• 21.07.2002 21:55

Der fünffache Formel-1-Weltmeister spricht

Michael Schumacher über die Höhen und Tiefen im Rennen, das Duell mit Räikkönen und warum Siegen für ihn wie eine Droge ist

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Dies ist dein fünfter WM-Titel, damit egalisierst du den Rekord von Juan Manuel Fangio. Wie fühlst du dich?"
Michael Schumacher: "Ja, wie fühle ich mich? Um ehrlich zu sein war ich noch nie darin gut, in diesen Momenten passende Worte zu finden. Es ist einfach über mich hereingebrochen. Ich war das ganze Wochenende über sehr entspannt, ich dachte das ganze Wochenende nicht an den Titel, denn um ehrlich zu sein hatte ich nicht das Gefühl, dass es hier passieren wird."

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Schumacher konnte es kaum fassen, schon in Frankreich den Titel zu verteidigen

"Ich sah natürlich, wie Rubens stehen blieb und bemerkte unsere Geschwindigkeit im Vergleich zu Montoya und ich fing langsam an, daran zu glauben. Dann machte ich dummerweise diesen Fehler, als ich aus der Box kam und über die weiße Linie fuhr. Ich wusste nicht, um wie viel, aber ich nehme an, dass es eher um Millimeter als um Zentimeter ging. Aber das ist vorbei und schon vergessen."

"Der Druck war für Kimi kein Problem"

"Und dann hatten wir ein solch ereignisreiches Rennen mit den Durchfahrstrafen und mehreren Zweikämpfen mit Kimi, der ein fantastisches Rennen fuhr aber es sollte nicht sollen sein und ich konnte es erst recht nicht glauben. Zehn Runden vor Schluss begann ich erneut Druck zu machen. Ich glaube nicht, dass der Druck für Kimi ein Problem war, das Problem für Kimi war die Tatsache, dass man das Öl nicht sehen konnte und das war es dann, wenn man auf ihm bremst. Ich wurde natürlich gewarnt, als ich sein Problem sah, ich konnte also ein wenig darauf reagieren und das war meine Chance."

"Und dann hatte ich die Weltmeisterschaft plötzlich wieder in der Tasche und das war etwas, das ich das ganze Wochenende über verdrängte, weil ich nicht daran glaubte. Ich fühlte mich also nicht unter Druck und plötzlich lag ich in Führung und dachte, dass es jetzt zum Titel geht. Ich glaube, dass dies die fünf schlimmsten Runden meiner Karriere waren, denn es lastete viel auf meinen Schultern und der Druck war es, keinen Fehler zu machen oder keine Dummheit zu begehen."

"Da realisierte ich erst, unter wie viel Druck ich stand"

"Auch wenn es schwierig ist, dass dich jemand überholt wenn du erst einmal in Führung liegst, war der Druck doch sehr groß. Da realisierte ich erst, unter wie viel Druck ich stand, was ich vorher gar nicht realisiert hatte."

"Ich war einfach nur froh, dass wir es zusammen mit diesem tollen Team geschafft haben, mit Leuten, die hinter mir stehen, die man einfach lieben muss und man kann sie für ihre Anstrengungen bewundern, die Arbeitslast und Motivation, die sie haben. Es ist vielleicht falsch, Namen zu nennen, denn es sind so viele. Ich liebe die Jungs einfach, wir haben eine solch großartige Beziehung und es ist fantastisch, das alles zusammen erreicht zu haben. 'Dankeschön' ist ein sehr kleines Wort für das, was sie für mich getan haben. Vielen Dank!"

Schumacher will noch mehr erreichen

Frage: "Es geht nun auf den neuen Hockenheimring, ein großartiger Platz für eine Party. Ich kann mich daran erinnern, dass du gesagt hast, dass du dich auf die Rennen freust, in denen du einfach so fahren kannst und auf die Atmosphäre dort?"
Schumacher: "Ja, ich sagte dies aber 2000 nach dem Titelgewinn, dass ich von nun an einfach aus Spaß fahre. Das ist vielleicht nicht 100-prozentig wahr, denn die Weltmeisterschaft ist auch eine Art Ziel und wir haben das erreicht und können uns nun auf jedes Rennen konzentrieren, es einfach genießen und das Beste aus ihm herausholen. Und hoffentlich haben wir noch ein paar aufregende Rennen und vielleicht ein paar gute Ergebnisse."

Frage: "Ich denke, dass ich nach jedem Titel mit dir gesprochen habe, aber dieser hier scheint für dich sehr, sehr speziell, sehr emotional zu sein."
Schumacher: "Ja, sie waren auf ihre Weise alle besonders. Man kann den einen nicht mit dem anderen vergleichen und was an ihnen so besonders ist. Jeder Sieg ist anders und es gibt nie einen Moment, an dem man sich daran gewöhnt. Man genießt es immer noch und fühlt sich dabei fantastisch."

"Wir waren alle ein wenig schneller als Montoya"

Frage: "Gleich zu Beginn des Rennens war es fantastisch und auch in 'Adelaide' ging es ziemlich zur Sache. Erzähl uns doch ein wenig!"
Schumacher: "Wie du gesagt hast, waren wir alle ein wenig schneller als Montoya der aus irgendeinem Grund im Rennen keinen guten Speed fand, besonders am Anfang. Die ersten drei, vier oder fünf Runden hatten wir unsere Möglichkeiten und das war der Moment, als ich es außen probierte und Kimi innen neben mich fuhr und wir beide auf die Schikane zufuhren und es dabei ziemlich eng wurde. Aber das ist meiner Meinung nach guter Rennsport, ich habe es wirklich genossen. Dann kamen wir plötzlich in einen Rhythmus und es gab keine Überholmöglichkeiten mehr. Dank der Boxenstopps wurde die Reihenfolge verändert und wir mussten wieder Gas geben, nachdem ich die Linie überfuhr, es war also ein ziemlich ereignisreiches Rennen, eine Menge Dinge sind passiert und es war sehr unterhaltsam."

"Wäre nicht an Kimi vorbeigekommen"

Frage: "Bevor Kimi zum Schluss rutschte, dachtest du, dass du ihn überholen kannst? Wolltest du ihn dir zurechtlegen, um zum Schluss einen guten Zweikampf zu haben?"
Schumacher: "Ich machte gleich nach dem Boxenstopp viel Druck. Dann nahm ich es ein wenig lockerer da ich keine Möglichkeit sah. Rund zehn, elf Runden vor Schluss begann ich wieder Zeit gut zu machen und versuchte es einfach. Um ehrlich zu sein denke ich nicht, dass ich ohne einen Fehler von ihm oder einen zu Überrundenden in der richtigen Position einen Weg vorbei gefunden hätte. Und das wäre auch nicht so gekommen, denn er fuhr ein fantastisches Rennen und er war in den richtigen Momenten weit genug vor mir und ich konnte so nicht an ihm vorbeikommen. Ich hatte einfach Glück und konnte so etwas nicht wirklich erwarten, aber so ist der Motorsport. Man muss es bis ans Ende schaffen und nach Möglichkeiten suchen."

Frage: "Gab es dort gelbe Flaggen, als er von der Strecke rutschte?"
Schumacher: "Es gab gelbe Flaggen. Ich kann mich nicht erinnern, ob da eine Ölflagge war und ich funkte gleich, ob ich unter Gelb überholt hätte oder nicht, aber ich denke, dass in einer solchen Situation, in der ich im Kurvenausgang nach einem solchen Zwischenfall war, habe ich das nicht getan. Ich weiß es nicht. Ich fuhr einfach auf meiner normalen Linie. Er war ganz offensichtlich weit ab von der Ideallinie, ich war in diesem Moment aber besorgt, aber es scheint kein Problem zu geben."

"Die fünf schlimmsten Runden meiner Karriere"

Frage: "Welche Gefühle hattest du auf der letzten Runde, was passierte und welche Mitteilungen bekamst du über Funk?"
Schumacher: "Ich glaube dass ihr mehr gesehen habt als ich beschreiben kann. Das ist ziemlich schwierig. Ich spürte keinen Druck vor dem Rennen, denn ich dachte nicht, dass es so kommen würde. Ich war mir ziemlich sicher, dass zwei oder zumindest einer meiner Gegner auf einer Position ins Ziel kommen würde, in der es nicht passieren würde. Und dann lag ich plötzlich vorne. Diese fünf schlimmsten Runden meiner Karriere wollten einfach nicht vorbeigehen. In diesen Momenten spürt man, wie viel Druck auf einen lastet, wie viel es einem bedeutet, wie sehr man den Sport liebt und wie entschlossen man ist. Und wenn man schließlich die Zielflagge sieht, dann löst sich alles und man weiß, dass man es geschafft hat. Das ist ein fantastischer Moment, unglaublich und man hat einfach einen Emotionsausbruch. Ich kann einfach dafür keine Worte finden."

Hunger auf mehr

Frage: "Verspürst du schon den Hunger noch mehr zu erreichen, um einen sechsten Titel zu fahren?"
Schumacher: "Den habe ich. Es ist einfach so, dass ich gerne Rennen fahre und versuche, so gute Rennen wie möglich zu fahren und hoffentlich schlussendlich einen weiteren Titel zu gewinnen. Wir sind als Team in einer solch guten Form, dass wir diese Leistungen noch länger bringen können, wir können Rennen wie diese weiterhin fahren, was meiner Meinung nach sehr aufregend ist. Dafür leben wir, deshalb lieben wir den Sport und das genießen wir am meisten."

Frage: "Was sagten dir die Leute an der Box als erstes als du die Ziellinie überquert hattest?"
Schumacher: "Das kannst du dir sicherlich denken."

Frage: "Nein, kann ich nicht?"
Schumacher: "Natürlich sagte mir Jean Todt über Funk, was ich erreicht habe. Da ich selbst rechnen kann, wusste ich es selbst, aber er bestätigte es mir und war sehr aufgeregt. Man hörte das ganze Team im Hintergrund jubeln und das ist ein wunderbares Gefühl."

"Ich war sehr emotional"

Frage: "Hast du im Helm oder vor der Siegerehrung geheult?"
Schumacher: "Ich war sehr aufgeregt und emotional, ja."

Frage: "Wie wirst du heute Abend feiern? Ich habe gehört, dass du eine Zigarette zu Hause im Stillen rauchen wirst?"
Schumacher: "Wir haben nichts vorbereitet, wir werden also sehen, was passieren wird. Ich weiß nicht, was ich tun werde, keine Ahnung."

Frage: "Und die Zigarre?"
Schumacher: "Ich denke jeder weiß, dass ich das nach dem Rennen tue, dies ist also kein Geheimnis, ich sehe nicht den Bedarf, das der ganzen Welt zu sagen. Ich bin eine Art Vorbild für die Kinder und die sollten bitte nicht rauchen..."