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Das große Siegerinterview mit Michael Schumacher
Michael Schumacher über seinen Sieg in Shanghai, den tollen Fight gegen die Renaults, die gestiegenen Chancen in der Weltmeisterschaft und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, ab wann hast du denn heute so richtig an den Sieg geglaubt?"
Michael Schumacher: "Im Prinzip nachdem ich 'Fisico' (Fisichella; Anm. d. Red.) überholen konnte, nachdem er auf Slicks gewechselt hat. Da war für mich schon die ziemlich große Hoffnung vorhanden, dass wir bei den Bedingungen in jener Phase des Rennens mit unseren Reifen einen Vorteil haben könnten. Mit diesem Vorteil konnte ich mir dann ein ziemlich beruhigendes Polster schaffen."

© xpb.cc
Michael Schumacher liegt in der Fahrer-WM erstmals 2006 in Führung
Frage: "Deine Pace auf Intermediates, vor dem Wechsel auf Trockenreifen, war phänomenal. Da hast du das Rennen gewonnen. Wie hast du diese Phase des Rennens erlebt?"
Schumacher: "Es war ein Risiko, auf den Intermediates zu bleiben, denn man kann aus dem Cockpit nicht so gut erkennen, in welchem Zustand sich die Reifen befinden, also muss man pokern und einzuschätzen versuchen, was richtig ist. Wir haben uns dafür entschieden, auf den Reifen zu bleiben, was perfekt funktioniert hat, und dann fanden wir den richtigen Moment für den Wechsel, denn danach hätten wir sicher gleich Performance verloren, weil es zu trocken geworden wäre. Also kamen wir an die Box und wechselten die Reifen."#w1#
Keine Schadenfreude wegen Alonso
Frage: "Ging bei dir der Puls hoch, als du gehört hast, dass Fernando Alonso ein Problem hatte?"
Schumacher: "Das war ja davor schon. Da ist der Puls nicht mehr hochgegangen, aber in dem Moment, wo ich mit Fisichella beschäftigt war, war es für uns schon wichtig zu sehen, dass wir die Lücke schließen konnten, die am Anfang schon so groß schien, dass sie nicht mehr einzuholen war. Das konnten wir aber zum Glück noch umbiegen."
Frage: "Dein Überholmanöver gegen Giancarlo Fisichella war toll. Hattest du Angst, dass er in die falsche Richtung zucken könnte?"
Schumacher: "Solche Gedanken muss man natürlich ein bisschen haben, denn er möchte auf der einen Seite seine Position verteidigen, nachdem er ja doch ziemlich weit draußen war. Das so zu überblicken, dass man das alles im Griff hat, ist nicht immer ganz einfach. Mir war schon klar, dass er bis zu einem gewissen Grad ans Limit gehen würde. Ich bin dann auch aufs Gras innen ausgewichen, um eine Kollision zu vermeiden. Ich dachte mir schon, dass es dort eng werden könnte, denn ich hatte im Training auch ein paar solche Momente an der Stelle, ein paar Fahrer haben sich sogar gedreht. Also ließ ich es ruhig angehen, aber selbst das war noch fast zu schnell. Ich sah dann eine Lücke, stach hinein und gewann das Rennen."
Frage: "Gleich zu Beginn musstest du die Hondas überholen..."
Schumacher: "Ja, ich hatte einen Kampf mit Rubens (Barrichello; Anm. d. Red.), ganz geradlinig. Dann auch mit Jenson (Button; Anm. d. Red.) so ähnlich, ich ging auch an ihm vorbei. Dann holte ich auf 'Fisico' auf, was ziemlich gut aussah, und von da an wurden wir immer schneller."
Frage: "Zum Schluss regnete es dann noch einmal. Da wurde es noch einmal aufregend, oder?"
Schumacher: "Lass es mich so sagen: In dem Moment, wo man so viel Vorsprung hat, fährt man natürlich dann dementsprechend vorsichtig. Ich hatte vor der letzten Runde sechs Sekunden Vorsprung - und mit sechs Sekunden Vorsprung gibt es überhaupt keinen Grund, den Vorsprung ins Ziel zu fahren, sondern es reicht ein kleines bisschen. Dementsprechend habe ich langsamer gemacht, die Drehzahlen reduziert und so weiter."
Frage: "Warst du einmal neben der Strecke, gab es eine Schrecksekunde im Rennen?"
Schumacher: "Nein, ich war nie neben der Strecke."
Frage: "War ein Schlüssel zum Erfolg das Weiterfahren auf Intermediates und der Verzicht auf einen Reifenwechsel beim ersten Boxenstopp?"
Schumacher: "Ja, auf jeden Fall."
Vor dem Rennen war Schumacher pessimistisch
Frage: "Das frühe Aufstehen hat sich für deine Fans in Deutschland gelohnt. Wie viel Spaß hat dir das Rennen gemacht?"
Schumacher: "Auf jeden Fall, und da gibt es sicherlich ein großes Dankeschön dafür, weil es sah ja nach dem gestrigen Qualifying überhaupt nicht gut für uns aus. Das Rennen unter ähnlichen Bedingungen zu starten, war auch nicht sehr viel mehr viel versprechend. Dass wir am Anfang die Performance derer, die unmittelbar vor uns standen, mitgehen konnten, war schon mal mehr als ich mir erhofft hatte."
"Dann konnte ich die Leute nach und nach überholen und an Giancarlo ranfahren. Das war schon mal ein gutes Zeichen, denn selbst wenn ich Fernando nicht geschlagen hätte, hätte ich vielleicht zwei Punkte verloren, was alles noch im Rahmen gewesen wäre und wo ich auch am Anfang des Rennens sofort unterschrieben hätte - da wäre ich gleich nach Suzuka gefahren! Dass es sich noch einmal komplett dreht und dass wir auf null Punkte Abstand kommen, das ist schon spitze gewesen."
Frage: "Renault sprach gestern vom 'armen, alten Michael'. Ist dieser Sieg besonders für dich?"
Schumacher: "In welcher Hinsicht?"
Frage: "Weil du Renault gezeigt hast, dass du noch gar nicht so alt bist."
Schumacher: "Wenn ich auf solche Dinge Wert legen würde, hätte ich mir in der Formel 1 schon immer sehr schwer getan. Man muss das richtig verstehen und ich habe das auch in den richtigen Hals bekommen, habe da ein bisschen Ironie drin gesehen. Ich bin ja auch der älteste Fahrer im Feld, damit kann ich ganz gut leben - zumal ich nicht der Langsamste bin. Das ist das Wichtigste: Konzentration zu bewahren, Dinge richtig einzuschätzen, sich nicht wirklich von Sachen ablenken lassen, die für andere wichtig sind. Insofern habe ich heute mein Rennen so gut gefahren, wie es möglich war. Ich bin mit dem Motto, Schadensbegrenzung zu betreiben, ins Rennen gegangen. Dass ein Sieg dabei herauskam, ist dann natürlich umso schöner."
Frage: "Ein rundum gelungenes Wochenende, nicht wahr?"
Schumacher: "Ja, es war ein ziemlich aufregendes und extremes Wochenende. Ich war am Freitag ziemlich konkurrenzfähig, als es trocken war, aber dann kam das Qualifying, ein Schauer - und beinahe wäre ich nicht mal in die Top 10 gekommen! Der sechste Startplatz am Schluss war für den Start ins Rennen wichtig."
Reifen funktionierten in einem bestimmten Fenster
Frage: "War das Auto heute unter allen Bedingungen gut?"
Schumacher: "Ja. Wir wussten schon am Samstagmorgen, als es ja auch abtrocknete, dass wir unter solchen Bedingungen keine Probleme haben würden. Die Trockenreifen waren sehr gut. Die Intermediates und Regenreifen funktionierten nur in einem bestimmten Fenster optimal, aber damit hatten wir Erfahrung, also war es sozusagen eine perfekte Kombination heute. Ich konnte es dann locker angehen und musste den Sieg am Ende nur noch nach Hause fahren."

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Michael Schumacher feierte nach dem Sieg ausgelassen mit seiner Crew Zoom
Frage: "Du hast nach dem Rennen viele Ferrari-Mitarbeiter umarmt. Wem gilt dein besonderer Dank? Dem ganzen Team?"
Schumacher: "Ja, da muss man schon dem ganzen Team danken. Das sind einfach klasse Jungs, das haben sie schon oft genug unter Beweis gestellt. Auch nach all diesen Triumphen, nach all diesen Erfolgen sind sie nach wie vor motiviert, und die Stimmung ist einfach spitzenmäßig. Insofern gilt jedem mein Dank."
Frage: "Gibt es in solchen Momenten bei dir maximalen Emotionsausschlag?"
Schumacher: "Auf jeden Fall! Ich habe es ja gesagt: Ich habe nicht damit gerechnet. Das Barometer war auf Schadensbegrenzung eingestellt, und dann noch einen Sieg herauszuholen, das freut einen natürlich dann viel mehr."
Frage: "Shanghai war bisher nicht die beste Strecke für dich. Was hältst du jetzt von Shanghai und wirst du in Zukunft als Zuschauer hierher zurückkommen?"
Schumacher: "Die letzten zwei Jahre waren wirklich nicht so gut. Unglücklich wäre nicht das richtige Wort, denn Rubens hat ja 2004 gewonnen, aber bei mir kamen damals ein paar Sachen zusammen und im Vorjahr waren wir einfach nicht konkurrenzfähig. Gestern dachte ich schon, dass es diesmal wieder daneben gehen könnte, aber das Pendel hat anders ausgeschlagen. Das ist wunderschön, wenn man nicht mit einem Sieg rechnet."
"Shanghai ist eine interessante Stadt mit sehr interessanten Menschen, und ich möchte mich bei allen Fans hier bedanken, denn sie waren die ganze Woche extrem nett und enthusiastisch. Die Tribüne am Ende der Geraden war beeindruckend mit den ganzen Bildern von meiner Geschichte, meiner Familie und allen. Schön, danke dafür! Ob ich zurückkommen werde, muss man sehen. Schon möglich. Ich weiß es aber nicht."
Schumacher von chinesischen Fans begeistert
Frage: "Das war ein wundervoller Abschied aus China, oder?"
Schumacher: "Ja. Die chinesischen Fans und speziell die Fans in Kurve 14 haben uns toll angefeuert. Ich konnte ihnen im Gegenzug ein gutes Resultat schenken, eine Art Wiedergutmachung für die letzten zwei Jahre."
Frage: "Nach Kanada waren es noch 25 Punkte Rückstand. Wie schafft man es als Team, da wieder heranzukommen?"
Schumacher: "Arbeit."
Frage: "Nur Arbeit oder warst du auch als Motivator gefragt?"
Schumacher: "In erster Linie Arbeit, und eine dementsprechende Qualität an Leuten hinter sich zu haben, die all das umsetzen können, was man sich manchmal wünscht. Wenn man ein paar Wochen zurückschaut, ist es ein Wunder, wie weit wir gekommen sind, aber das ist allen harten Arbeitern bei Ferrari zu verdanken. Jetzt gehen wir in die letzten zwei Rennen. Eine Entscheidung wird wohl erst in Brasilien fallen. Das werden interessante Wochen, die da auf uns zukommen, aber darauf freue ich mich schon."
Frage: "In der Weltmeisterschaft steht es nun unentschieden. Wem glaubst du liegt die nächste Strecke in Suzuka besser?"
Schumacher: "Das ist unheimlich schwierig vorherzusehen. Ich habe schon öfter in der Saison gesagt, dass es schwierig ist, Prognosen zu treffen. Die Reifen sind ein ganz großer und entscheidender Faktor, der sich je nach Rennstrecke verändern kann. Insofern mag ich da keine Prognose wagen."
Frage: "Suzuka ist eine deiner Lieblingsstrecken..."
Schumacher: "Es stimmt, dass mein Fahrstil zur Strecke passt und ich Suzuka sehr mag. Eine fantastische Strecke!"
Frage: "Denkst du jetzt vielleicht ein bisschen an Suzuka 2000?"
Schumacher: "Ich mag solche Vorhersagen und Vergleiche nicht wirklich, denn es macht nicht wirklich viel Sinn. Die Umstände sind anders. Es ist ganz klar: Würde ich Suzuka gewinnen, wären wir da schon Weltmeister (nur richtig, wenn Alonso ausfallen sollte; Anm. d. Red.), aber bis dahin ist es noch ein langer Weg."

