Der Ferrari-Deal und seine vielen Konsequenzen

Die FIA, 'FOM' und Ferrari haben ein neues Concorde Agreement unterschrieben - Ecclestone verspricht Geld für eine stabile Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Jahrelang haben die zur 'GPWC' zusammengeschlossenen Automobilhersteller der Formel 1 einen scheinbar endlosen Kampf um mehr Macht und vor allem Geld ausgetragen, doch seit heute Nachmittag zeichnet sich ein Ende ab: Mit der Unterschrift unter ein neues Concorde Agreement haben die FIA, Bernie Ecclestones 'Formula One Management' ('FOM'), und Ferrari die Weichen für die Zukunft gestellt.

Titel-Bild zur News: Jean Todt und Bernie Ecclestone

Ferrari-Teamchef Jean Todt im Gespräch mit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone

Dem vorangegangen war von einigen Monaten ein 500-Millionen-Dollar-Köder (umgerechnet knapp 385 Millionen Euro), den Ecclestone den zehn Teams angeboten hat, falls sie sich dazu verpflichten, sich bis 2012 an die Formel 1 zu binden und den Plänen einer Konkurrenzserie abzuschwören. Der Betrag soll bis 2007 ausgezahlt werden. Nun hat sich Ferrari als erster Rennstall richtungsweisend auf diesen Deal eingelassen und die entsprechenden Dokumente unterzeichnet.#w1#

Ferrari unterschreibt verändertes Concorde Agreement

Bei diesen Dokumenten handelt es sich laut Ferrari-Informationen um eine modifizierte Version des Concorde Agreements, quasi der Verfassung der Formel 1, das alle kommerziellen Belange - und somit auch die Verteilung der TV-Gelder - regelt. Das neue Abkommen tritt 2008 in Kraft und läuft bis 2012, also für einen Zeitraum von fünf Jahren. Somit steht fest, dass Ferrari zumindest vor 2013 definitiv nicht an der geplanten 'GPWC'-Serie teilnehmen wird.

Wie Ecclestone den italienischen Traditionsrennstall, dessen Mutterkonzern Fiat ursprünglich als treibende Kraft hinter den 'GPWC'-Plänen gegolten hat, für sich gewinnen konnte, ist offiziell nicht bekannt. Hinter vorgehaltener Hand freilich wird getuschelt: Neben dem 500-Millionen-Dollar-Bonus dürfte er den Teams auch eine höhere Beteiligung an den TV-Geldern versprochen haben. Bisher naschten Ferrari, McLaren-Mercedes und Co. 47 Prozent vom großen Geldkuchen mit, von den Herstellern gefordert wurden zuletzt 80 Prozent. Irgendwo dazwischen wurde wohl die neue Quote angesiedelt.

Dass sich Ferrari für die Formel 1 und gegen die geplante Herstellerserie entschieden hat, ist für die 'GPWC' ein herber Rückschlag, noch ist aber nicht aller Tage Abend, zumal erst eines von zehn Teams das neue Concorde Agreement unterschrieben hat. Allerdings deutet im Moment alles darauf hin, dass der Rest bald folgen wird: "Die Teams, mit denen ich schon gesprochen habe, haben alle gesagt, dass es ein positiver Schritt ist", erklärte Ecclestone. Nur mit Eddie Jordan habe er sich diesbezüglich bisher noch nicht unterhalten.

Ecclestone verspricht den Teams mehr Geld als bisher

Den Teams verspricht der 74-jährige Brite: "Die Passagen des Concorde Agreements, über die sie sich Sorgen gemacht haben, haben wir geändert." Und: "Sie werden auch mehr Geld bekommen." Von knallharten Verhandlungen wollte er gegenüber der 'BBC' aber nichts wissen: "Immer dann, wenn wir ein neues Concorde Agreement gemacht haben - und ich war immer daran beteiligt -, hatte irgendjemand etwas Anderes vor. Jeder will für sich das Beste herausholen, aber das ist kein Problem."

Einen Kampf mit der 'GPWC' habe es "nie gegeben", sagte er weiter - offensichtlich nach seinem sportpolitischen Sieg voller Selbstbewusstsein. In der Tat bedeutet das Abkommen mit Ferrari einen bedeutenden Schritt in Richtung einer stabilen Formel 1 ohne Interferenzen einer drohenden Konkurrenzserie, weil in Fachkreisen davon ausgegangen wird, dass eine Rennserie auf so hohem Niveau nur für denjenigen Sinn macht, der Ferrari an Bord hat.

Ecclestone zuversichtlich: "Wir stehen gut da"

Gegenüber 'Reuters' bestätigte Ecclestone diese Darstellung: "Wir stehen gut da, sind in guter Verfassung. Allerdings hätte es schon vor einem Jahr so sein sollen." Bedeutet das nun das Aus für die 'GPWC', Bernie? "Ich weiß nicht, ob es das Ende von irgendwas ist", entgegnete er. "Wir haben viele Rivalen. Die A1-Serie geht ja auch demnächst los."

Im Windschatten der heutigen Ereignisse traten auch einige Ungereimtheiten zutage, die von den Medien in den letzten Monaten offenbar geschickt ferngehalten worden sind. So soll Ferrari laut dem Formel-1-Zampano schon vergangenes Jahr aus der 'GPWC' ausgestiegen sein, was sich mit Aussagen von Ferrari-Präsident Montezemolo deckt, der im Dezember 2004 eine Lösung für 2005 angekündigt hatte. Eine 'GPWC'-Sprecherin widersprach dieser Darstellung freilich vehement und behauptete, Ferrari beziehungsweise Fiat sei bis zum Schluss involviert gewesen.

Wie aber geht es nun mit der 'GPWC' weiter, die nunmehr nur noch aus BMW, Mercedes und Renault besteht? "Ich glaube nicht, dass es das Ende der 'GPWC' ist", so Minardi-Teamchef Paul Stoddart in einer Stellungnahme gegenüber 'Reuters', "aber es ist das Ende der Pläne für eine separate Meisterschaft, dass kann ich sagen. Das Timing ist makellos, Gratulation an Bernie. Ich glaube nicht, dass es etwas Bösartiges beinhaltet. Damit hat er einen großen Coup gelandet."

Haug glaubt nicht an das Ende der 'GPWC'-Ziele

Mercedes-Sportchef Norbert Haug, naturgemäß den 'GPWC'-Zielen näher als den Visionen von Ecclestone, sagte, dass sich "nichts an der Zielsetzung der Hersteller, die positiv für die Teams und den Sport ist", ändern wird: "Wir sind uns nach wie vor sicher, dass die 'GPWC' mit allen anderen Teams gemeinsam an der Zukunft der Formel 1 arbeitet und dass dabei eine gerechte Verteilung des erwirtschafteten Geldes unter den Teams stattfinden wird."

Abgesehen von der Ferrari-Unterschrift gibt es aber auch an der Nebenfront interessante Ereignisse, die plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen: Vor einem Londoner Gericht beginnt nächste Woche ein Rechtsstreit zwischen der Formel-1-Firma 'FOM' und deren Tochtergesellschaft 'FOA'. Dabei handelt es sich um die logische Fortsetzung des Machtkampfes zwischen Ecclestone und den drei 'SLEC'-Banken, die bekanntlich 75 Prozent der Formel 1 besitzen. Nachdem die Banken zuletzt die Kontrolle über die 'FOM' erlangt haben, wollen sie ihren Einfluss nun auch auf die 'FOA' ausdehnen.

In den nächsten Monaten werden die 'Bayerische Landesbank', 'JP Morgan' und 'Lehman Brothers', die über die gemeinsame Investmentfirma 'Speed Investments' 75 Prozent an der Formel-1-Holding 'SLEC' halten, in einer ganzen Reihe von Gerichtsprozessen versuchen, Schritt für Schritt die Kontrolle über das gesamte Ecclestone-Imperium zu erlangen. Der Formel-1-Zampano hält bekanntlich nur 25 Prozent der 'SLEC'-Anteile, hat es aber verstanden, ein so komplexes Firmengeflecht aufzubauen, dass es möglicherweise Jahre dauern wird, bis er komplett entmachtet ist.

Verkaufen die Banken die Formel 1 an die 'GPWC'?

Je weiter die Kontrollambitionen der drei Banken jedoch voranschreiten, desto gewinnbringender können sie ihre Dreiviertelmehrheit an der 'SLEC' verkaufen - und man muss kein Genie sein, um einen an und für sich logischen Käufer auszumachen, nämlich die 'GPWC'. Auf diesem Wege könnten die zusammengeschlossenen Automobilhersteller doch noch ihre eigene Rennserie - dann eben die Formel 1 - bekommen.

Auch Stoddart kann sich so ein Szenario vorstellen: "Ich glaube, dass es hinter den Kulissen zu einem Deal kommen wird, bei dem die 'GPWC' die Anteile der Banken übernehmen und somit 'Speed Investments' besitzen wird", vermutet der Australier. Der Unterschied zu einer eigenen 'GPWC'-Serie wäre dann jedoch, dass sich die Hersteller - obwohl praktisch Besitzer der Königsklasse - an das von Ecclestone ausgehandelte Concorde Agreement halten müssten, das bis 2012 läuft.

Auf jeden Fall stellen die überraschenden Entwicklungen des heutigen Tages einen bedeutenden Schritt in eine stabilere Zukunft der Formel 1 dar, wenngleich abgewartet werden muss, ob auch die restlichen Teams in den nächsten Wochen das neue Concorde Agreement unterzeichnen werden. Zumindest das Gespenst der drohenden Teilung in zwei Formelklassen auf höchstem Niveau, das viele gefürchtet haben, ist nun aber mit hoher Wahrscheinlichkeit vertrieben...