• 15.08.2004 18:49

Das große Siegerinterview mit Michael Schumacher

Michael Schumacher über seinen überragenden Sieg in Ungarn, den eingefahrenen Konstrukteurstitel und die anhaltende Siegesserie

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, langsam aber sicher gehen einem die Superlativen aus. Du bist der erste Fahrer, der zwölf Rennen in einer Saison gewinnt, wodurch Ferrari der Konstrukteurstitel nun nicht mehr zu nehmen ist."
Michael Schumacher: "Der zweite Punkt ist wohl wichtiger, und darüber sollten wir auch reden. Hier heute auf diese Art und Weise zu gewinnen, wo wir im vergangenen Jahr noch verloren haben, zeigt, warum wir uns den Konstrukteurstitel so früh sichern konnten. Jeder hier ist großartig und verdient diesen Sieg, denn auch nach einem wunderbaren Saisonstart haben sie nicht nachgelassen. Wir hatten in Jerez einen sehr wichtigen Test, bei dem unsere Partner Bridgestone und Shell mit neuen Lösungen kamen. Diese haben schon in Hockenheim gut funktioniert, aber hier besonders. Aber genau deswegen sind wir hier, wir konnten mit diesem großartigen Resultat das Ergebnis aus dem vergangenen Jahr wieder ausmerzen."#w1#

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Sieg für Michael Schumacher - der siebte Titel ist zum Greifen nah

Frage: "Es ist dein zweiter 'Grand Slam' in diesem Jahr, also Pole Position, alle Runden geführt und gewonnen. Wie war dein Rennen? Von außen sah es doch sehr einfach aus."
Schumacher: "So sieht das vielleicht von außen aus, aber dieser Kurs ist sehr fordernd. Es wurde erst einfach, als wir nach dem letzten Boxenstopp einen sicheren Abstand hatten. Danach fuhr ich auf Sicherheit, zuvor habe ich aber gepusht, und Rubens auch. Dabei waren wir am Limit. Ich muss sagen, dass das Auto auf diesem schwierigen Kurs wirklich gut war. Daher sah es vielleicht auch so gut aus. Aber im Auto hat man etwas mehr Arbeit, als es von außen oft den Anschein erweckt."

Michael Schumacher genießt die Erfolgswelle

Frage: "Viel Überholmanöver gab es ja nicht, aber du musstest viele Autos auf der Strecke überrunden."
Schumacher: "Ja, Überrundungen gab es viele. Leider haben einige Fahrer die blauen Flaggen nicht so beachtet wie sie es sollten. Aber es ist hier in Ungarn auch schwer, Platz zu machen. Man kann auf dieser Piste ohnehin nur überholen, wenn ein sehr viel schnelleres Auto von hinten kommt. Mein Bruder hat das im vergangenen Jahr ja gezeigt. Ansonsten kann man keine Überholmanöver erwarten, das war auch in diesem Jahr der Fall."

Frage: "Es hat den Anschein, als würdest du es immer mehr genießen und der Erfolg fliegt dir zu. Und dann erscheint alles noch einfacher."
Schumacher: "Es läuft einfach alles gut. Im Team gibt es eine großartige Atmosphäre und das Schöne an der Formel 1 ist, dass sie sich immer weiterentwickelt. Wir haben immer neue Dinge, die wir entdecken können, das hebt natürlich auch massiv die Motivation an. Gerade nach dem vergangenen Jahr, als wir hier nicht gut aussahen, war es schön zu wissen, dass unsere Arbeit so gut ist. Das hat auch die Pause angenehm gemacht. Ich konnte mich gut vorbereiten. Es geht einfach weiter und ich genieße das. Aber eines Tages wird das auch aufhören, wir alle wissen das."

Frage: "Für Ferrari ist das ein historischer Tag. Kannst du beschreiben, was dir der 14. Konstrukteurstitel bedeutet?"
Schumacher: "Es ist zwar der 14. Titel aber auch der sechste in Folge, das macht es so herausragend. Und es ist natürlich auch die Art und Weise, wie wir das geschafft haben - dominant und einfach perfekt. Wenn man sich die Zuverlässigkeitsstatistik anschaut, dann ist das sehr beeindruckend. Es ist großartig, in dieser Zeit zu leben und ein Teil dieser Geschichte zu sein. Wir werden es so lange es geht genießen."

Nur Barrichello machte Schumacher das Leben schwer

Frage: "Am Donnerstag gab es noch viele Stimmen, dass Michelin hier siegreich sein könnte. Doch wie wir wissen, waren sie weit davon entfernt. Welche Rolle spielt Bridgestone dabei?"
Schumacher: "Beim Test in Jerez waren ja auch einige Konkurrenten da, und wir konnten uns dort mit den anderen vergleichen, besonders dann, wenn es heiß war. Diese Arbeit hat sich bezahlt gemacht. Wir konnten da bereits sehen, dass wir hier eine gute Möglichkeit haben würden. Am Freitag machte ich mir noch etwas Sorgen über die Leistung im Qualifying, aber die Rennperformance war da schon sehr gut."

Frage: "Hattest du hier überhaupt Konzentrationsprobleme? Immerhin musstest du ja nicht gegen andere Autos fahren."
Schumacher: "Sah das so aus? Ich hatte Rubens nicht gerade im Genick sitzen, aber es waren auch nur vier oder fünf Sekunden vor dem ersten Boxenstopp, und man weiß nie, wie sich das Rennen entscheiden wird. Außerdem geriet man häufig in Verkehr und ich verlor einige Male viel Zeit. Man muss sich aber immer antreiben und die ersten drei Stints fuhr ich voll. Nachdem Rubens dann mit einem schlechten Reifensatz haderte, konnte ich mich etwas zurücklehnen. Aber bis dahin fuhren wir voll, innerhalb von zehn Sekunden, und auf zehn Sekunden verlasse ich mich nicht. Es ist hier einfach, einen Fehler zu machen. Man muss also konzentriert bleiben und immer pushen, da muss man den richtigen Kompromiss finden. Aber das heutige Paket hat mir das Leben schon vereinfacht, wenn man es mit dem vergangenen Jahr vergleicht. Wir sind zwar viel schneller, aber ich kann auch besser die Konzentration halten, weil in diesem Jahr alles so vorhersagbar ist."

Titel in Spa oder Monza? Schumacher: Egal

Frage: "In Spa könntest du dir bereits die Fahrerweltmeisterschaft sichern, oder wäre es die lieber, bis Italien zu warten, wenn du vor deinen eigenen Fans antrittst?"
Schumacher: "Beide Rennen sind schön, wenn man dort die Weltmeisterschaft einfahren kann. Spa bedeutet mir persönlich natürlich sehr viel, es liegt auch nah an meiner Heimat. Die Anziehungskraft von Monza erklärt sich von selbst. Mir ist es letztendlich egal wo, aber zuerst muss es ja dazu kommen. Das ist eine andere Geschichte. Mathematisch hat Rubens ja noch die Chance, den Titel zu holen."

Frage: "Es schien bei euch heute nur ein Problem zu geben. Das mit der Tankanlage in der Box. Weißt du etwas darüber?"
Schumacher: "Nein."

Frage: "Den Beitrag von Bridgestone hast du bereits dargelegt. Aber was konnte Shell erreichen? Die Vorgaben im Reglement bezüglich des Benzins sind ja sehr eng."
Schumacher: "Sie haben den schwierigsten Schritt vollzogen. Sie haben uns mehr Kraft, eine bessere Zuverlässigkeit und einen günstigeren Benzinverbrauch ermöglicht. Das hat unser Strategiefenster ein wenig größer gemacht. Das ist ein außerordentlicher Erfolg, denn die Vorgaben sind wirklich sehr eng. Shell ist aber eine großartige Firma und sie arbeiten sehr hart. Sie arbeiten eng mit uns zusammen, und die Schmiermittel haben sich in diesem Jahr sehr verbessert."

Jeder hat Ideen bezüglich der Zukunft der Formel 1

Frage: "Derzeit gibt es viele Diskussionen über die künftige Gestaltung der Formel 1. Ich habe mit Marc Surer gesprochen, der diesbezüglich auch Ideen hat. Welche Vorschläge hast du?"
Schumacher: "Genau das ist der Punkt. Wir alle haben Ideen, wie wir die Formel 1 verbessern können, und wir alle glauben, dass sie richtig sind. Aber man muss zu einem Ergebnis kommen, das ist das Schwierige. Wenn man zehn Leute hat, dann hat man auch zehn Ideen. Daher braucht man auch die richtigen Gruppen, um das zu analysieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir Fahrer leisten unseren Beitrag auf Gebieten, auf denen wir kompetent sind. Wir hatten ein Treffen mit (FIA-Präsident) Max Mosley und befinden uns mit der FIA in einem ständigen Kontakt. Dabei gibt es Dinge, über die wir reden, und Dinge, über die wir nicht reden."

Frage: "Vor einer halben Stunde hast du deinen Emotionen noch freien Lauf gelassen, jetzt erscheinst du schon etwas kontrollierter. Kannst du deine Emotionen genauso kontrollieren wir die Leistung deines Ferraris?"
Schumacher: "Es gibt da schon einen Unterschied zwischen jetzt und vor einer halben Stunde. Da war ich mit all den Leuten draußen, besonders meinem Team. Wir haben gefeiert und Spaß gehabt. Nun bin ich hier und wir sind hier alle sehr ruhig und haben eine Pressekonferenz. Wir passen uns doch nur den Umständen an."

Frage: "Was ist einfacher zu kontrollieren, die Emotionen oder die Kraft des Ferraris?"
Schumacher: "Es geht nicht um Kontrolle. Aber wenn ich hier jetzt herumhüpfen würde, dann würdet ihr doch denken, ich wäre etwas verrückt."