht zum Funktionieren - übrigens ein Problem, das sie auch schon mit Michelin hatten. Wenn es manchmal kalt war, war Toyota nie konkurrenzfähig. So gesehen ist es nichts Neues, aber bei den Bridgestone-Reifen scheint sich das viel schlimmer auszuwirken. Wir müssen allerdings abwarten, was passiert, wenn sie nach Malaysia kommen. Letztes Jahr war Toyota in Malaysia die große Überraschung. Mal sehen, ob sie dort dieses Jahr zumindest wieder einen Lichtblick sehen."

Frage: "Bahrain und Malaysia sind von den Temperaturen her heiße Rennen. Kann man sagen, dass sie wirkliche Probleme haben, wenn es da schon nicht läuft?"
Surer: "Ich würde es so formulieren: Bahrain war kälter als erwartet, somit haben die Teams wahrscheinlich eher härtere Reifenmischungen mitgenommen als man das normalerweise getan hätte. Somit waren sie nicht optimal bedient. In Malaysia wird es wohl wärmer - und dann werden auch alle mit den richtigen Mischungen dort sein."

Frage: "Traust du Toyota zu, dieses Problem relativ rasch auszusortieren, und wie lange wird das dauern?"
Surer: "Toyota hat eine eigene Entwicklungsstrategie: Sie bringen das Chassis zuerst, dann kommt die Karosserie beziehungsweise die Aerodynamik und dann wieder ein neues Auto. Mit diesen Schritten kann ich mir schon vorstellen, dass sie den Rückstand aufholen können."

Frage: "Jacques Villeneuve hatte in Bahrain einen Motorschaden, darf aber für Malaysia einen neuen Motor einbauen, während David Coulthard in der Auslaufrunde einen Motorschaden erlitt, aber keinen neuen V8 ohne Strafe einbauen darf, weil die Auslaufrunde nicht zum Rennen gezählt wird. Ist das nicht eine fragwürdige Regelung?"
Surer: "Nein, eigentlich nicht, denn wenn Coulthard in die Punkte fährt, hat er ein gutes Rennen hinter sich, und dann hat er halt das Pech, dass nach dem Rennen der Motor kaputt geht. Manchmal stellen die Teams bei der Überprüfung auch fest, dass ein Motor einen Schaden hat, aber dann hat er ja das Rennen erfolgreich beendet. Umgekehrt konnte Villeneuve das Rennen nicht beenden und ist somit bestraft genug."

Surer befürwortet strenge Motorenregel

Frage: "Theoretisch könnten die Fahrer andernfalls ja auch mutwillig in der Auslaufrunde ihre Motoren hochgehen lassen..."
Surer: "Genau. Als das Reglement noch nicht genau festgelegt war, sind einige an die Box gefahren, haben das Auto abgestellt und wurden dadurch als ausgefallen gewertet. Solche Auswüchse muss man natürlich abstellen."

"Der Wechsel zu den V8-Motoren wäre sicherlich nicht nötig gewesen." Marc Surer

Frage: "Ansonsten haben wir ein tolles und spannendes Wochenende erlebt, auch mit dem neuen Qualifikationsformat. Über die Regeln wurde im Winter viel diskutiert - positiv wie auch negativ. Kann man nun sagen, dass sich die Formel 1 wieder auf dem richtigen Weg befindet?"
Surer: "Der Wechsel zu den V8-Motoren wäre sicherlich nicht nötig gewesen. Das war eine teure Geschichte - und im Prinzip fahren sie genauso schnell wie vorher. Das muss man einmal ganz klar sehen. Ansonsten ist das Qualifikationsformat toll eingeschlagen. Da gibt es höchstens noch kleine Korrekturen, die nötig sind, aber grundsätzlich funktioniert das hervorragend."

Frage: "Man könnte den letzten Abschnitt doch verkürzen, denn da fahren anfangs ja nur alle ihre Benzinlast runter, um am Ende schneller zu sein. Siehst du eine Möglichkeit, da auch noch mehr Spannung zu schaffen?"
Surer: "Wenn man das um fünf Minuten verkürzt, wird es schon viel besser, denn jetzt war es so, dass sie zehn Minuten im Prinzip nur Benzin verfahren haben. Das ist in der heutigen Zeit natürlich ein Unsinn, wenn man den Leuten erklären muss, dass nur herumgefahren wird, um Benzin zu verbrennen. Das Reglement ist da noch nicht perfekt. Eine Möglichkeit wäre, die Zeit zu verkürzen, denn dann fahren sie auch raus und drehen ein paar Runden, aber sie müssten dann demnächst reinkommen, um neue Reifen zu holen. Dann wäre das alles nicht so auffällig."

Frage: "Letzte Frage: Die Hosen sind runter - wer hat deiner Meinung nach die besten Chancen auf den WM-Titel? Ich möchte dich da auf einen oder zwei Fahrer festnageln..."
Surer: "Wenn ich mich festlegen müsste, dann würde ich sagen Fernando Alonso, aber zum Glück muss ich das nicht, denn ich bin Kommentator und kein Prophet!"

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