Der McLaren MP4-1 - eine Revolution auf vier Rädern
McLaren veränderte die Formel 1 mit dem ersten Kohlefaser-Chassis - 25 Jahre später ist Karbon immer noch das Material der Stunde
(Motorsport-Total.com) - Wir schreiben den 6.März 1981. Eine erwartungsvolle Schar Journalisten drängelt sich im regnerischen Silverstone: McLaren präsentiert den MP4-1, das erste komplette Karbon-Chassis aus der Feder von John Barnard. Nicht nur die Presseleute fröstelt es leicht, der "wind of change" bläst in wenigen Minuten durch die ganze Formel 1.
Der MP4-1 war das erste vollständig aus Karbon zusammengesetzte Formel-1-Chassis. Er war konstruiert als ein komplettes Formstück, und bestand nicht mehr aus einer Serie von flachen Aluminium Panelen, die mechanisch zusammengesetzt wurden.

© Schlegelmilch
Andrea de Cesaris teste einige Male das Crashverhalten des MP4-1
Das Design-Team ging also in zweifacher Hinsicht unkonventionell vor: Einmal durch den Gebrauch neuer Materialien, zum Anderen in der gesamten Konstruktionsmethode. Das Resultat war ein gewaltiger Sprung in Sachen Materialstärke und Komponentensteifheit, welches den Rennwagenbau in seinen Grundfesten revolutionieren sollte.#w1#
"Wie ein Flug mit einer Concorde"
Der damalige McLaren-Fahrer John Watson erinnert sich: "Es war wie ein Flug mit einer Concorde, wenn du bislang nur mit einer 707 geflogen warst." Watson gewann den britischen Grand Prix 1981 in Silverstone, der erste McLaren-Sieg der "modernen Zeitrechnung".
Es war das Highlight der Saison 1981 und Watson denkt mit einer Mischung aus Aufregung und Beklommenheit zurück: "Ein Kohlefaser-Chassis war ein großer Schritt ins Unbekannte. Die Frage, die damals alle Formel-1-Fahrer beschäftigte war: Was passiert bei einem Unfall?"
Watsons erste Bekanntschaft mit der unnachgiebigen Natur des Karbonfibers im Vergleich zum Aluminium geschah gleich in der frühesten Phase des Testprogramms: "Meine erste große Entdeckung war, dass man sich nicht den Ellenbogen am Cockpit anstoßen sollte. Da gab es kein Erbarmen, das tat einfach nur weh."
McLaren-Teamkollege Andrea de Cesaris demonstrierte die hohe strukturelle Integrität des Autos eher unfreiwillig, er kam bei zahlreichen Unfällen ungeschoren davon. Watson erlebte ähnliches, als er in den schnellen Lesmo-Kurven in Monza einen Abflug bei etwa 230 Stundenkilometern hatte: "Glücklicherweise stellte sich das Chassis fast als kugelsicher heraus."
"Unterschied wie Tag und Nacht"
Der aktuelle McLaren-Mercedes MP4-21 der Saison 2006 ist das am weitesten fortgeschrittene Formel-1-Design, welches das Team bislang hervorgebracht hat. "Der Unterschied zwischen dem MP4-1 und dem MP4-21 ist wie Tag und Nacht", erklärt Neil Oatley, McLaren-Mercedes-Chefkonstrukteur. "Es haben sich die Techniken und Materialien geändert, aber das Prinzip ist immer noch das Gleiche. Vor 1981 wurden sehr wenige strukturelle Komponenten zusammengesetzt, und ein Chassis aus dem Material zusammenzubauen, bedeutete einen großen Sprung in der Motorsport-Technologie. John Barnard, Chefkonstrukteur des MP4-1, war ein abenteuerlicher Ingenieur, der gerne in den Grenzbereich ging."
In der Tat. Wurden bislang bis zu 50 verschiedene Sektionen Aluminium für ein konventionelles Monocoque benötigt, so wurde der MP4-1 1981 mit nur fünf großen Lagen Karbon konstruiert. Die Kohlefaserschichten geben der Struktur eine viel größere Steifheit bei weniger Gewicht als Aluminium. Dieser Durchbruch sollte die Sicherheit in der Formel 1 revolutionieren, aber die Technologie wurde zunächst mit Mißtrauen beobachtet: "Rennwageningenieure sind traditionellerweise mechanische Ingenieure und hatten wenig Erfahrung im Umgang mit solcherlei Materialien", erinnert sich Oatley.
Nachdem die Konkurrenz die Vorzüge des neuen McLarens erkannt hatte, folgte ein Team nach dem Anderen. Heute sind über sechzig Prozent eines McLaren-Mercedes Formel-1-Autos mit Karbonfiber konstruiert. Die Technologie hat sich auf Aufhängungskomponenten ausgedehnt und auch die Getriebeeinhausung ist mittlerweile aus Karbon, übrigens die einzige ihrer Art, die bislang ein Rennen gewinnen konnte.
"Die Technologie in so einem feindlichem Umfeld zu gebrauchen, in der die Komponenten extremen Belastungen, Temperaturen und Vibrationen ausgesetzt sind, wäre früher ein Schritt in die Dunkelheit gewesen", sagt Oatley, "aber unser Wissen hat sich soweit verbessert, dass diese Entwicklungen nun sicher und ziemlich haltbar sind."
Weiterhin hochinnovativ
Im Willen, sowohl die Sicherheit als auch die Performance voranzutreiben, hat McLaren-Mercedes immer neue Materialien und innovative Technologien wie beispielsweise eine Harz-Infusion in die Entwicklung des MP4-21 eingeführt. Der komplexe Mix aus Karbonfiber und Harzen sollte verbessert werden, denn "die FIA wird die Anforderungen für ihre Crashtests in den nächsten Jahren deutlich verschärfen und wir gehen einen etwas anderen Weg, um diese Anforderungen besser zu erfüllen."
Große Schritte gab es auch im Bereich der Produktionstechniken. Die Konstruktion eines Formel-1-Chassis ist sehr komplex und beansprucht über 2.000 Mannstunden Arbeitsleistung. Dabei werden viele hundert Lagen Verbundstoffe bearbeitet und individuell maßgeschneidert, entweder nach Steifheit oder nach Stärke. Computerschablonen haben die Genauigkeit verbessert, und den Prozeß beschleunigt.
"Wir benutzen nun Laser-Technologie um die einzelnen Lagen zu positionieren und schneiden nicht mehr einzelne Schablonen aus, und wir benutzen Maßstäbe um zu entscheiden, wo jedes einzelne Laminat-Stück positioniert wird", sagt Chefdesigner Steve Foster. "Ein Großteil der Arbeit wird heute mit einem Knopfdruck erledigt, und die Laser reduzieren die Fehlerrate und sparen Zeit."
McLaren-Mercedes im Weltraum
Wurde der MP4-1 noch in Zusammenarbeit mit einem US-Luftfahrtkonzern gebaut, so produziert McLaren-Mercedes heute alle Teile "in-house". Mehr als 80 Menschen arbeiten alleine in der Abteilung, die sechs Autoklaven betreiben. Ein Autoklav ist der Backofen, in dem die Kohlefaserwabenschichten "hart" gebacken werden - unter hohem Druck und hoher Temperatur.
Aber die größte Bestätigung der Fortschritte der McLaren-Gruppe ist eine andere Entwicklung: wurde der Fortschritt in der Arbeit mit Karbon-Komponenten ursprünglich von der Raumfahrt bewerkstelligt, so entwickelt McLaren nun Komponenten für viele Weltraumprojekte der NASA. Eine größere Auszeichnung gibt es nicht.

