• 23.07.2002 10:09

  • von Fabian Hust

Der Grand Prix von Frankreich in der großen Analyse

Lesen Sie warum der Große Preis von Frankreich ein außergewöhnliches Rennen war und einige Teams stärker als zuletzt waren

(Motorsport-Total.com) - David Coulthard brachte es nach dem Rennen auf den Punkt: "So sollte Rennsport sein." Schon lange hatte es in einem Rennen keine zehn Führungswechsel mehr gegeben wie dies am letzten Sonntag in Magny-Cours der Fall war. BMW-Williams-Pilot Juan-Pablo Montoya führte das Feld ebenso an (30 Runden) wie die beiden McLaren-Mercedes-Piloten Kimi Räikkönen (21), David Coulthard (7) und der spätere Sieger Michael Schumacher (14). Schade nur, dass Rubens Barrichello schon am Start stehen blieb, denn der Brasilianer hätte wohl ebenfalls ein Wort um den Sieg mitgeredet.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher siegte in Magny-Cours mit einer Portion Glück

Fairerweise muss man aber jedoch sagen, dass die Spannung nur durch viel Glück zustande kam. Juan-Pablo Montoya war langsamer als Räikkönen, Schumacher und Coulthard und hielt so das Feld die ersten Runden bis zu den Boxenstopps dicht zusammen. Wäre Schumacher am Kolumbianer in der Anfangszeit des Rennens vorbeigekommen, so wäre es zur üblichen Solo-Vorstellung des Weltmeisters gekommen. Und den packenden Schlusskampf mit Räikkönen hätte es ohne Michael Schumachers Fehler bei der Ausfahrt der Boxengassenausfahrt und der anschließenden Durchfahrstrafe auch nicht gegeben.

Ferrari ? 128 WM-Punkte ? Platz 1
Fünf Ausfälle musste Rubens Barrichello in dieser Saison schon hinnehmen, Teamkollege Michael Schumacher sah in elf Rennen bisher immer die Zielflagge. Es sind meistens Kleinigkeiten mit großer Auswirkung, die den Brasilianer scheitern lassen, wie in Magny-Cours, als "Rubinho" am Vorstart aufgebockt stehen gelassen werden musste, weil man den Motor nicht in die Gänge bekam. Verständlich, dass Barrichello die Hände über den Kopf zusammenschlug und wütend war, als er das Auto in der Boxengasse endgültig verlassen musste.

Bei Michael Schumacher verlief hingegen fast alles planmäßig. Nur ein Moment der Unachtsamkeit gestaltete dem Kerpener das Rennen unnötig schwer, als er am Ende der Boxengasse die durchgezogene Linie überfuhr und für den Regelverstoß eine Durchfahrstrafe kassierte. Doch dank einiger schneller Runden konnte sich der Kerpener wieder auf dem nach dem Start angestammten Platz einreihen. Ein bisschen Schützenhilfe war dann aber doch notwendig, um den Sieg und WM-Titel einzufahren. Der Führende Kimi Räikkönen macht nach einem Ausrutscher auf öliger Fahrbahn den Weg frei.

An der Box arbeitete das Ferrari-Team wieder einmal perfekt und auch die Leistung des Gesamtpakets samt den Reifen konnte sich sehen lassen, auch wenn Michelin an jenem Tag den etwas besseren Reifen gehabt hatte. Mit 0,266 Sekunden Rückstand auf David Coulthard drehte Schumacher die zweitschnellste Runde des Rennens, wohlgemerkt konnte oder musste Schumacher zum Schluss keine Rekordrunden mehr in den Asphalt brennen. Die Qualifyingleistung war erneut schlechter als die Vorstellung im Renntrim, dennoch war man an Montoya dichter dran als noch in den letzten Rennen.

Kurzprognose:
Ferrari wird versuchen, den Konstrukteurstitel zu gewinnen, was deutlich vor Saisonende geschehen sollte. Rubens Barrichello auf den zweiten Platz zu bringen sollte auch ohne Schützenhilfe durch Schumacher möglich sein, vorausgesetzt, der Brasilianer kann in mehr Rennen bis ins Ziel fahren. Den Rekord von neun Saisonsiegen wird Michael Schumacher in dieser Saison bei verbleibenden sechs Rennen und bereits acht Siegen auf dem Konto nicht nur egalisieren sondern wohl auch deutlich überbieten.

BMW-Williams ? 66 WM-Punkte - Platz 2
Die Luft wird dünner für BMW-Williams. Im Qualifying ist man zwar weiterhin topp, doch was nützt es dem Team, wenn Juan-Pablo Montoya in dieser Saison bisher sechs Mal von ganz vorne ins Rennen ging, dennoch aber bisher kein einziges Rennen gewann? Der FW23 nutzt die Reifen schneller ab als die Konkurrenz, das hilft zwar im Qualifying auf eine Runde, kostet aber im Rennen gewaltig an Speed. So war Ralf Schumacher in seiner schnellsten Runde im Rennen um 0,539 Sekunden langsamer als Coulthard, Montoya um 0,652 Sekunden, was die Plätze vier und fünf bedeutet ? ein Spiegelbild des Rennergebnisses.

Während Juan-Pablo Montoya mit massiven Balance-Problemen teilweise atemberaubende Drift-Einlagen lieferte, raste Ralf Schumacher wie Bruder Michael über die durchgezogene Boxengassenlinie, das kostete ihn aber höchstens den vierten Rang. Glatt hingegen liefen dieses Mal die Boxenstopps, dennoch musste man sich mit Plätzen außerhalb des Podiums zufrieden geben und sich nicht nur von Ferrari, sondern auch von McLaren-Mercedes regelrecht vorführen lassen, vor allem in der Schlussphase des Rennens.

Kurzprognose:
Der Kampf um den zweiten Platz in der Konstrukteurswertung wird spannend, denn die Silberpfeile holen definitiv auf. Juan-Pablo Montoya und Ralf Schumacher haben beide Chancen auf den Vizetitel, jedoch wird man mit Rubens Barrichello eine verdammt harte Nuss zu knacken haben. So wie es im Moment aussieht, wird es noch Rennen geben, bei denen man sich in diesem Jahr zusammen mit McLaren-Mercedes um den Sieg balgt. Ein Sieg pro Saison wäre für die Ansprüche des Teams auch viel zu wenig.

McLaren-Mercedes ? 47 WM-Punkte ? Platz 3
Das McLaren-Mercedes-Team hat den Aufwärtstrend in Magny-Cours fortgesetzt und nur mit viel Pech den zweiten Saisonsieg der Saison verpasst. Kimi Räikkönen wusste im Qualifying wie im Rennen zu brillieren, die Art und Weise, wie sehr er sich über den zweiten Platz und den verpassten Sieg ärgerte, zeigt seine Besessenheit aber vielleicht auch den Druck unter dem er steht. Ein wenig mehr Freude wäre angebracht gewesen, denn Rang zwei war nicht nur das beste Ergebnis in der Formel-1-Karriere des Finnen, es war zudem ein starkes Resultat.

Teamkollege David Coulthard als Routinier hingegen leistete sich wie viele seiner Kollegen den Fauxpas, die Boxengassenlinie zu kreuzen. Die Unachtsamkeit kostete den Schotten aber keinen Platz und gestaltete auch das Rennen für ihn nicht schwieriger. Mit Wut im Bauch drehte 'DC' anschließend kurz vor Rennende mit 1:15.045 Minuten die schnellste Rennrunde, 0,361 Sekunden schneller als Kimi Räikkönen, der die drittschnellste Runde drehte.

Kurzprognose:
McLaren-Mercedes ist auf dem Vormarsch, Kimi Räikkönen wie David Coulthard haben das Zeug dazu, in diesem Jahr noch ein Rennen zu gewinnen und man kann davon ausgehen, dass Teamchef Ron Dennis noch einen Sieg feiern kann, vor allem Ungarn gilt als Geheimtipp. Das Team hat durchaus Chancen auf den zweiten Platz in der WM-Wertung, David Coulthard hat den Anschluss an den Vizetitel ebenfalls noch nicht verloren.

Renault ? 15 WM-Punkte ? Platz 4
Das Renault-Team präsentierte sich das ganze Wochenende über als viertstärkstes Team, wie man das schon die letzten Rennen über gesehen hatte. Jenson Button fuhr als Sechster einen WM-Punkt ein, Jarno Trulli musste mit einem Motorschaden ausscheiden. Button war das ganze Wochenende über stärker als Trulli, vielleicht war er besonders motiviert, da man an jenem Wochenende offiziell bekannt gab, dass man nicht länger mit ihm zusammenarbeiten wird.

Mit 0,912 Sekunden Rückstand drehte Jenson Button die sechstschnellste Runde, Teamkollege Jarno Trulli war als Achtschnellster 1,255 Sekunden langsamer als Coulthard in seiner schnellsten Runde ? auch dieses Bild passt in die momentane Leistungsfähigkeit des Teams, dem es auf allen Gebieten im Moment auf die Konkurrenz etwas zu mangeln scheint.

Kurzprognose:
Renault dürfte den vierten Platz vor Sauber locker halten können, das Vorhaben, McLaren-Mercedes vom dritten Platz zu verdrängen, muss man aber wohl erst einmal vertagen. Da sich McLaren-Mercedes in den letzten Rennen gesteigert hat, sind für die Franzosen eher nur niedrige Punkteplatzierungen möglich.

Sauber-Petronas ? 10 Punkte ? Platz 5
Nick Heidfeld, den Teamchef Peter Sauber behalten möchte, fuhr im Rennen auf den siebten Platz und holte damit das Maximum aus dem Auto heraus. In seiner schnellsten Rennrunde fehlten dem Deutschen 1,802 Sekunden auf die schnellste Runde des Rennens, das bedeutet Platz 12. Teamkollege Felipe Massa war einen Platz dahinter zu finden, ihm fehlten 1,984 Sekunden auf die Spitze.

Der Brasilianer erlebte ein übles Rennen. Beim Start gab er seinem Auto zu früh den Befehl zum Losfahren, die Folge war ein Frühstart und eine Durchfahrstrafe. Beim Herausfahren aus der Boxengasse überfuhr der Formel-1-Neuling dann auch noch die durchgezogene Linie, so dass er erneut zur Durchfahrstrafe an die Box rollen musste. In diesem Moment dürfte bei Peter Sauber der Gedanke, Massa durch einen anderen Fahrer zu ersetzen, ein wenig fortgedacht worden sein. Dass Massa dann auch noch ausfiel, als die Boxenmannschaft einen Stopp verpatzte und die Elektronik des Autos das übel nahm, war das Sahnehäubchen auf dem schalen Kaffee.

Kurzprognose:
Das Sauber-Team wird es schwer haben, den vierten Platz zu erreichen, zu gut ist mittlerweile das Renault-Team. Für einen fünften Platz müsste man sich aber wahrlich nicht schämen. Die eine oder andere Punkteplatzierung wird für Heidfeld und Massa noch im Bereich des Möglichen mein.

Jordan-Honda ? 6 WM-Punkte ? Platz 6
Eddie Jordan hat es nicht leicht. Als Giancarlo Fisichella bei seinem Unfall am Samstagmorgen zwar unverletzt davonkam, wurde dem Team jedoch ein teures Chassis samt Anbauteile zerstört und man konnte mit nur einem Auto ins Rennen gehen. Der Plan, Heinz-Harald Frentzen für ein Rennen zu verpflichten, scheiterte aus logischen Gründen der Frentzen-Anwälte. Takuma Sato fuhr ein für ihn typisches Rennen. Am Start schoss er übermütig Olivier Panis ab dann setzte er sein Auto auch noch in die Reifenstapel. Keine Glanzleistung.

Kurzprognose:
Giancarlo Fisichella kann für das Team noch den einen oder anderen WM-Zähler einfahren, man muss aber aufpassen, von den erstarkten BAR-Hondas nicht überholt zu werden. Bei Takuma Sato wird Eddie Jordan froh sein, wenn der Japaner die Ziellinie erreicht. Schade, denn das fahrerische Potential hat der Japaner, er muss nur ein weniger ruhiger zur Sache gehen. In den nächsten Rennen fährt Sato um seine Formel-1-Zukunft.

BAR-Honda ? 5 WM-Punkte ? Platz 7
Nach dem ermutigenden Rennen von Silverstone lief es für das BAR-Honda-Team in Magny-Cours nicht mehr so gut. Olivier Panis wurde am Start von Takuma Sato abgeschossen, drehte dann war noch wutentbrannt in der vierten Runde mit 1,233 Sekunden die siebtschnellste Rennrunde, musste dann sein Auto aber auf Grund eines Folgeschadens abstellen. Teamkollege Jacques Villeneuve schied mit einem Motorschaden aus. Der Kanadier drehte zuvor mit 1,622 Sekunden Rückstand die elftschnellste Rennrunde.

Kurzprognose:
Der Impuls des neuen Autos hat bei BAR scheinbar nur sehr kurz gewirkt. Zwar dreht der neue Honda-Motor nun deutlich höher, er scheint dafür aber nicht besonders zuverlässig zu sein. Es wird schwer sein für die Truppe aus Brackley in die Punkte zu fahren.

Jaguar ? 3 WM-Punkte ? Platz 8
Der neue Jaguar R3B ist definitiv ein Schritt nach vorne und Eddie Irvine wäre mit ihm in Magny-Cours auf den sechsten Platz gefahren und hätte damit Sauber und Renault geschlagen, was eine starke Leistung gewesen wäre ? wäre nicht der Heckflügel gebrochen. Nicht nur, dass dieser Defekt einem Team nicht passieren sollte und gefährlich ist, er kostete das Team einen wertvollen Punkt. Mit 1,411 Sekunden Rückstand rangierte Eddie Irvine in der Liste der schnellsten Rennrunden auf dem neunten Platz. Teamkollege Pedro de la Rosa kaum auf dem neunten Platz ins Ziel und war in seiner schnellsten Rennrunde nur 0,059 Sekunden langsamer.

Kurzprognose:
So langsam kommt man bei Jaguar in die Gänge. Besonders auf mittelschnellen Strecken sollte das Team durchaus die Möglichkeit haben, in die Punkte zu fahren, wenn der Michelin-Reifen besser ist als der Bridgestone-Pneu. Regelmäßige Zielankünfte in der Top 10 sind realistisch.

Minardi-Asiatech ? 2 WM-Punkte ? Platz 9
Mit den Plätzen 8 und 10 kamen wieder einmal beide Minardi ins Ziel, das Auto ist in Sachen Zuverlässigkeit erfreulich gut. Während Alex Yoong als Letzter mit einer um 3,953 Sekunden langsamern schnellsten Rennrunde und Drehern nicht zu überzeugen wusste, machte Mark Webber erneut einen vorzüglichen Job. Der Australier drehte mit 2,042 Sekunden Rückstand die schnellste Rennrunde Nummer 14, noch vor den beiden Toyotas.

Kurzprognose:
Das Minardi-Team bleibt das schwächste Team, aber es ist erstaunlich, welche Ergebnisse Mark Webber immer wieder mit diesem Auto erzielen kann. Dennoch wäre es vermessen zu sagen, dass es dem Team noch einmal gelingen kann, in dieser Saison in die WM-Punkte zu fahren.

Toyota ? 2 WM-Punkte ? Platz 10
Eigentlich hatte man in Magny-Cours getestet und eigentlich dachte man, dass das Auto dort gut funktionieren sollte, aber es sollte nicht sollen sein. Die Japaner waren sogar langsamer als Mark Webber im Minardi. Salo fehlten in seiner schnellsten Rennrunde 2,250 Sekunden, McNish 2,259 Sekunden. Beide Fahrer schieden zudem mit technischen Problemen aus.

Kurzprognose:
Von Rennen zu Rennen scheint Toyota etwas weiter abzufallen und scheinbar legt man kräftig nach, um wieder etwas aufzuholen, was daran zu erkennen ist, dass sich in letzter Zeit die Defekte bei den Japanern auffällig häufen.

Arrows-Cosworth ? 2 WM-Punkte - Platz 11
Was mit Arrows derzeit passiert, schmerzt wohl die gesamte Formel-1-Szene. Nach super Testfahrten wäre das Team mit Sicherheit in der Lage gewesen, ein gutes Rennen zu fahren, stattdessen schickte man beide Fahrer am Samstag zur absichtlichen Nichtqualifikation auf die Strecke und ließ sie dann auch noch in die Kameras lügen.

Kurzprognose:
Das Team hat definitiv das Potenzial, das eine oder andere Mal noch in die WM-Punkte zu fahren, doch wenn man nicht fahren kann, kann man auch keine Punkte holen. In den nächsten Wochen wird sich entscheiden, ob das Team sich retten kann oder ob es die Pleitewelle mitreißt.