• 22.09.2015 15:03

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Formel-1-Technik 2015: Wie Teams nach mehr Abtrieb jagen

In Singapur ging es darum, so viel Abtrieb wie möglich zu kreieren und gleichzeitig neue Teile für den Endspurt in der Formel 1 2015 zu testen

(Motorsport-Total.com) - Singapur stellt ein Schlüsselrennen im Formel-1-Kalender dar. Die Strecken, auf denen wenig Abtrieb gefragt ist, sind Geschichte, und mit den Überseerennen beginnen die Medium-Abtrieb-Kurse. Zudem kehren die Autos ab jetzt nicht mehr nach Hause zurück. Marina Bay ist daher ein wichtiger Ort, um neue Teile für die folgenden Rennen zu testen. Fast jedes Team bringt Updates zu diesem Wochenende mit.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Der McLaren war in Singapur mit am stärksten bearbeitet Zoom

Einige Teile aus dem Freien Training wurden zwar nicht im Rennen verwendet, werden aber in den folgenden Rennen wieder auftauchen. Auf dem Straßenkurs wird natürlich viel Abtrieb benötigt, zudem liegt ein starkes Gewicht auf den Bremsen. Es ist nicht so, dass die Bremsen im Vergleich zu anderen Kursen übermäßig beansprucht werden, doch die wiederholte Benutzung ohne lange Geraden oder kühles Klima erhöht den Druck von Überhitzung.

McLaren
Auf der letzten Strecke mit geringer Leistungsempfindlichkeit hat sich McLaren ein wenig mehr Konkurrenzfähigkeit in Singapur ausgerechnet, zudem besaß man einige Updates von vorne bis hinten. Nachdem man in Italien wieder mit langer Nase gefahren war, ging man nun wieder auf die kurze Nase zurück und hat dafür einige Änderungen an der Crashstruktur vorgenommen, inklusive neuen Befestigungen von Flügel und Kameras.

Die Befestigungen der Flügel sind nun geschwungener und reichen bis unter die Nase - ähnlich wie bei Red Bull. Dadurch verhalten sie sich eher wie Luftleitbleche. Die Kamerahalterungen wurden ebenfalls geändert, sie sind nun tiefer und werden nun mit zwei tropfenförmigen Gestellen an der Nase befestigt, anstatt mit einem größeren Gestell, das die gleiche Form wie die Kamerahalterung selbst hat. Luft kann nun zwischen den Befestigungen durchfließen, um den Luftstrom an der Nase entlangzuführen.

Beide Veränderungen führen zu weiteren Kniffen, so wurden neue Luftleitbleche unter der Nase im Vergleich zum alten Drei-Elemente-System komplett überarbeitet. Die Bargeboards vor dem Seitenkasten haben ebenfalls ein kleines Blech am Boden hinzubekommen. Das Design wurde schon einmal bei Ferrari gesehen und leitet den Luftstrom unter die äußere Ecke der Vorderkante des Unterbodens.


Honda: Hinter den Kulissen der Motorenentwicklung

Der McLaren-Partner zeigt seine Leidenschaft bei der technischen Herausforderung Weitere Formel-1-Videos

Die Überarbeitungen am Frontflügel sind schwierig zu entdecken. Auch wenn es entgegen der Erwartungen kein komplett neuer Flügel ist, haben die Endplatten des alten Flügels ein paar Flicks an der Außen- und Innenseite bekommen. Diese Veränderungen sollen den Luftstrom von der Vorderseite um die Vorderräder bis an das Heck des Autos mit seinen Seitenkästen im Ungarn-Stil leiten.

Sauber
Sauber hat die größten Updates des Wochenendes eingeführt, bei denen es größere Aero- und Strukturveränderungen endlich an den C34 geschafft haben. Am offensichtlichsten ist eine neue kurze Nase, aber Luftleitbleche, Bremsschächte, Splitter, Seitenkästen, Heckflügel und Diffusor wurden ebenfalls verändert. Weil die Regeln für das kommende Jahr größtenteils gleich bleiben, werden diese Teile mit nach 2016 genommen.

Um an der Spitze zu beginnen: Diese Nase wurde bis an das Limit der Regeln gekürzt, was zu einer Williams-artigen Crashstruktur mit daumenförmiger Front geführt hat. Da die ursprüngliche Sauber-Nase für 2015 nur eine überarbeitete 2014er-Version war, stellt dies eine signifikante Änderung in Aerodynamik und Struktur dar. Dazu kommt eine überarbeitete Version des China-Flügels. Der Flügel wurde im Jahresverlauf intensiv getestet, kam aber nie zum Renneinsatz. Jetzt taucht er in stark überarbeiteter Form auf und kann daher als neuer Flügel gelten.

Felipe Nasr

Die neue Nase bei Sauber ist deutlich zu erkennen Zoom

Der Flügel hatte nicht wie erwartet funktioniert, was aber auch an fehlenden passenden Aeroteilen am Auto gelegen hat - und aufgrund von Fragezeichen bezüglich des Designs im Y250-Bereich, dem wichtigen Teil des Frontflügeldesigns, der entscheidet, wie die Vorderräder mit dem Luftstrom über das Auto interagieren. Die wichtige Flussstruktur beginnt dort, wo sich die äußere Spannbreite des Flügels und die FIA-neutrale Mittelsektion treffen.

Wirbel an diesem Knotenpunkt werden von Luftleitblechen unter der Nase geleitet, und der daraus resultierende Fluss drückt die Verwirbelungen der Vorderreifen vom Rest des Autos weg. Daher ist das Design des Frontflügels an dieser Stelle wichtig für die aerodynamische Gesamtperformance. Daher überarbeitet der neue Frontflügel diesen Bereich. Die Schlitze im Flügel stoppen vor diesem Bereich, und die inneren Enden der Flaps kommen zusammen. Das schafft einen stärkeren Y250-Wirbel.

Die andere große Veränderung ist der Unterboden, beginnend mit dem Frontsplitter. Er besitzt keine offenen Seiten und Leitflügel mehr - die Splitterkanten bilden nun einen U-förmigen Lufttrichter, der den Luftstrom unter den Unterboden leiten soll. Am Heck des Autos besitzt der neue Diffusor keine U-förmige Einsenkung mehr, stattdessen führt eine klarere Rampe unter die hintere Crashstruktur. Dem neuen Luftstrom hilft ein neuer Monkey-Seat-Flügel mit einer runderen Form.


Fotostrecke: GP Singapur, Highlights 2015

Mercedes
Mercedes war eine der wenigen Ausnahmen in Singapur, da der W06 ziemlich unverändert daherkam. Der einzige auszumachende Unterschied war die Rückkehr des großen sechsteiligen Monkey-Seat-Flügels. Unter der Haut bedeuteten die Monza-Probleme für Rosberg, dass er seine vierte Power-Unit für das Rennen nehmen musste. Die neue Power-Unit, die in Italien ein Wasserleck hatte, wird allerdings in Suzuka zurückerwartet.

Ferrari
Nach den Rennen mit niedrigem Abtrieb kehrte man zu den abgestuften Seitenkästen und einem konventionellen Frontflügel zurück, zudem hat Ferrari den SF15-T mit weiteren kleinen Veränderungen upgedatet. Zunächst hat die hintere Crashstruktur zwei neue Finnen bekommen, ähnlich wie die von Mercedes an derselben Stelle. Die L-förmigen Flicks scheinen Teil eines inkompletten Flügels zu sein, doch wie Mercedes bewiesen hat, sind sie eigene aerodynamische Hilfsmittel und nicht an andere Teile gekoppelt.

Ferrari-Detail Unterboden

Bei Ferrari hatte man neue Details am Unterboden versteckt Zoom

Am Freitag hat Ferrari zudem ein neues Unterboden-Design ausprobiert. Im Bereich vor den Hinterreifen wurden die üblichen drei Schlitze durch ein Design mit neun Schlitzen ersetzt. Diese leiten hohen Druck von über dem Unterboden zu einem Bereich innerhalb der Hinterreifen. Dort soll der Luftstrom einen ungewünschten aerodynamischen Effekt namens "Tyre Squirt" verhindern, bei dem die vom Reifen weggedrückte Luft seitlich in den Diffusor geht und die Performance stört.

Red Bull
Überraschend subtil war Red Bull bei den Updates und hat größtenteils weiter zwischen vorderen Leitblechen und S-Schächten gewechselt - wie schon in Monza. Wenn man die beiden Luftleitvariationen vergleicht, dann sind die Singapur-Bleche von oben nach unten mehr gebogen, wohingegen die älteren gerader sind, aber einen kleinen Radius am Chassis besitzen. Ansonsten war das Drei-Flügel-System aber im Grunde das gleiche.

Williams
Ein weiteres Team mit neuen Luftleitblechen unter dem Chassis, aber das Williams-Design war komplett neu. Der FW37 hatte zuvor ziemlich kleine, fast vertikale Leitschienen, die unter der vordersten Aufhängung hingen und in zwei Elemente aufgesplittet waren. Jetzt gibt es drei Flügel, die in einem gemeinsamen Fußbereich zusammenkommen, und wo sich jedes Element vor dem Bereich eng schlängelt.

Felipe Massa

Williams hat sein Design des FW37 nur marginal verändert Zoom

Williams hat zudem mit Flow-Vis-Farbe zwei verschiedene Frontflügel im Training getestet, auch wenn beide Ähnlichkeiten zu bereits existierenden Varianten aufwiesen. Der Test deutet aber auf kleine Veränderungen in der Geometrie hin, die an den bisherigen Designs vorgenommen wurden.

Force India
Force India hat in Singapur das letzte Update der B-Version des VJM08 gebracht und das Auto mit einem neuen Unterboden und einem Monkey-Seat ausgerüstet. Diese Veränderungen sind hauptsächlich im Diffusor-Bereich zu finden, wo vor allem am mittleren Bereich gearbeitet wurde, wie der große vertikale Flap über dem Diffusor zeigt, der um die hintere Crashstruktur gewickelt ist.

Wie bei Sauber wird das Design von einem neuen Monkey-Seat unterstützt, der freitragend an der Heckflügelstütze montiert ist und nicht mehr durch Endplatten an der Crashstruktur fixiert ist.

Toro Rosso
Kleinere Veränderungen gab es bei Toro Rosso, mit einem neuen Kaskaden-Winglet auf dem Flügel. Die alten Red-Bull-Kaskadestufen, bei denen ein breiter Winglet mit einem Zwei-Element-Blech innen verbunden ist, wurden durch einen schmaleren Flügel mit einem großen geschwungenen Leitelement ersetzt. Dieses Leitblech ist von der Rundung ziemlich extrem und wurde so noch nicht gesehen.

Toro-Rosso-Frontflügel

Bei Toro Rosso stand vor allem der neue Frontflügel im Blickpunkt Zoom

Lotus
Lotus hatte keine neuen Teile an diesem Wochenende. Die einzige Version des neuen Frontflügels wurde weiter mit einigen Flow-Vis-Runs getestet. Bei Roman Grosjean gab es eine Veränderung des Bremsenmaterials: Er wechselte von Brembo auf Carbon Industrie.

Manor
Nach dem Silverstone-Update kam Manor mit einem überarbeiteten Frontflügel und neuen hinteren Bremsschächten nach Singapur. Obwohl es kein komplett neuer Flügel ist, gab es Veränderungen an den Flaps und Endplatten. Die Endplatte biegt sich nun nach außen und ist am Ende nicht mehr mit den Flaps verbunden.

An der Lücke wird nun durch einen zusätzlichen Flick innen an der Endplatte gearbeitet, während die äußere Flap-Sektion einen Extra-Schlitz generiert. Diese Veränderungen beeinflussen den Luftstrom um die Vorderräder und verhindern, dass Verwirbelungen zwischen die Hinterräder gelangen.