• 02.12.2015 13:06

  • von Rob Wilson (Haymarket)

Die Fahrstile der Formel-1-Fahrer im Vergleich

Der Fahrstil reflektiert die Persönlichkeit: Warum ein sauberer Strich nicht immer von Vorteil ist und warum Rosberg es immer schwerer haben wird als Hamilton

(Motorsport-Total.com) - Es ist keine Frage, dass Fahrer ihre eigene Persönlichkeit mit ins Auto nehmen. Es gibt brüske Persönlichkeiten, sanfte Persönlichkeiten, stilvolle Persönlichkeiten, aggressive Persönlichkeiten - und all das zeigt sich auch hinter dem Lenkrad. Man kann mit jeder Persönlichkeit Rennen gewinnen, aber es hängt davon ab, gegen wen man fährt, welches Auto man fährt, und wie konkurrenzfähig die Klasse ist, in der man antritt.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel, Lewis Hamilton

Unterschiedliche Typen: Persönlichkeiten werden auch hinterm Lenkrad ausgelebt Zoom

Man kann immer sagen: "Der Grund, warum ich erfolgreich bin, ist, weil ich der beste Angreifer in der Welt bin." Ich kannte einen Typen, der auf dem Armaturenbrett seines Chevrolet Camaro in großen Buchstaben "Ich kann jeden ausbremsen" stehen hatte. Es gibt definitiv unterschiedliche Fahrstile. Wir sehen sie außerhalb der Fahrzeuge und ich kann sie dank meiner 30 Jahre und ein paar hundert Tagen Erfahrung im Umgang mit Rennfahrern auch hinterm Steuer erkennen.

Es ist schwerer geworden, die Stile in den modernen Rennautos von außen zu sehen, weil die Fahrzeuge mehr Grip haben, besser verzögern, weniger durchdrehende Reifen haben und besser in der Kurve liegen. Die Fahrer sind mehr wie Astronauten mit ihren Vollvisierhelmen und getönten Visieren, und die Autos haben höhere Cockpits, sodass man die Hände nicht mehr erkennen kann. Zusätzlich nehmen sie ihre Hände zum Schalten nicht mehr vom Lenkrad.

Warum das Erkennen heutzutage schwerer fällt

Eigenschaften sind somit verdeckt und aufgrund der Tatsache, dass die Autos heutzutage mit etwa derselben Geschwindigkeit in den Kurven unterwegs sind, sind die Fahrstile nicht mehr so offensichtlich. Manche Leute sagen, dass es heutzutage wesentlich kompetitiver zugeht, weil die Zeiten enger beisammen liegen, aber in Wirklichkeit sind nur die Möglichkeiten, Zeit liegen zu lassen, weniger geworden.

Deshalb haben sich auch die Möglichkeiten verringert, Fahrstile zu beobachten - die Leute sitzen immer weiter von der Strecke entfernt und die Auslaufzonen sind größer. Es ist nicht mehr so einfach, sich in einen Fahrer zu verlieben, indem man seinen Fahrstil beobachtet. Das bedeutet nicht, dass es keine unterschiedlichen Stile mehr gibt, selbst wenn der Unterschied in der Performance nicht mehr so groß ist.


Fotos: Großer Preis von Abu Dhabi


Fahrer werden immer einen bestimmten Stil haben und man sieht Fahrer, die selbst nach 20 Jahren immer noch jedes Jahr dasselbe Verhalten zeigen. Es braucht etwa ein Jahr, um ihn zu entwickeln. Es erfordert eine ziemlich kreative Herangehensweise und man arbeitet ständig dran - Emerson Fittipaldi hat sich stets andere Fahrer angesehen und nachgefragt, warum sie eine andere Linie gewählt haben. Er hat stets versucht, sich in verschiedene Richtungen weiterzuentwickeln.

Eine Frage der Philosophie

Man entwickelt eine Persönlichkeit, die aussagt, dass man entweder spät auf der Bremse oder früh auf dem Gas ist. So wurde in den 1950er-Jahren gefahren. Man mag einem Fahrer begegnen, der sagt: "Man muss so spät auf der Bremse sein wie man nur irgendwie sein kann." Andere werden sagen: "Ich muss der Erste sein, der aufs Gas drückt." Und man wird Fahrern begegnen, deren Ziel es ist, die niedrigste Geschwindigkeit in einer Kurve so hoch wie möglich zu halten.

Pastor Maldonado

Pastor Maldonado fährt mit viel Energie - manchmal zu viel Zoom

Sicherlich hatte das Fahren an sich in früheren Zeiten einen größeren Einfluss, als man die Leute mit Fahrkönnen in dem Sinne schlagen musste, dass man eine bessere Kontrolle über das Fahrzeug brauchte. Heutzutage liegt der Schwerpunkt eher auf Richtungswechseln, Traktion und Fehlerminimierung. Man kann mit einer Vielzahl von Fahrstilen gewinnen. Es gibt eine ultimative Möglichkeit, die perfekte Runde zu drehen. Was ein Fahrer nun versucht, ist, die Nachteile seines Fahrstils so gering wie möglich zu halten und die Vorteile zu maximieren.

Pastor Maldonado ist ein "high energy"-Fahrer, beziehungsweise ein aggressiver Pilot. Aber wenn man das auch nur im Geringsten zu weit treibt, kann es zu leichten Fehlern oder durchdrehenden Reifen auf einer Runde führen, die Zeit kosten. Er ist ein sehr schneller Fahrer, deshalb ist man geneigt zu sagen: "Sehr gut, aber wenn du etwas weniger Gas gibst, hätten wir dann nicht eine etwas harmonischere Verbindung mit dem Belag? Würde das Auto mit etwas weniger Wheelspin nicht besser auf die nächste Gerade hinausbeschleunigen?"

Jemand, der sich auf Hochgeschwindigkeitskurven konzentriert, mag im Nassen etwas Zeit finden. Aber dort gibt es nicht sonderlich viel zu tun. Man muss nicht runterschalten, nicht im Grenzbereich bremsen und auch den Bremsdruck nicht reduzieren, wenn das Gewicht sich verlagert. Außerdem will man den Richtungswechsel nicht dahingehend gestalten, dass man Traktion am Kurvenausgang aufbaut. Wenn ein Fahrzeug gut ausbalanciert ist, ist es nichts allzu Schweres.


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Clarks Geheimnis: Der falsche Scheitelpunkt

Jim Clark war möglicherweise der Stilvollste von allen, wenn es darum ging, in eine frühstmögliche Kurvenfahrt zu gehen. Er nannte das einen "falschen Scheitelpunkt". Wenn man seine Linie aufmalen würde, dann würde sie nicht richtig aussehen. Jackie Stewart sagt immer, dass er das Lenkrad genau einmal bewegt, aber in den Fahrzeugen damals konnte man den Richtungswechsel mit dem Gaspedal manipulieren.

Heutzutage kann man das Gas zur Beeinflussung der Kurvenfahrt nicht mehr einsetzen, weil das Auto zu viel Grip hat. Deshalb erfordert es mehr Lenkradarbeit, ein dezent degressives Anbremsen und etwas mehr Drehung als zu Stewarts Zeiten. Wenn man es mit dem Gaspedal versucht, erntet man Übersteuern und vernichtet seine Reifen.

Jackie Stewart, Jim Clark, Drift, Slide

Das Sliden durch Kurven ist mit dem heutigen Grip nicht mehr effektiv Zoom

Stewart kam mit einem eher traditionellen Stil dicht an Clark heran und folgte ihm schlussendlich sogar nach, denke ich. Chris Amon hat es gut ausgedrückt - er sagte, dass er denke, dass Jackie am Ende so schnell war wie Jim, aber dass er härter dafür arbeiten musste. Könnte das auch der Fall bei Nico Rosberg und Lewis Hamilton sein? Wer weiß...

Man konnte große Unterschiede in der Vergangenheit feststellen, wie etwa bei Gerry Marshall, der ein fantastischer Tourenwagen-Fahrer war und über ein fantastisches inneres Gyroskop verfügte; er konnte den längsten Drift der Welt kontrollieren. Oder auch Ronnie Peterson und Gilles Villeneuve, die über eine fantastische Fahrzeugbeherrschung verfügten und kaum Zeit liegen ließen. Die härteren Reifen, die damals gefahren wurden, litten nicht so sehr. Dem gegenüber erreichten Fittipaldi, Jody Scheckter und Didier Pironi dasselbe oder mehr mit einer feinsinnigeren Herangehensweise. Jeder hat einen Fahrstil. Er reflektiert die Persönlichkeit.

Vergleich der jetzigen Formel-1-Fahrer: Verstappen und Sainz

Carlos Sainz jun. und Max Verstappen haben leicht unterschiedliche Fahrstile. Sainz ist absolut am Limit und die Kurven ziehen für ihn ein kleines bisschen länger hin. Er vertraut mehr auf sein Fahrkönnen an der Grenze des Machbaren, was ihn hin und wieder auf dem falschen Fuß erwischt. Verstappen verursacht kaum Bremsplatten; man kann richtiggehend sehen, wie er sich auf das Zurücknehmen des Bremsdrucks konzentriert, außerdem agiert er sehr, sehr clever am Kurveneingang.

Wenn Sainz mit ein bisschen mehr Raffinesse zu Werke gehen würde, dann müsste er sich nicht so sehr auf seine Fahrkünste verlassen und würde wahrscheinlich etwas schneller sein. Verstappen scheint sein Auto früher eindrehen zu können, während Sainz' Einlenkpunkt etwas später liegt und er daher am Kurvenausgang mehr Kontrolle benötigt. Man kann ungefähr dieselbe Rundenzeit erreichen, mit der Ausnahme, dass Sainz etwas mehr korrigieren muss.


Fotostrecke: F1 Backstage: Abu Dhabi

Jenson Button - der Sanfte

Jenson Button hat den sogenannten klassischen Stil perfektioniert und konzentriert sich sehr stark auf den Kurvenverlauf. Er lenkt sehr elegant in die Kurve ein, aber braucht dafür wahrscheinlich ein perfekt ausbalanciertes Auto. Auf solch schönen, den Kurvenverlauf imitierenden Linien ziehen sich die Kurven etwas länger hin, und wenn man ein Problem mit dem Auto hat, zieht sich das Problem prozentual gesehen über einen längeren Zeitraum der Runde, während es für jemanden, der die Kurve künstlich verkürzt, weniger lang anhält.

Wenn man sich am linken Fuß verletzt hat und um ein Rechteck herumläuft, würde man das nicht in einer Kreisform tun, sondern auf der Linie geradeaus gehen und viermal scharf rechts abbiegen. Das mag geometrisch nicht so elegant sein, aber es schont den linken Fuß! Button ist in seinem Muster gefangen und hat damit großen Erfolg - er ist im Vergleich mit Fernando Alonso sehr konkurrenzfähig.

Carlos Sainz, Max Verstappen

Sehr unterschiedliche Herangehensweisen: Carlos Sainz Jr. und Max Verstappen Zoom

Wie wir alle wissen, würden manche Leute dafür töten, um Lewis Hamilton, oder früher Fernando Alonso, in ihrem Cockpit zu haben, während Jenson nicht ganz so gefragt ist, weil die Leute wissen, dass er über eine Dekade nicht ganz so viel erzielen wird wie die anderen beiden. Aber er fühlt sich wohl in seiner Haut und hat einen Weg gefunden, die überwiegende Zeit erfolgreich zu sein.

Rosberg, Hamilton, Räikkönen und Vettel

Nico Rosberg ist berechnender, während Lewis' großes Geschenk seine Beziehung mit dem Asphalt ist. Wenn er sich wohl fühlt, baut er automatisch die nötige Haftung auf und kann das Auto auf eine natürlichere Art und Weise allen Gegebenheiten anpassen. Er tut das stets von selbst, während Nico sich immer daran erinnern muss, es zu tun.

Auch Kimi Räikkönen hat ein großartiges Gefühl für das Gaspedal und den Belag. Damit kann er stets die richtige Gaspedalstellung herausfinden, während sich das Gewicht auf die Hinterreifen verlagert. Das ist geradezu magisch, aber in der heutigen Formel 1 durch das Turboloch überspielt - er wurde in den letzten Jahren ein paar Mal kalt erwischt, als der Turbo losgelegt hat. Sein Stil ist auch sehr geeignet, um sehr kurze Kurven zu fahren und er ist sehr gut bei der Gewichtsverlagerung. Wenn er all diese Fähigkeiten maximiert, ist er sehr gut.

Sebastian Vettel lenkt etwas später ein - hier geht es jetzt nur um den Kurvenausgang. Man braucht sehr guten Grip für dieses Manöver, um nicht in ein Übersteuern zu verfallen. Aus diesem Grund ist er empfindlich, was die Stabilität des Hecks angeht. Hamilton oder Räikkönen machen das Fahrzeug immer etwas früher mit der Kurve bekannt. In dieser langen Rechtskurve gegen Ende in Barcelona wartet Vettel immer etwas länger und lenkt später ein. Lewis oder Kimi lassen es auf der Innenseite einrollen und bauen so ein Gefühl für das Auto auf.


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