Das vergessene Triumphjahr: Wie Lauda 1975 Ferrari erweckte

Mit Niki Lauda auf Spurensuche, genau 40 Jahre danach: Warum sich die Legende an den ersten WM-Titel kaum erinnert, obwohl er "der Wichtigste" war

(Motorsport-Total.com) - Die Pokale haben seine Söhne längst auf eBay verscherbelt, nachdem sie jahrzehntelang bei einer Tankstelle in der Vitrine standen. Damit Niki Lauda dort sein Auto gratis waschen lassen kann. "Sie hatten aber Rost angesetzt", sagt der 66-jährige Wiener, der heute einer der Architekten hinter der Mercedes-Dominanz ist. Und selbst die Erinnerungen an den einst "schönsten Tag in meinem Leben" sind verblichen: "Ich habe in Monza meine erste WM gewonnen, oder?", fragt der 66-Jährige im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Niki Lauda, Emerson Fittipaldi

Niki Lauda besiegte 1975 Emerson Fittipaldi und holte seinen ersten Titel Zoom

Tatsächlich sicherte sich Lauda 1975 im Autodromo Nazionale Monza - also auf den Tag genau vor 40 Jahren - seinen ersten WM-Titel. Doch selbst in Laudas Eintrag auf Wikipedia findet man nur zwei Zeilen über das Triumphjahr.

Gedächtnislücke 1975

"Ich hab dann noch zwei Weltmeisterschaften gewonnen, bin dann verunglückt, mir ist das alles vollkommen entfallen", erklärt Lauda, dass sein Durchbruchsjahr von den dramatischen Ereignissen in seiner Karriere, die es mit "Rush" sogar zum Hollywood-Kassenschlager gebracht haben, etwas in den Schatten gestellt wurde. "Die Prioritäten sind dann später andere geworden."

Ferrari 312T

Das Wunderauto: Der 312T von Mauro Forghieri setzte neue Maßstäbe Zoom

Zu Unrecht, denn 1975 setzten Lauda und die Scuderia neue Maßstäbe in der Formel 1, er beendete eine elfjährige Ferrari-Durststrecke ohne Titel und leitete eine an die Schumacher-Jahre erinnernde Erfolgsära ein. Und auch sonst war das Jahr voller Dramen, Tragödien und Emotionen. Den Titel stellte er ausgerechnet vor den frenetisch jubelnden Ferraristi im königlichen Park von Monza sicher.

Doch obwohl er bei der "Rush"-Kinovorpremiere weinen musste, hat Lauda für Sentimentalitäten nur wenig übrig. Selbst als er von 'Motorsport-Total.com' auf sein revolutionäres Rennauto, den 312T, angesprochen wird, gibt er zu: "Ich erinnere mich gar nicht mehr, wenn Sie mich heute fragen." Wird dann aber selbst neugierig: "Wie viele Rennen hat es denn gewonnen?" Die Antwort: fünf Grands Prix, aber gleich neun Pole-Positions bei nur 14 Rennen. Eine brillante Leistung.

Der Sparringspartner: Clay Regazzoni

Im Jahr davor hatte Lauda bei Ferrari debütiert, zwei Rennen gewonnen und war in der WM Vierter geworden, während Teamkollege Clay Regazzoni den Titel um drei Pünktchen gegen McLaren-Star Emerson Fittipaldi verloren hatte. Der Österreicher erwies sich als äußerst schnell, aber noch fehlerhaft.

Und erinnert sich positiv an den Schweizer, der ihn Ende 1973 Enzo Ferrari empfohlen hatte und somit auch dafür sorgte, dass Lauda mit der Ferrari-Gage seinen für den Formel-1-Einstieg aufgenommenen Kredit bis Ende 1975 abgestottert hatte. "Wenn ich alles richtig gemacht habe, war ich schneller als er", sagt Lauda. "Er war ein guter Teamkollege, weil er mich genügend zu meinen Höchstleistungen gepusht hat. Ohne ihn wäre ich sicherlich nur gut geworden, gerade bei Ferrari, wo viel Politik mitgespielt hat."

1974 hatte noch der Mann mit dem Schnauzbart die Oberhand, aber Lauda sägte bereits an dessen Nummer-1-Status. Als Teamchef fungierte mit dem blutjungen Luca di Montezemolo ein absoluter Neuling. Er war mit seinen 27 Jahren nur eineinhalb Jahre älter als Lauda und ganze acht Jahre jünger als Regazzoni.

Der blutjunge Stratege: Luca di Montezemolo

Der entscheidungsfreudige Italiener griff auch manchmal daneben, wie Lauda erzählt: "Der Luca war am Anfang unerfahren, aber strategisch gut - hat Fehler gemacht." In den 1970er-Jahren konnte man in der Formel 1 als Polesetter noch selbst entscheiden, auf welcher Seite man startet. Als Lauda 1974 in Monte Carlo als Trainingsschnellster vor seinem Teamkollegen zum Startplatz kam, traute er seinen Augen nicht.

Luca di Montezemolo

Der spätere Ferrari-Boss Montezemolo war mit 27 Jahren Laudas Teamchef Zoom

"Plötzlich stehe ich links, weil es geändert wurde. Das war Montezemolo, weil er draufgekommen ist, dass Peterson hinter mir steht. Und weil der eine Gefahr war, hat er mich nach links gestellt, um eine Peterson-Attacke zu verhindern." Als Regazzoni den Start gewann und in Führung ging, ärgerte sich Lauda. "Der Luca muss doch einen Vogel haben. Alles, was recht ist, aber das ist meine Pole-Position!"

Lauda setzte Regazzoni so stark unter Druck, bis dieser crashte, und schied schließlich selbst mit einem Elektrikdefekt aus. "So haben wir beide das Rennen verloren. Dann habe ich dem Luca gesagt: 'Siehst du? Das war alles nicht notwendig!'", war Lauda schon damals ein Mann der klaren Worte.

Lauda verpatzt den Saisonstart

1975 sollte dann Laudas Jahr werden - und den Grundstein zum Durchbruch legte der geniale Ferrari-Cheftechniker Mauro Forghieri. Er entwickelte das revolutionäre Siebengang-Quergetriebe, das vor der Hinterachse montiert wurde und die Balance des Boliden deutlich verbesserte. Am Anfang war Lauda noch skeptisch, weil er bereits ein Deja-vu des Jahres 1972 fürchtete: Da narrte ihn das ebenfalls quer eingebaute March-Getriebe ständig. Doch dazu kam es nicht.

Carlos Pace, Carlos Reutemann, Jody Scheckter, Patrick Depailler, Niki Lauda

Bei den ersten Rennen kämpfte Lauda mit dem Vorjahresauto nicht um den Sieg Zoom

Die ersten zwei Saisonrennen in Buenos Aires und Interlagos musste Lauda noch mit dem alten B3 absolvieren, mit dem er nicht über die Plätze sechs und fünf hinauskam. Titelverteidiger Emerson Fittipaldi startete hingegen mit einem Sieg und einem zweiten Platz hervorragend in die Saison. Auch die Premiere des 312T in Südafrika ging gründlich daneben, als Lauda im Training mit Tempo 120 km/h in die Mauer donnerte und im Rennen als Fünfter erneut farblos blieb.

Kein Wunder, dass die italienische Presse bereits tobte und Ferrari unter Druck setzte. Lauda schwante jedoch, dass mit dem neuen Auto etwas nicht stimmte. Gewohnt pragmatisch forderte er auf der Teststrecke in Fiorano einen Vergleichstest des 312T mit dem alten Auto und knallte prompt einen neuen Rundenrekord hin. Bei einer Untersuchung hatten die Techniker herausgefunden, dass ein Riemen rutschte, der die Kraftstoffdosierungseinheit antreibt, und dem Motor somit in Kyalami 80 PS gefehlt hatten.

Das Technikgenie: Mauro Forghieri

Niki Lauda, Mauro Forghieri

Zurück aus dem Exil: Technik-Ass Forghieri und Lauda harmonierten perfekt Zoom

Lauda hatte sich mit seinem technischen Wissen und seiner Akribie damals längst einen Namen gemacht und kann heute getrost als Erfinder der modernen Testfahrten bezeichnet werden. "Mit das Wichtigste überhaupt in Fiorano war, dass man wirklich jeden Tag fahren und das Auto verbessern konnte", blickt er zurück. "Die anderen Teams hatten nur ihre Rennstrecken, die ihnen selbst nicht gehörten. Wir aber konnten ständig weiterentwickeln, hatten dadurch einen riesigen Vorteil. Je härter wir gearbeitet haben, umso schneller sind wir weitergekommen." Eine weitere Parallele zu Schumachers Ferrari-Ära: Auch der Rekordweltmeister testete in Fiorano oft bis zum Anbruch der Dunkelheit.

Mit Technikchef Forghieri hatte Lauda einen kongenialen Mitstreiter, denn "der wollte beweisen, dass er der Beste ist", erinnert sich die Formel-1-Legende. Und verrät die Hintergründe: "Enzo Ferrari hat Mauro 1973 zurückgeholt, als er in Sibirien geparkt war." Der Italiener aus Modena war 1972 nach zehn Jahren beim Formel-1-Team aus Maranello ins Exil geschickt worden. "Weil er vorher versagt hatte, machte er damals bei irgendwelchen Straßenautos das Getriebe."

Wie Lauda die Testfahrten "erfand"

Lauda sah seine Chance und nutzte jede Gelegenheit, um zu testen: Anstatt die Mechaniker die Funktionstests vor dem Rennwochenende absolvieren zu lassen, klemmte sich der neue Hoffnungsträger stets selbst hinter das Lenkrad und verglich die neuesten Teile. "Ich habe damals als Junger erkannt, was man mit den technischen Einrichtungen und dieser Teststrecke alles machen kann", so Lauda, der meint, damals "jede Woche" im Auto gesessen zu haben.

"Bevor die Autos verladen wurden, haben wir sie noch einmal getestet, damit kein Öl ausläuft, damit die Bremsen gehen, damit das Auto funktioniert, wenn es an der Rennstrecke ankommt", erzählt er. "Das habe ich immer selbst gemacht. Es war mir wichtig, zu wissen, dass der Kübel geht und ich gleich richtig zum Fahren komme."

Lauda und der Commendatore: "Quanti punti?" "Nove!"

Enzo Ferrari, 1971

Niki Lauda ließ das Herz Enzo Ferraris höher schlagen Zoom

Der legendäre Boss Enzo Ferrari beobachtete Lauda, der sich mit seinem Fleiß und seiner Effektivität Respekt erarbeitete, stets aus seinem Büro. "Immer wenn ich fertig war, und nach wo auch immer hin losgefahren bin, hat der Alte gefragt: 'Quanti punti?' ('Wieviele Punkte?', Anm.). Dann habe ich 'nove' ('neun') gesagt, er war happy, und ich bin gegangen. Das war seine Erwartungshaltung: gewinnen und neun Punkte machen. Das war damals ein geflügeltes Wort."

Lauda hat heute eine Idee, warum der knallharte, aber auch scheue Enzo Ferrari ihn respektierte: "Meine klare Art hat ihm gefallen", sagt er. "Die anderen Fahrer hat er emotional mehr hochleben lassen, wenn sie gewonnen haben, oder vernichtet, wenn sie nicht gewonnen haben. Ich glaube, er hat sehr wenige gehabt, die er wirklich persönlich gern gehabt hat. Da war sicher Gilles Villeneuve einer von ihnen, wegen seines aggressiven Fahrstils. Ich war auf eine andere Art einer davon, da ich die Technik und alles so hinbekommen wollte, dass sein Ferrari im Endeffekt gewonnen hat."

Das Drama von Montjuich

Beim Europa-Auftakt in Spanien war es für Lauda aber trotz des erfolgreichen Tests und seiner ersten Pole-Position der Saison noch nicht so weit. Stattdessen kam es auf dem schnellen Stadtkurs im Montjuich-Park von Barcelona zur Tragödie: Der Deutsche Rolf Stommelen durchstieß die Leitplanken, nachdem sein Heckflügel gebrochen war, und zog sich mehrere Knochenbrüche zu. Dabei wurden fünf Zuschauer getötet, zehn verletzt. Die Fahrer hatten schon im Vorfeld mit einem Boykott gedroht, weil die Leitplanken unzureichend befestigt waren, setzten sich aber nicht durch. Nur Fittipaldi reiste vorzeitig ab.

Lauda, der selbst bei diesem Rennen in einen Crash verwickelt war und ausschied, erklärt, dass sich die mangelnde Sicherheit nicht auf seine Herangehensweise auswirkte: "Das hat man zu akzeptieren, ist so. Dann ist man volle Pulle gefahren - ohne Einschränkungen. Man musste entweder ja oder nein sagen."

Der Handkuss für die Fürstin

Niki Lauda

Knoten geplatzt: Ausgerechnet in Monaco begann Lauda 1975 seinen Erfolgslauf Zoom

Doch dann, beim Klassiker in den Häuserschluchten von Monte Carlo, platzte bei Lauda endlich der Knoten - mit einem denkwürdigen Triumph. Es sollte bis dahin das schwierigste Rennen seiner Karriere werden: Alles beginnt mit einer fantastischen Pole-Position und sechs Zehntel Vorsprung auf seinen ersten Verfolger. "Ich bin so sehr ans Limit gegangen, um Tom Pryces Shadow die Pole wegzuschnappen, dass ich gezittert habe, als ich aus dem Auto ausstieg", offenbart Lauda.

Das Rennen wird auf tückischer, nasser Piste gestartet - und hinter Lauda spielt sich eine wahre Crashorgie ab: Jarier, Ferrari-Teamkollege Clay Regazzoni, Watson, Pryce, Brambilla, Hunt und Donohue kreiseln in die Leitplanken, weshalb Rivale Fittipaldi - im Qualifying nur Neunter - am Ende auf trockener Piste in Riesenschritten auf Lauda aufholt, der noch dazu Probleme mit dem Öldruck hat und Kampflinie fahren muss. Als die Zwei-Stunden-Marke erreicht ist, wird das Rennen vorzeitig beendet - drei Runden früher als geplant. "Eine Runde mehr, und er hätte mich überholt", sagt ein erleichterter Lauda in der 'Grand Prix Story 1975' zu Reporterlegende Heinz Prüller.


Laudas Monaco-Triumph 1975

Die Bilder aus der Fürstenloge, als Lauda Fürstin Gracia Patricia (die frühere Hollywood-Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Grace Kelly) die Hand küsst, gehen um die Welt. Lauda wundert sich, dass dies Wellen schlägt. "Meine Erziehung zu Hause war immer so, dass man eben einer Frau die Hand küsst, und besonders ihr, Grace Kelly, der Monarchin hier für die Monegassen. Für mich war das klar", erklärt er nüchtern. "Dann hat sich die ganze Welt gewundert." Viel wichtiger war, dass Lauda mit seinem Triumph eine zwei Jahrzehnte andauernde Durststrecke im Fürstentum beendete. Den Pokal vertraute er Sportdirektor Sante Ghedini an: "Zeige ihn dem 'Commendatore', er will ihn bestimmt sehen..."

James Hunt? "Das ist doch 1975 noch nicht losgegangen..."

Niki Lauda, James Hunt

Sein späterer Rivale James Hunt besiegte Lauda 1975 in Zandvoort im Hesketh Zoom

Laudas Siegeszug ging weiter, und er jubelte auch in Zolder und in Anderstorp, ehe er in Zandvoort als Zweiter nur seinem späteren Rivalen James Hunt den Vortritt lassen musste. Auch daran erinnert er sich heute kaum noch: "Das ist doch 1975 noch nicht losgegangen", wundert sich Lauda, als er darauf angesprochen wird. "Bei meiner damaligen Überlegenheit war damals vom Hunt nichts zu spüren."

Als Lauda auch in Frankreich einen Start-Ziel-Sieg von der Pole-Position feierte, war er klar auf Titelkurs, doch bei den folgenden Rennen sollte etwas Sand ins Getriebe kommen. In Großbritannien patzte die Ferrari-Boxencrew bei chaotischen Bedingungen, und er verlor ein Rad in der Boxengasse, während sich Fittipaldi mit einem Sieg zurückmeldete.

Spiel mit dem Leben: Die Rekordrunde auf der Nordschleife

Auf dem Nürburgring wurde Lauda wegen eines Reifenschadens Dritter, dafür brannte er im Qualifying eine Rekordzeit in den Asphalt der wohl legendärsten Rennstrecke der Welt, die ihm ein Jahr später zum Verhängnis werden sollte. "War das die Pole-Position unter sieben Minuten?", fragt Lauda, ehe seine Erinnerungen langsam wiederkehren.

"Ich wusste: Wenn ich das jetzt noch einmal probiere, bin ich tot." Niki Lauda

Der Wiener umrundete die gefährliche Berg- und Talbahn in exakt 6:58,600 Minuten - kein anderer Pilot unterbot auf diesem Kurs je die Sieben-Minuten-Schallmauer. "Da habe ich gesagt, dass ich das in meinem Leben nie mehr erreiche. Das war eine unglaubliche Runde und Herausforderung bis zum bitteren Ende - vollstes Risiko", meint die Formel-1-Legende. Und ergänzt: "Ich wusste, wenn ich das jetzt noch einmal probiere, bin ich tot. Das mach ich nicht mehr."

So genial Lauda im Qualifying auftrat - in den Rennen sollte das Pech auch beim Heimspiel in Zeltweg an seinen Fingern kleben. Von der Pole-Position gestartet, vergriff man sich bei der Regenschlacht, die später abgebrochen wurde, beim Setup, und der WM-Leader fiel auf Rang sechs zurück. Im Warm-up war der US-Amerikaner Mark Donohue in den Tod gestürzt. Dass Lauda schon damals im Regen nicht das allerletzte Risiko nahm oder gar seine Titelchancen nicht aufs Spiel setzen wollte, weist er von sich: "Ich hätte nie mehr danach diese WM gegen Alain Prost mit einem halben Punkt Vorsprung gewonnen, wenn ich nicht an der härtesten Grenze am obersten Limit gewesen wäre."

WM-Sieg beim Ferrari-Heimspiel

Auch sein Nürburgring-Crash im Jahr 1976 machte ihn laut eigenen Angaben nicht langsamer: "Ich war gleich schnell, weil das die Grundvoraussetzung ist. Der Unfall war für mich drei Rennen nach Monza im gleichen Jahr komplett erledigt. Du musst so einen Unfall so verarbeiten, damit er dich nicht weiter belastet." In Monza, wo er ein Jahr später nach dem Feuerunfall sein sensationelles Comeback geben sollte, hatte er nun die Chance, seinen ersten Titel sichern, da Fittipaldi bei den zwei vorangegangenen Rennen nicht punktete. Ihm würde ein fünfter Platz reichen, während Fittipaldi und der Argentinier Carlos Reutemann einen Sieg benötigten.

Clay Regazzoni, Niki Lauda

Im Windschatten Regazzonis wird Lauda im Ferrari-Tollhaus Monza Weltmeister Zoom

Von der Pole-Position gestartet, reihte sich das Ferrari-Ass hinter Teamkollege Regazzoni ein und ging jedem Risiko aus dem Weg. Auch als der entfesselte Fittipaldi später herannahte und den Österreicher überholte. Hatte er den Platz gar kampflos aufgegeben und war auf Nummer sicher gegangen? "Ich glaube nicht, dass ich ihn durchgelassen habe, sondern dass er mich einfach überholt hat", meint Lauda heute. Aber: "Mein Ziel war, die WM zu gewinnen. Also nichts riskieren, um das Rennen zu gewinnen, sondern die Punkte hereinholen."

Es war das perfekte Ferrari-Ergebnis: Regazzoni schenkte den Tifosi den Heimsieg, der neue Weltmeister Lauda stand als Dritter ebenfalls auf dem Podest. Seine ersten Worte als frischgebackener Champion? "Ich glaube, hinten links ist der Stoßdämpfer gebrochen." Typisch Lauda, der von einer Zeitung als "Roboter mit Herz" bezeichnet wird.

Nach dem Triumph: Monza als beängstigendes Tollhaus

Niki Lauda, Emerson Fittipaldi, Clay Regazzoni

Podest in Monza: Der geschlagene Fittipaldi, Sieger Regazzoni und Lauda Zoom

So souverän er im Rennen agierte, so sehr überforderte ihn das Chaos nach dem Grand Prix: Lauda muss von berittenen Carabinieri, die die tobenden Fans zurückhalten, von der Box zur Siegerehrung geschleust werden. Als ihn Reporter Prüller im Fahrerlager nach seinem Befinden fragt, meint Lauda mit blassem Gesicht: "Beängstigt, im Moment. Unterwegs hat eines der Pferde ausgeschlagen, nur zwei Zentimeter neben meinen dünnen Rennpatschen aufgestampft." Sein einziger Gedanke: "Da wieder heil herauszukommen."

Und dennoch spricht er später vom "schönsten Tag" seines Lebens. Kein Wunder, denn für Lauda war der Triumph die Belohnung für die harten Jahre bis zur Formel 1, als er gegen den Widerstand seiner Familie eine Rennfahrerkarriere durchboxte und mit dem Millionenkredit sogar seine Existenz aufs Spiel setzte.

Lauda: Erster Titel der wichtigste

"Man kann sich in dieser Phase weder vornehmen, wann und wie man weiterkommt", beschreibt er 40 Jahre später die harten Anfangsjahre. "Das ist natürlich von verschiedenen Faktoren abhängig. Das heißt: Die erste Weltmeisterschaft, die man gewinnt, ist die schwierigste überhaupt, da der Weg dorthin schon in der Formel 3 begonnen hat. Wenn man sie dann gewonnen hat, weiß man, dass man das Resultat dafür hat - für all das, was ich vom Anfang bis jetzt gemacht habe. Deswegen ist die die Wichtigste überhaupt..."

Ab diesem Zeitpunkt werde alles einfacher, ganz unabhängig von den Umständen: "Weil man schon bewiesen hat, wie es geht. Dann hat man die Confidence, man ist Weltmeister, deswegen sind der zweite und der dritte Titel einfacher. Der erste ist immer die Mühsamste."

Warum Lauda sein Weltmeisterauto nicht besitzt

1976 sollte Lauda den Titel im letzten Rennen in Fuji gegen Hunt verlieren, weil er bei strömendem Regen freiwillig aufgibt. 1977 sollte es dann tatsächlich wieder klappen. Er stellt heute klar: "Ich habe 1976 nicht wegen Japan verloren, sondern wegen dem Feuerunfall. Es wundert mich manchmal, wie sich die Menschen das alles schönreden. Das ist deppert. Hätte ich den Unfall nicht gehabt und hätte nicht drei Rennen versäumt, wäre ich Weltmeister geworden." Nachsatz: "Aber mein Lauf mit Ferrari 75, 76, 77: Wenn man das zusammenzählt, hätte ich in vier Jahren dreimal Weltmeister werden können. Das war nicht schlecht."


Fotostrecke: Das bewegte Leben des Niki Lauda

Als er 1975 diese Erfolgsära auslöste, schwelgte Lauda übrigens nicht lange im Freudentaumel: Nach der Weltmeistersaison hatte er Enzo Ferrari, von dem er für den Titel keine besondere Anerkennung erhielt ("Nein, nein, der war scheu"), dazu überredet, ihm seinen ersten Weltmeister-Boliden zu einem günstigen Preis zu verkaufen. Doch dann kamen die Tests mit dem neuen, noch besseren Boliden für die Saison 1976. Das alte Auto interessierte den Champion plötzlich nicht mehr. Wahrscheinlich kein Fehler, denn hätte er damals trotzdem zugeschlagen, dann wäre der Bolide wohl irgendwann auf eBay gelandet. Wie die vielen Pokale.