• 11.01.2005 09:44

Die drei Red-Bull-Fahrer im großen Interview

David Coulthard, Christian Klien und Vitantonio Liuzzi sprechen über ihre Erwartungen an die neue Saison, die Fahrersituation und mehr

(Motorsport-Total.com) - Am vergangenen Wochenende absolvierten David Coulthard, Christian Klien und Vitantonio Liuzzi einige PR-Termine für ihren neuen Arbeitgeber, Red Bull Racing, in Österreich. Im Zuge dessen standen sie auch in der TV-Sendung 'Sport am Sonntag' Rede und Antwort. Mit freundlicher Genehmigung des 'ORF' können sie das Interview bei 'F1Total.com' in voller Länge nachlesen.

Titel-Bild zur News: Red Bull

'Red Bull' verleiht Flügel - bald auch den drei verpflichteten Formel-1-Piloten?

Frage: "David, du bist heute nach einem Flug als Passagier in einem Militärjet mit einem weißen Gesicht ausgestiegen. War das nichts für dich?"
David Coulthard: "Ach, es war sehr schön mit den Bergen und der Landschaft in Österreich, obwohl es geregnet hat. Aber es stimmt, es war ein bisschen unbequem."#w1#

Frage: "Wie ist es eigentlich zu deiner Unterschrift bei Red Bull Racing gekommen?"
Coulthard: "Ich war hungrig, weiterhin Rennen zu fahren, das ist ja kein Geheimnis. Bei Red Bull gab es eine Möglichkeit, genau das zu tun, als sie das Team von Ford gekauft haben. Für das Team und für mich ist das eine sehr aufregende Sache. Ich bin ein routinierter Fahrer in einem sehr jungen Team, aber ich freue mich schon sehr darauf, gemeinsam mit meinen beiden jüngeren Kollegen zu arbeiten. Sie nennen mich schon 'Onkel David', weil ich älter bin, aber ich freue mich darauf. Der Teamgeist ist jedenfalls sehr gut."

Coulthard zurückhaltend: "Man muss realistisch bleiben"

Frage: "Du bist deinem Karriereende sicher näher als dem Anfang. Red Bull Racing wird nicht in den nächsten ein, zwei Jahren zu einem Siegerteam. Stört dich das nicht?"
Coulthard: "Ich denke, man muss realistisch bleiben. Nicht jedes Team kann in der Formel 1 gewinnen und es dauert ziemlich lange, ein Siegerteam aufzubauen. Es sind jetzt erst sieben Wochen vergangen, seit das Team von Ford gekauft wurde, und es wird sicher länger als ein Jahr dauern, bis sich echte Erfolge einstellen werden. Für die Zukunft sehe ich jedoch keinen Grund, weshalb dieses Team nicht eines der besten der Formel 1 werden soll. Wenn man sich anschaut, was Dietrich Mateschitz hier aus dem Hangar-7 gemacht hat, dann spricht nichts dagegen, dass er so etwas nicht auch mit dem Rennteam schaffen kann."

Frage: "Christian, was sagst du zum Engagement von 'Onkel David'?"
Christian Klien: "Es ist natürlich auch für uns junge Fahrer eine sehr gute Möglichkeit, von ihm zu lernen. David ist schon sehr lange in der Formel 1, er hat sehr viel Erfahrung. Die wird er ins Team mitbringen. Dadurch können wir das Team verbessern und das Auto weiterentwickeln. Ich denke, David, Tonio und ich werden zusammen ein gutes Jahr haben."

Frage: "Vitantonio, was glaubst du, dass du von David lernen kannst?"
Vitantonio Liuzzi: "Ich glaube, ich kann viel lernen, denn David hat viel Erfahrung in der Formel 1. Ich hoffe, dass ich mit Christian und hauptsächlich mit David gut zusammenarbeiten werde. Das Team ist dieses Jahr noch ziemlich jung, aber ich werde mein Bestes geben und versuchen, genauso schnell zu sein wie David."

Frage: "David, wie lange willst du noch in der Formel 1 fahren?"
Coulthard: "Die Formel 1 ist meine große Leidenschaft. Ich denke noch nicht an den Tag, an dem ich nicht mehr dabei sein werde. Natürlich kann man nicht immer weiterfahren, aber ich liebe den Motorsport. Wenn ich morgens aufwache, denke ich an nichts anderes, und gerade jetzt freue ich mich schon auf die Herausforderung bei Red Bull. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt."

Aufbau der Struktur steht zunächst im Vordergrund

Frage: "Du hast vorhin gesagt, man müsse realistisch sein. Was kann Red Bull Racing im ersten Jahr erreichen?"
Coulthard: "Das Ziel muss in erster Linie sein, das Team aufzubauen. Im ersten Jahr müssen wir einmal sicherstellen, dass die richtigen Leute dabei sind, dass abseits der Rennstrecke richtig gearbeitet wird. Erst dann kann man an Erfolge denken. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Grundstruktur einmal steht. Die Aufgabe von uns Fahrern ist natürlich, möglichst stark zu fahren, um eine gesunde Basis für die Zukunft zu schaffen."

Frage: "Hast du dir ein Ziel gesetzt, was WM-Punkte anbelangt? Eine bestimmte Anzahl an WM-Punkten?"
Coulthard: "Vorherzusagen, wie viele Punkte wir holen werden, ist sehr schwierig. Ich glaube aber, dass wir einige überraschen können, denn hinter dem Team steckt eine Gruppe motivierter Leute. Auch ein kleines Team kann sehr erfolgreich sein, wenn alle motiviert sind und an einem Strang ziehen. Man muss sich ja nur anschauen, was in den letzten sieben Wochen gearbeitet wurde und wie viel Energie hinter diesem Projekt steckt."

Frage: "Was ist der Hauptunterschied zu einem Team wie McLaren-Mercedes?"
Coulthard: "Natürlich unterscheiden sich die beiden Teams in erster Linie in ihrer Struktur. McLaren gibt es schon seit vielen Jahren, alles hat seinen festen Platz und alle Abläufe sind automatisiert und obendrein haben sie eine sehr moderne Fabrik, aber von den Leuten her sehe ich eigentlich keinen Unterschied. Red Bull hat genauso viele motivierte Mitarbeiter. Der große Unterschied liegt in der Erfahrung und in der Teamstruktur."

"Haben untereinander eine gute Freundschaft"

Frage: "Christian, David ist bei euch ganz klar der Erfahrenste. Kann man das vergleichen mit den drei Musketieren? David ist der erfahrene Pilot und dann gibt es noch die zwei Jungen, die sich um das zweite Cockpit streiten..."
Klien: "Ja, das kann man so sehen. Vor allem müssen alle drei zusammenhalten, denke ich, um das Bestmögliche aus dem Team herauszuholen. Auch ich und Tonio wollen unser Bestes beitragen. Im Moment wissen wir noch nicht, wer im Cockpit sitzen wird, aber das werden wir uns bei den ersten Tests dann sicher ausmatchen. Wie gesagt, wir kennen uns schon sehr lange und haben untereinander eine gute Freundschaft. Natürlich möchte jeder im Cockpit sitzen. Darum geht es ja."

Frage: "Ihr habt gleich lautende Verträge. Das heißt, jeder von euch kann Renn- oder Testfahrer sein und es besteht auch die Möglichkeit, dass während der Saison gewechselt wird, nicht wahr?"
Klien: "Ja, die Möglichkeit besteht. Im Moment ist es auch so vorgesehen, dass wir uns das Cockpit sozusagen teilen. Das Ganze wird auf Leistung basieren. Man muss seine Leistung bringen, um auch am Rennen teilzunehmen. Dadurch wächst der Druck natürlich schon ein bisschen. In der Formel 1 hat man ohnehin schon viel Druck, aber damit muss man leben. Die Situation ist bei uns nun einmal so. Jeder muss das Beste daraus machen. Im Endeffekt kann uns das beiden helfen."

Frage: "Vitantonio, du kommst als gefeierter Siegfahrer aus der Formel 3000. Wie siehst du diese Situation?"
Liuzzi: "Mit dieser Situation bei Red Bull Racing ist es natürlich mein großes Ziel, mich für die Rennen zu empfehlen. Ich kenne die Leute von 'Red Bull' wie meine Familie. Christian und ich, wir sind gute Freunde. In erster Linie will ich mich darauf konzentrieren, noch härter zu arbeiten und meinen Job zu machen, Erfahrungen zu sammeln. Es wird ein Lernjahr für uns alle. Das Team ist noch jung, genau wie ich, und wir müssen gemeinsam viel lernen. Ein weiteres Ziel ist, das Team für die Zukunft zu verbessern."

Klien rechnet mit alternierender Besetzung des Cockpits

Frage: "Christian, wie wird entschieden, wer in Melbourne im Cockpit sitzen darf? Muss man sich das so vorstellen, dass einfach gestoppt wird, wer der Schnellere ist?"
Klien: "Wir haben jetzt noch einmal vier Tests in Spanien, wo wir beide versuchen müssen, unser Bestes abzuliefern. Natürlich werden die Rundenzeiten eine Rolle spielen, aber es geht auch darum, wie wir mit dem Team umgehen können, wie wir ein Auto abstimmen können, wie man ins Team passt. Ich denke, so wird entschieden, wer bei den ersten Grands Prix zum Einsatz kommen wird. Dann wird sicher abgewechselt, aber wie das genau laufen wird, müssen wir abwarten."

Frage: "David, dein Cockpit ist aber fix, oder?"
Coulthard: "Ja, das denke ich schon. Dennoch muss ich hart arbeiten, denn alle sind sehr motiviert und wollen Erfolg haben. Der Teamgeist ist wirklich ausgezeichnet. Das sagen wir nicht nur, sondern es besteht wirklich eine außergewöhnliche Harmonie innerhalb der Mannschaft. Das ist der beste Start, den man sich wünschen kann, und das ist so wichtig für so ein Team. Wir kommen gerade aus Monaco, wo wir Fahrer gemeinsam trainiert haben. Mit solchen Aktionen baut man Teamgeist auf."

Frage: "Christian, Christian Horner ist neuer Teamchef. Ist das ein Vorteil für Vitantonio, der ja letztes Jahr in seinem Formel-3000-Team gefahren ist?"
Klien: "Ich glaube nicht. Ich habe in letzter Zeit mit dem Christian Horner gesprochen. Er scheint mir ein sehr netter Typ zu sein. Er wird sicher richtig an diesen Job herangehen und richtige Entscheidungen treffen. Ich denke nicht, dass er sich auf eine Seite stellen wird, sondern ich denke, dass er ein sehr fairer Typ ist. Ausgetragen wird das Match sowieso auf der Strecke. Dann werden wir sehen."

Liuzzi stellt sich auf ein Lernjahr ein

Frage: "Vitantonio, wie groß ist Christians Vorteil dadurch, dass er schon ein Jahr Formel 1 hinter sich hat?"
Liuzzi: "Erfahrung zählt viel in der Formel 1, das weiß man. Ich muss dieses Jahr viel lernen und mein Bestes geben, um an Christian heranzukommen. Ich will beweisen, dass ich großes Potenzial habe. Natürlich darf man nicht außer Acht lassen, dass ich lernen muss, zum Beispiel ein Setup zu machen. Es wird nicht leicht, denn es gibt so viele Bereiche, die man kennen lernen muss - den Motor, die Aerodynamik und so weiter. Ich will alles verstehen und zeigen, dass ich gut genug bin, 2006 richtiger Stammfahrer zu werden."

Frage: "David, was sagst du zum neuen Teamchef Christian Horner und zum neuen Technischen Direktor Günther Steiner?"
Coulthard: "Es war unvermeidlich, dass es Änderungen geben würde, und jetzt sind eben Leute verpflichtet worden, von denen 'Red Bull' glaubt, dass sie das Team nach vorne bringen können. Christian kenne ich seit vielen Jahren, seit ich Karts gefahren bin. Wir sind fast gleich alt und er hat ein gutes Verständnis für den Wettbewerb. Ich freue mich schon darauf, unter seiner Leitung zu fahren."

Frage: "Christian, kann man erwarten, dass bei der Teampräsentation Anfang Februar der zweite Fahrer bekannt gegeben wird?"
Klien: "Ob es an diesem Datum bekannt gegeben wird, wissen wir selber noch nicht. Schön wäre es natürlich, weil wir dann endlich wissen würden, wer im Auto sitzen wird. Das muss man abwarten. Wir werden sicher früh genug erfahren, wer den Flug nach Australien buchen darf."

Frage: "Wer in Australien beginnt, wird sicher auch die ersten paar Rennen bestreiten, nicht wahr?"
Klien: "Ich denke nicht, dass nach einem Rennen gleich gewechselt wird, denn es sollte schon ein bisschen Kontinuität drin sein. Man muss schon zwei oder drei Rennen fahren, um einen Rhythmus zu finden. Die Zeit sollte man schon bekommen."

Nächste Testfahrten am 18. Januar in Barcelona

Frage: "Letzte Woche war Konditionstraining angesagt. Wie geht es jetzt für euch weiter?"
Klien: "Es geht am 18. los mit den Testfahrten in Barcelona, eine Woche später dann in Valencia. Dann sind zehn Tage Pause, in denen wir in Monaco wieder an der Fitness arbeiten werden, das ist schließlich auch ein wichtiger Punkt. Dann noch einmal zwei Tests und dann geht es schon nach Australien. Die nächste Zeit wird ziemlich stressig und dann beginnen die Rennen."

Frage: "David, bei McLaren-Mercedes hattet ihr mit Alexander Wurz einen Testfahrer. Musst du als Routinier jetzt diese Rolle auch ein bisschen mit ausfüllen?"
Coulthard: "Absolut, gar keine Frage. Ich kenne die Strukturen eines siegfähigen Grand-Prix-Teams und dieses Wissen will ich bei Red Bull einbringen. Hoffentlich gelingt es uns, uns Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, denn wir wollen in Zukunft Erfolg haben. Wenn man sieht, was 'Red Bull' als Firma aufgebaut hat, dann ist das beeindruckend. Warum sollte das in der Formel 1 nicht möglich sein. Es wird vom Konzept her anders sein als der Mainstream in der Formel 1, aber das muss ja nicht schlecht sein.