• 13.09.2003 11:34

Dennis: "Sollten in den letzten zwei Rennen stark sein"

Ron Dennis spricht über die Auswirkungen der Reifenaffäre, die schwierige Situation mit den Banken und vieles andere mehr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Der Rennkalender für die nächste Saison ist gerade bekannt gegeben worden. Wie ist deine Meinung dazu?"
Ron Dennis: "Nun ja, die Formel 1 ist ein ziemlich intensives Geschäft. Ehrlich gesagt macht es aber nur Sinn seine Meinung zu äußern wenn man dadurch einen Einfluss auf etwas nehmen kann. Da der Rennkalender aber nicht von den Teams festgelegt wird, und wir nicht nach unserer Meinung gefragt wurden, besteht jetzt auch kein Grund mehr uns zu fragen. Es ist die normale Situation, dass wir vor vollendete Tatsachen gestellt werden und damit zurechtkommen müssen."

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

Dennis ist über den Reifenstreit alles andere als glücklich gewesen

Frage: "Zum jetzigen Zeitpunkt befinden sich drei Teams im Rennen um die Weltmeisterschaft und das vierte Team könnte in vielerlei Hinsicht eine Rolle spielen. Wie geht ihr die letzten Rennen des Jahres an? Ist die Situation anders als sonst und beobachtet ihr die Konkurrenz jede Minute?"
Dennis: "Wir haben in den letzten zwei Monaten hart gearbeitet, um ein neues Aerodynamikpaket und andere Verbesserungen, sowohl am Motor als auch dem Rest des Autos, einsetzen zu können. Ich glaube, dass der Großteil dieser Verbesserungen uns in den verbleibenden zwei Rennen einen größeren Schritt bescheren wird, denn das hier ist eine Hochgeschwindigkeitsstrecke auf der wir nicht so sehr davon profitieren. In den letzten beiden Rennen sollten wir aber sehr stark sein. Es ist mathematisch klar, dass dieses Rennen keine Entscheidung in der Weltmeisterschaft herbeiführen wird, doch es wird ganz sicher für zwei der drei Teams eine vorteilhafte Vorentscheidung sein. Wir hoffen natürlich zu einem der beiden Teams zu gehören, doch es wird ein guter Kampf werden. Wir genießen das und wie Ross schon sagte, so versucht man seine Chancen etwas zu verbessern und alle sind etwas sorgfältiger. Wir müssen einfach abwarten was uns der Sonntag bringt."

Die Formel 1 benötigt ein eindeutiges Reglement

Frage: "Frage Nummer drei bezieht sich auf das Thema Teamorder. Ist das eine Grauzone im Reglement? Wie ist deine Interpretation, besonders im Hinblick darauf, dass sie in den letzten drei Rennen des Jahres angewendet werden könnte?"
Dennis: "Nun, es ist doch so, dass jeder etwas dazu gesagt hat das entweder komplett wahr oder im Großen und Ganzen wahr ist. Es gibt zahlreiche Konflikte in unseren sportlichen Bestimmungen und vielleicht ist dieser hier ein gutes Beispiel dafür. Wir sprechen hier einzig und ausschließlich darüber, wie ein Fahrer sein Auto fahren und nicht fahren darf und zugleich gibt es eine für akzeptabel gehaltene Ansicht darüber, dass ein Fahrer einem anderen Windschatten geben kann wenn wir uns alle zusammen qualifizieren würden. Man könnte also argumentieren, dass in solchen Situationen ein Fahrer einem anderen hilft. Aber der Schlüssel zum Ganzen ist das Wort Team. Teamplay besagt, ohne Zweifel, dass man gemeinsam versucht ein Ziel zu erreichen, doch es geht darum wie man das dauerhaft interpretiert."

"Wenn wir zum Beispiel ein Rennen hätten in dem zwei Autos an Position eins und zwei liegen und nur der Fahrer im zweiten Auto die Weltmeisterschaft gewinnen kann wenn er als Erster ankommt, dann denke ich, dass es jeder als falsch ansehen würde wenn sein Teamkollege ihm nicht erlauben würde die Führung zu übernehmen um dadurch die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wir müssen ausgewogen und unvoreingenommen sein, denn bestimmte Situationen erfordern eine Interpretation, und im Moment ist die Regelinterpretation eher eine strittige Angelegenheit. Allerdings handelt es sich hierbei um keine Sache die neu für die Formel 1 ist. Ich denke, dass der Großteil aller Teilnehmer am Grand Prix-Sport absolut eindeutige Regeln bevorzugen würde, denn so gäbe es keine Doppeldeutigkeiten und auch nicht die Notwendigkeit die Interpretationen zu deuten. Genau das ist es was wir anstreben, jedoch auch konstant verfehlen zu erreichen."

Dennis fordert dazu auf einen Schlussstrich unter die Reifenaffäre zu ziehen

Frage: "In den letzten Wochen hat es zahlreiche Meldungen zum Thema Reifen gegeben. Wie ist deine Ansicht betreffs dieser Angelegenheit?"
Dennis: "Ich denke, dass es sich hierbei um eine der äußerst seltenen Angelegenheiten im Motorsport handelt in der jeder alle Fakten und das Timing dessen was passiert ist sehr gut kennt. Ich glaube auch, dass immer eine Möglichkeit besteht, dass die Medien in ihrer Meinungsbildung beeinflusst werden, doch ich denke, dass dies auf den tatsächlichen Informationen passiert. In dieser Sache war die Reaktion seitens der Medien meiner Meinung nach angemessen. Ich vertrete auch die Ansicht, dass die Vorgehensweise der FIA, nach den Diskussionen zwischen ihnen und einigen Teams und Michelin richtig war, doch ich finde es unangemessen in dieser Umgebung, einem Forum das von der Motorsportbehörde unterstützt wird, mich auf ein Thema einzulassen bei dem es sich um eine recht kontroverse Sache handelt."

"Da ich aber eine Person bin die sehr offen ist, besteht natürlich das Verlangen auf die Anspielungen und Anschuldigungen zu kontern, doch ich werde nichts dergleichen tun und ich werde nichts sagen. Ich hoffe, dass wir jetzt einen Schlussstrich unter dieses Thema ziehen können, denn meiner Ansicht nach haben wir eine großartige Weltmeisterschaft die bis zum Ende der Saison so bleiben wird wenn es nicht noch mehr Kontroversen gibt die ans Licht gebracht werden. Ich denke, dass wir alle wissen wie wir uns fühlen nachdem wir am morgen aufgestanden sind und uns im Spiegel angesehen haben. Man fühlt, ob man Integrität besitzt und ob man seine Firma oder sein Team oder sein eigenes Leben auf eine Art und Weise führt mit der man zufrieden ist. Ich selbst habe nie ein Problem mit meinem Spiegelbild gehabt, vielleicht aber andere Leute."

Reifenstreit hat einen negativen Einfluss auf den Verlauf der Weltmeisterschaft

Frage: "Inwiefern hat euch diese Reifensache in den letzten Wochen in der Weiterentwicklung und Verbesserung eurer Konkurrenzfähigkeit beeinflusst oder beeinträchtigt?"
Dennis: "Ich denke, dass es vielleicht eine ein wenig lustige Art ist die Frage zu beantworten, doch ich erinnere mich daran in meiner Jugend einen Film namens Ben Hur gesehen zu haben. Dort gibt es eine Szene in der die Sklaven ausgepeitscht werden um mit Rammgeschwindigkeit zu rudern. Selbstverständlich handelt es sich abei um die Höchstgeschwindigkeit des Bootes die beim Rammen dem Gegner den größtmöglichen Schaden zufügt. Rammgeschwindigkeit ist natürlich aber auch etwas das ein Grand Prix-Team erreicht, oder zu einem Zeitpunkt, in der die Weltmeisterschaft kritisch und so ausgewogen wie jetzt wird, zu erreichen versucht. Ross hat darauf angespielt, indem er andere Umschreibungen benutzt hat. Doch alles was den Rhythmus und das Tempo das man vorlegt, um zu gewinnen, unterbricht, ist in solch einer kritischen Situation natürlich störend."

Jedes Michelin-Team hatte bei den Monza-Tests nur zwei neue Reifensätze

"Wir mussten einen beträchtlichen Teil unserer Monzatestfahrten den Reifentests widmen. Alle anderen Reifen die uns zur Verfügung standen waren zur Optimierung des Autos für dieses Rennen hier irrelevant, denn es gab nur eine beschränkte Anzahl an neuen Reifen. Tatsächlich bekam jedes Team zwei Sätze. Aus diesem Grund sind alle Dinge wie die Ausbalancierung, die wir ja mit den anderen Reifen durchgeführt haben, wertlos geworden, als entschieden wurde, dass wir diesen leicht modifizierten Vorderreifen verwenden müssen. Es war deshalb eine große Beeinträchtigung und es hat auch verhindert, dass wir zwei schnellere Reifenoptionen aus Michelins Sortiment benutzen können. Hat es irgendeinen Einfluss auf den Verlauf der Weltmeisterschaft? Einen negativen Einfluss ganz bestimmt, doch wie stark dieser ist, kann man nur schwer sagen. Es hat aber einen negativen Einfluss und ich glaube, dass das Teil der Strategie gewesen ist, doch das ist nun einmal Motorsport."

Frage: "Es scheint ein paar unterschwellige Feindseligkeiten gegenüber Ferrari wegen des Timings zu geben. Wenn die Sache aber anders herum wäre, hättet ihr dann nicht dasselbe getan und habt ihr nicht schon dasselbe getan? Wenn ihr vermutet sie würden mit etwas Illegalem fahren, auch im letzten Rennen der Weltmeisterschaft, würdet ihr dann nicht zur FIA gehen?"
Dennis: "Ich habe keinen Zweifel, dass das Niveau des Grolls in einer ähnlichen Situation genauso groß wäre."

Dennis: Unsere Reifen waren regelkonform

Frage: "Ron, bist du verunsichert darüber, dass die FIA die Ergebnisse revidieren könnte? Glaubst du, dass es realistisch wäre, dass dadurch die Formel 1 zerstört werden könnte?"
Dennis: "Nun, wie ich schon vorhin schon verdeutlicht habe, so denke ich, dass die Vermutung, unsere Reifen wären nicht regelkonform, auf Fotos basiert auf denen die Reifen Abrieb aufgesammelt haben. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass unsere Reifen, nachdem sie ordentlich gereinigt und gemessen wurden, auch regelkonform waren. Ich glaube, dass abgesehen von ein oder zwei Reifen aus Ungarn überhaupt keiner mehr existiert mit denen wir bisher gefahren sind."

"Es wäre also eine sehr schwer wiegende Entscheidung wenn man nicht nachweisen kann dass die Autos bei Rennen die vor Monaten stattgefunden haben nicht regelkonform waren. Ich bin jedoch der Meinung, dass wir alle versuchen sollten das Gesamtbild des Grand Prix-Rennsports zu sehen. Die kommerzielle Instabilität die in Folge der Kirch-Pleite eingetreten ist hält den Sport noch immer zurück. Drei Viertel der Anteile an unserem Sport befinden sich in der Hand von nicht am Sport sondern lediglich den finanziellen Aspekten die diese Beteiligung mit sich bringt interessierten Parteien. Das ist aber eine sehr negative Sache im Bemühen die Formel 1 voran zu bringen und einige der Angelegenheiten zu klären auf die Patrick und ich angespielt haben. Unglücklicherweise bedeuten 75 Prozent der Anteile in jedem Geschäft - und die Formel 1 ist hier keine Ausnahme -, dass man damit eine Mehrheit und die Kontrolle besitzt."

Kritik an den Banken die die Mehrheit an der Formel 1 besitzen

"Es scheint bei allen drei involvierten Banken eine komplette Naivität dahingehend zu bestehen, dass jeder der zum jetzigen Zeitpunkt Anteile kaufen will vor einem Wertverlust von mindestens 50 Prozent steht, was einfach das Ergebnis der Wirtschaftskrise und der dot com-Pleiten ist. Diese sehr einfache ökonomische Tatsache scheinen sie aber nicht begreifen zu wollen und das macht es sehr schwierig einen Weg vorwärts zu finden. Sie zögern ihren Verlust einzusehen und verschließen sich praktischen Möglichkeiten aus ihren Investitionen einen Ertrag zu generieren. Sie besitzen ganz einfach keine realistische Einstellung was die Zukunft betrifft und das ist ein wesentlicher Punkt den wir erst einmal klären müssen bevor wir uns auf die weniger schwierigen Angelegenheiten konzentrieren können."

"Lasst uns versuchen uns daran zu erinnern, dass es sich um einen tollen Sport handelt, einen Sport der hinsichtlich des kommerziellen Wachstums von uninteressierten Parteien kontrolliert wird die nicht bereit sind sich hinzusetzen und über die Dinge, über die wir sprechen müssen um einige Dinge zu regeln, zu reden. Sie sind nur bereit über etwas zu sprechen was Relevanz besitzt ihnen das verlorene Geld zurückzubringen. Dieses Gefühl haben viele Leute innerhalb der Führung unseres Sports und auch die anderen kommerziellen Partnern und die Teams selbst."

"Ich hoffe, dass derjenige der die Meisterschaft gewinnen wird, wer auch immer das sein wird, dann das Gefühl haben wird sie wirklich gewonnen zu haben. Von wichtigerer Bedeutung ist jedoch, dass wir die schwierigeren Angelegenheiten lösen und das ist auch der Grund warum ich mich hinsichtlich dieser anderen Dinge, die sicher sehr frustrierend, ablenkend aber generell von weniger Bedeutung sind, sehr ruhig verhalten habe und auf die andere Sache konzentriere."